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Margetshöchheim
Vom Friseursalon in den Unimog: Was eine Margetshöchheimerin an der Feuerwehr reizt
Die Zahl der ehrenamtlichen Feuerwehrleute geht zurück. Wie Quereinsteigerin Claudia Haupt zur Freiwilligen Feuerwehr Margetshöchheim kam - und warum ihre Arbeit so wichtig ist.
Sie wechselt mühelos zwischen zwei Welten: Ob als Friseurmeisterin oder Feuerwehrfrau - Claudia Haupt aus Margetshöchheim ist bei beiden Aufgaben mit Leidenschaft dabei.
Foto: Ulises Ruiz | Sie wechselt mühelos zwischen zwei Welten: Ob als Friseurmeisterin oder Feuerwehrfrau - Claudia Haupt aus Margetshöchheim ist bei beiden Aufgaben mit Leidenschaft dabei.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Morgens, zehn Uhr in Margetshöchheim: Als Claudia Haupt die Reporterin in ihrem Salon Hairstyle zum Gespräch empfängt, hat die Friseurmeisterin bereits einen Einsatz mit der Freiwilligen Feuerwehr hinter sich gebracht. "Nichts Dramatisches", winkt sie ab – wegen eines Sturms sei ein Baum umgestürzt, den die Feuerwehr mit einer Kettensäge zerkleinert und danach die Straße wieder frei geräumt habe.

Claudia Haupt ist seit vier Jahren bei der Feuerwehr Margetshöchheim aktiv und somit eine Quereinsteigerin. Damals habe sie der Kommandant auf der Suche nach neuen Mitgliedern angesprochen. "Ich habe zugesagt", erinnert sich die 43-Jährige, "unter der Bedingung, dass er noch mindestens zwei weitere Frauen findet, die mitmachen." Der Kommandant war erfolgreich – aktuell zählen zehn Frauen zu seiner Mannschaft.

Die Frauen in der Feuerwehr unterstützen sich gegenseitig 

"Wir wurden gut in den Männerhaufen aufgenommen", sagt die gebürtige Margetshöchheimerin und lacht. "Ich fühle mich ernst genommen und wohl." Und: "Wir Frauen helfen uns untereinander" –  gerade wenn Kraft benötigt wird, wie zum Beispiel, wenn die 25 Kilo schwere Rettungsschere und Spreizer zum Einsatz kommen.

Eine Grundausbildung für freiwillige Feuerwehrler, die sogenannte modulare Truppmann-Ausbildung (MTA), soll fit für den Feuerwehr-Alltag machen. Zu lernen gibt es vieles: Welche Gerätschaften befinden sich auf dem Feuerwehrauto, welche Art von Schläuchen gibt es, wie wickelt man einen Schlauch auf, wie steckt man eine Leiter zusammen? Daneben werden Aus- und Fortbildungen angeboten, unter anderem zum Ersthelfer, auch First Responder genannt, zum Rettungsschwimmer oder Bootsführer.

"Mal leisten wir einem Rettungswagenteam Tragehilfe, mal befreien wir einen Waschbären, der sich in die Raiffeisenbank verirrt hat."
Claudia Haupt, Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim

Claudia Haupt genießt es, bei der Feuerwehr Dinge zu tun, die so gar nichts mit ihrem übrigen Leben zu tun haben: "Es ist interessant, ein Auto zu zerlegen – und ich fahre gern Unimog, der hat acht Gänge." Neues lernen, eine sinnvolle Aufgabe direkt vor Ort ausüben zu können, große Gerätschaften bedienen, "nicht so typische Frauensachen machen", das ist es, was Haupt an ihrem Ehrenamt gefällt. Da ihre zwei Kinder im Teenageralter inzwischen eher eigene Wege gehen, bedeutet die Arbeit bei der Feuerwehr auch für sie einen neuen Abschnitt. "Das Ganze stärkt mein Selbstbewusstsein und tut einfach gut", so die 43-Jährige.

Die Friseurmeisterin rückt am Tag und in der Nacht für Einsätze aus, was nicht selbstverständlich ist. "Tagsüber haben weniger Leute Zeit für einen Einsatz als abends, am Wochenende oder an Feiertagen", erklärt Haupt. Dennoch gebe es vor Ort einige Firmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Feuerwehreinsätze von der Arbeit freistellten. "Nur wenn sich auch tagsüber Männer und Frauen finden, die bereit für den Dienst am Nächsten sind und von ihren Firmen freigestellt werden, kann die Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim rund um die Uhr und an 365 Tagen Hilfe leisten", wird Bürgermeister Waldemar Brohm in einer Pressemitteilung der Feuerwehr zitiert.

Von ihrem Salon Hairstyle aus kann Claudia Haupt in wenigen Minuten zum Feuerwehrhaus rennen.
Foto: Ulises Ruiz | Von ihrem Salon Hairstyle aus kann Claudia Haupt in wenigen Minuten zum Feuerwehrhaus rennen.

