Jetzt kommt es also doch so, wie es Gerüchte schon vor Wochen gemutmaßt haben: Die Hausarzt-Praxis von Dr. Werner Weigand schließt – ersatzlos. Ende September 2024 ist Schluss. Sollte sich bis dahin noch eine Ärztin oder ein Arzt finden, um seine Praxis zu übernehmen, würde sich Weigand freuen. Doch er weiß: Die Chancen dafür sind gering.
Dabei durfte der Hausarzt monatelang davon ausgehen, das zu schaffen, was gerade in ländlichen Regionen längst nicht allen Medizinern gelingt, wenn sie in Ruhestand gehen. Anfang November 2023 hatte ein Arzt aus einem Krankenhaus in der Region ihm mitgeteilt, dass er Weigands Praxis am Marktplatz in Gerolzhofen gerne übernehmen würde. Ihm fehle aber noch die notwendige Facharzt-Prüfung.
Weigand, der 69 Jahre alt ist, verschob deshalb sogar die für Ende März 2024 vorgesehene Praxis-Schließung, um dem jüngeren Kollegen mehr Zeit einzuräumen. Er habe gehofft, die Praxis in gute Hände übergeben zu können, berichtet Weigand. Doch dann machte der Interessent einen Rückzieher. Am 9. Mai, an Christi Himmelfahrt, teilte er Weigand mit, dass aus der geplanten Übernahme nichts werden wird.
Sorgenvoller Blick auf die letzte Zeit
Dass er die Praxis noch bis Herbst weiterführt, liegt auch an einer Vorgabe, die ihn als Hausarzt verpflichtet, nach Rückgabe seiner Kassenzulassung ein Quartal lang weiter zu praktizieren. So gerne er seinen Job eigenen Angaben nach bis heute ausübt: Der ihm bevorstehenden letzten Zeit als Hausarzt blickt Weigand mit sehr gemischten Gefühlen entgegen.
Ein Teil seines Praxispersonals ist bereits gegangen. "Arzthelferinnen werden überall gesucht", sagt Weigand. Zwei Angestellte arbeiten in seiner Praxis noch Vollzeit, eine in Teilzeit. Die Arbeitsbelastung sei für alle immens. Deshalb hilft gerade Weigands Ehefrau in der Praxis aus. "Zur Zeit", spricht Weigand ganz offen, "ist das die Hölle."
Dabei versorgt die Praxis laut Weigand bereits weniger Patientinnen und Patienten als einst. Von 1500 sind noch annähernd 1000 geblieben. Der Rest hat sich schon eine neue Praxis gesucht. Wobei dies für die verbliebenen Patienten im Einzelfall schwierig werden könnte. Weigand hofft, dass das örtliche Ärztezentrum sowie die Praxen von Dr. Heidi Kempf und Dr. Holger Herrmann möglichst seine Patientinnen und Patienten übernehmen können. Er sieht auf Gerolzhofen dennoch eine hausärztliche Unterversorgung zukommen.
Gerolzhofen gilt als ausreichend versorgt
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sieht die Lage weniger dramatisch. Sie berichtet von elf Hausärzten, fünf Frauen und sechs Männer, im Bereich Gerolzhofen (Stand: 31. Januar 2024). Dies entspreche einem Versorgungsgrad von 97,37 Prozent. Damit ist der Bereich zwar bestimmt nicht überversorgt (ab 110 Prozent), aber er gilt auch nicht als unterversorgt (unter 75 Prozent).
Das Durchschnittsalter der elf Ärzte liegt laut KVB bei fast 59 Jahre. Das macht ein Problem deutlich, das auch Weigand jetzt zu spüren bekommt: Es fehlt an ärztlichem Nachwuchs. Und die Frauen und Männer, die sich nach ihrem Medizinstudium für die Arbeit in einer Hausarztpraxis interessieren, scheuten in vielen Fällen die Selbstständigkeit, sagt der Gerolzhöfer Hausarzt.
Schuld an der Situation haben in den Augen von Weigand Politiker, die es verschlafen hätten, rechtzeitig die Zahl der Medizin-Studienplätze auszubauen. Doch daneben gebe einen weiteren Grund, weshalb die Hausarzt-Einzelpraxis ein "Auslaufmodell" geworden ist. Die heute von vielen hochgehaltene Work-Life-Balance mache auch vor jungen Medizinern nicht Halt. Tage mit zwölf bis 14 Arbeitsstunden, wie er sie aus seiner Praxis kenne, ließen sich schlecht mit einer ausgewogenen Freizeit vereinbaren, sagt Weigand.
