Während im Hintergrund die Blasmusik tönt, genießen Landrat Niv Viezel und seine 20 Reisebegleiter im Kiliani-Festzelt die kurze Auszeit von ihrem dicht gepackten Besuchsprogramm. Eine Woche lang ist die Delegation aus dem israelischen Mateh Yehuda im Partnerlandkreis Würzburg zu Gast.Für einige der Israelis, wie Viezels Stellvertreter Beni Eliraz, sind die Besuche im Landkreis Würzburg schon beinahe Routine, andere sind überrascht von einem Land, das sie sich ganz anders vorgestellt haben.
Seit 1998 gibt es die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Würzburg und der Mateh Yehuda Regionalverwaltung. Vorausgegangen war der noch immer intakte Schüleraustausch zwischen dem Würzburger Deutschhaus-Gymnasium und der Ein Karim Highschool in Mateh Yehuda. Landrat Waldemar Zorn und sein israelischer Amtskollege Meir Viezel, Vater des heutigen Landrats, nahmen den Schüleraustausch damals zum Anlass, die Beziehungen auch auf politischer Ebene zu vertiefen. Seitdem sind regelmäßig Besuchergruppen im Partnerlandkreis unterwegs. Es geht darum, die Kontakte auf die unterschiedlichsten Ebenen auszudehnen.
Besuche in der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim, beim Automobilzulieferer ITW in Röttingen, bei Landwirt Albrecht Haag in Strüth, im Walderlebniszentrum Einsiedel und in der Ochsenfurter Main-Klinik standen heuer auf dem Programm. Neben Schauplätzen, an denen sich die jüdische Vergangenheit und Gegenwart widerspiegeln, wie die ehemalige Synagoge in Aub, das jüdische Kulturmuseum in Veitshöchheim und das jüdische Zentrum Shalom Europa in Würzburg.
Natürlich wirft die Ermordung von Millionen Juden durch Nazi-Deutschland seine Schatten bis heute auch auf die Begegnung zwischen den Landkreisen Würzburg und Mateh Yehuda. "Für viele Juden ist es noch immer schwer, hierher zu kommen", sagt Maya Ashkenazy, seit einem Jahr Partnerschaftsbeauftragte.
Beni Eliraz erinnert sich an seinen ersten Besuch 2006. "Ich war sehr überrascht, wie gut die Leute hier über den Holocaust bescheid wissen", erzählt er. "Unsere Großeltern haben nie darüber gesprochen", sagt Maya Ashkenazy. Umso wichtiger sei es, sich gegenseitig kennen zu lernen, zu wissen, wie der andere lebt und denkt. Bei ihrem ersten Besuch im Landkreis Würzburg ist Maya Ashkenazy überrascht, wie tief jüdisches Leben in der deutschen Kultur verwurzelt ist.
Ihr liegt dabei auch an dem Bild, das viele Deutsche von Israel haben. "In den Nachrichten erfährt man meistens nur die schlechten Dinge aus Israel", sagt Ashkenazy. So sei gerade Mateh Yehuda ein gutes Beispiel, wie sehr die Realität vom verbreiteten Bild Israels und des Palästinenser-Konflikts abweicht. In dem Landkreis gibt es mehrere Dörfer, in denen arabische Israelis mit Juden und Christen friedlich beieinander wohnen. Neve Shalom oder Wahat al-Salam, zu deutsch: Friedensoase, gehört dazu. Die Siedlung gilt als herausragendes Beispiel für das friedliche Zusammenleben der Religionen und wurde mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet.
Doch wie weit reichen die Beziehungen über die Begegnungen von Politikern und Funktionsträgern hinaus? Beni Eliraz hofft darauf, dass die Partnerschaft auch unter den Bürgern Interesse weckt und wirbt mit den touristischen Qualitäten seiner Heimat. Viele biblische Stätten liegen in Mateh Yehuda, etwa die Heimat des Helden Simson und der Schauplatz des Kampfes zwischen dem jungen König David und dem Riesen Goliath. Auch als Ausgangspunkt für einen Besuch in Jerusalem sei der Landkreis ideal. "Die Hotels sind viel günstiger und man ist nur wenige Kilometer entfernt."
Naheliegend wäre für ihn ein Austausch zwischen Winzern. Mit 45 Weingütern ist Mateh Yehuda das erste anerkannte Weinanbaugebiet in Israel. Beim alljährlichen Wein-Festival stellen die Winzer ihre vorwiegend schweren Rotweine vor, die inzwischen auch international Anhänger finden. Im Landkreis soll eine Lehranstalt für den Weinbau errichtet werden, sagt Beni Eliraz. Da läge ein Austausch von Erfahrungen und Studierenden mit der LWG nahe. So gilt Israel als führend in der Bewässerungstechnik, die zunehmend auch in Franken Bedeutung gewinnt. "Ihr könnt von unserer Bewässerung lernen, wir von eurer Weinherstellung", schlägt Maya Ashkenazy deshalb vor.
Landrat Eberhard Nuß wünscht sich einen stärkeren Austauch abseits der offiziellen Delegationen und schlägt deshalb vor, im kommenden Jahr zu einer ersten Bürgerreise nach Mateh Yehuda einzuladen. Neben Kontakten zwischen Verwaltungen und Firmen kommt es ihm vor allem auf die persönlichen Begegnungen zwischen Deutschen und Israelis an.Auch das vor der Hintergrund der schrecklichen Ereignisse während der Nazi-Herrschaft. "Wir können diese Katastrophe nicht rückgängig machen", sagt er, "aber wir können viel dafür tun, dass so etwas nie wieder passiert."