Intensives Verhältnis zwischen Patient und Arzt
Als Angestellte in einer großen Gemeinschaftspraxis oder in einem medizinischen Versorgungszentrum seien die Arbeitszeiten überschaubarer und vor allem leichter planbar als mit einer eigenen Praxis. Allerdings sei dort das Arzt-Patienten-Verhältnis intensiver, fast schon eine Schicksalsgemeinschaft. "Das macht die Arbeit in einer Einzelpraxis schön, aber auch anstrengend", stellt Weigand fest. Wenn Krankheiten anders verliefen, als er es erwartet hatte, belastete ihn das auch.
Er selbst hat als Arzt noch die als "Mediziner-Schwemme" bezeichnete Phase erlebt, als junge Ärztinnen und Ärzte händeringend freie Stellen suchten. Bei ihm dauerte es nach Abschluss seines Studiums ein halbes Jahr, bis er im Herbst 1986 im Krankenhaus in Wertheim unterkam. Dort blieb er, bis er Anfang 1994 die Praxis von Dr. Max Madlener in der Weiße-Turm-Straße in Gerolzhofen übernehmen konnte. Zuvor hatte er über ein Jahr nach einer Praxis im Raum Schweinfurt gesucht.
Entscheidung für Praxis in Gerolzhofen nie bereut
Zwei Jahre später eröffnete er seine neu eingerichtete Praxis in den Räumen am Marktplatz, wo Elektro Fehlbaum zuvor seine Werkstatt hatte. "Damals musste man seinen Patientenstamm mühsam aufbauen", erinnert sich Weigand. Heute sei das ganz anders. Heute würden die Praxen quasi überrannt. Seinen Schritt, sich als Hausarzt in Gerolzhofen niederzulassen, habe er nur ganz am Anfang mal hinterfragt. Im Rückblick, müsse er sagen: "Die Entscheidung für Gerolzhofen war genial. Wir fühlen uns hier sehr wohl."
Trotzdem freut er sich jetzt auch auf seinen Ruhestand. Nachdem er als Hausarzt durchschnittlich 50 bis 60 Patienten pro Tag behandelt habe, in Ausnahmefällen auch mal 200, erwarte ihn ab Oktober eine echte Auszeit. "Ich kann dann tun und lassen, was ich möchte." Auf ihn wartet daheim neben seiner Frau (Weigand: "Die hat viel Zeit auf mich verzichten müssen") ein Oldtimer. Mit dem 53 Jahre alten Mercedes SL möchte er gerne häufiger fahren, aber auch mehr verreisen als zuletzt.
Der Behandlungsansatz ist allerdings falsch - wir brauchen nicht noch mehr Ärzte, die dann wegen der besseren work-Life-Balance und besserer Bezahlung nach Skandinavien abwandern - sondern einfach die Möglichkeit, dass Ärzte angestellt arbeiten können, z.B. in einer Praxis, die von der Kommune betrieben wird!
Fehler über Fehler - vom "NC" bis zur Kostendeckelung durch die Krankenkassen.
Die Zeche zahlen die Patienten - überfüllte Wartezimmer bei Haus-und lange Wartelisten bei Fachärzten.
Anstatt immer neue Studiengänge für "schwächere Abiturienten" zu schaffen, sollte man sich an Österreich orientieren: nicht die Abi-Note entscheidet, sondern Talent und Interesse.
Doch davon ist der deutsche Piefke noch weit entfernt. Darum auch der Fachkräftemangel in allen Bereichen.
Bleibt zu hoffen, dass wenigstens die medizinische Versorgung gesichert bleibt.
Für GEO und Umgebung sehe ich aber erstmal schwarz - leider.
Schon heute greifen Ein-Arzt-Praxen auf pensionierte Kollegen als Vertretung oder Unterstützung zurück,während Gemeinschaftspraxen zwar keine Patienten mehr annehmen, dafür aber geschlossen 3 Wochen Urlaub machen. Gibt es demnach keinen Nachfolger für Dr. Weiland, werden im Sommer 2025 wohl lange Schlangen vor den übrigen 2 o. 3 ?? Ein-Arzt-Praxen stehen.