Wenn Claudia Haupt als Feuerwehrfrau gebraucht wird, geht zunächst ihr Piepser, den sie immer bei sich trägt und über den sie erfährt, um welche Art von Einsatz es sich handelt. Auf ihrem Privathandy hat sie eine App der Feuerwehr installiert, in der weitere Details zum Einsatz stehen. In manchen Fällen informiert außerdem die Sirene die Feuerwehrleute darüber, dass sie gebraucht werden, andere Fälle, wie zum Beispiel eine Ölspur, sind "stille Alarmierungen" ohne Sirene.

Dann heißt es für Haupt, zum Feuerwehrhaus zu rennen, das sowohl von ihrem Zuhause als auch von ihrem Arbeitsplatz aus gut erreichbar ist. Dort wartet bereits der Gruppenführer, der den Einsatz koordiniert. Nachdem Haupt in ihren Schutzanzug geschlüpft ist bzw. ihre HvO (Helfer vor Ort)-Ausrüstung bei sich hat, kann es losgehen.

Die Einsätze können ganz unterschiedlich ausfallen: Vom Brand über den Autounfall, das schnelle Öffnen einer Türe, Unfälle im Bereich des Mains bis hin zur Tierrettung reichen die Fälle, in denen die Freiwillige Feuerwehr ausrückt. "Mal leisten wir einem Rettungswagen-Team Tragehilfe, mal befreien wir einen Waschbären, der sich in die Raiffeisenbank verirrt hat“, sagt Haupt.

"Wenn man ausrückt, weiß man ja nicht, wie der Unfall aussieht, ob es Verletzte oder Tote gibt – und ob man sie kennt."
Claudia Haupt, Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim

Seit dem Jahr 2000 gibt es in der Feuerwehr Margetshöchheim eine HvO-Gruppe, die speziell in qualifizierter Erster Hilfe ausgebildet ist. Als sogenannte First Responder überbrücken Haupt und ihre Kolleginnen und Kollegen die Zeit zwischen einem Notruf und der ersten medizinischen Versorgung. Da der HvO meist einen kürzeren Anfahrtsweg als etwa der Krankenwagen hat, verkürzt dies die Zeit ohne Behandlung. 

Sich ständig in Bereitschaft halten, wie wirkt sich das auf den Adrenalinspiegel aus? "Es besteht für das einzelne Mitglied keine Pflicht, auszurücken", betont Haupt. Auch wenn sie zu den wenigen gehört, die auch tagsüber zur Verfügung stehen, sind ihre Prioritäten klar: "Erst kommt die Arbeit, dann die Feuerwehr." Heißt: An den Wochentagen, an denen sie selbst in ihrem Salon arbeitet, ist sie nur vor oder nach der Arbeit als Feuerwehrfrau unterwegs. "Ich kann ja meine Kundinnen und Kunden nicht mitten im Haarschnitt sitzen lassen." An den anderen Tagen übernimmt ihr Team von acht Angestellten – und Haupt kann jederzeit ausrücken.

Häufiger Ausruf im Hause Haupt: "Mama, dein Piepser!"

Ihre Kinder fänden ihr Engagement gut, erzählt Haupt. "Mama, dein Piepser!" sei zuhause ein häufiger Ausruf. Eine Regelmäßigkeit gebe es nicht: "Mal geht der Piepser zwei Wochen nicht, dann habe ich von Freitag bis Sonntag fünf HvO-Einsätze", so Haupt.

Bei ihren Einsätzen wird Haupt mit dem gesamten Gefühlsspektrum konfrontiert: Sie ist bei schönen Erlebnissen wie einer gut verlaufenen Geburt im Auto bis hin zu "Reanimationen, die nicht gut ausgehen" hautnah dabei. An ihre Grenzen gebracht habe sie bisher noch kein Einsatz. Aber vor allem vor Unfällen habe sie großen Respekt: "Wenn man ausrückt, weiß man ja nicht, wie der Unfall aussieht, ob es Verletzte oder Tote gibt – und ob man sie kennt."

Gut sei, dass man sich mit den Kolleginnen und Kollegen nach den Einsätzen austauschen könne, sagt Haupt. Zudem gebe es ein Seelsorge-Angebot. "Über die ersten Einsätze habe ich noch Tage danach nachgedacht", erinnert sich Haupt. Auch Alarmierungen, in die Kinder verwickelt sind, seien schwierig. "Ein Kollege weiß, dass ihn diese Einsätze zu sehr belasten. Er übernimmt dann vor Ort eine andere Aufgabe, wie zum Beispiel, den Rettungswagen einzuweisen", so Haupt. "Man kann auch als Einsatzkraft immer 'nein' sagen."

Claudia Haupt empfindet die Feuerwehr als Ausgleich zu ihrer Arbeit im Salon. Neben den Einsätzen steht ihr Ehrenamt für sie auch für Geselligkeit, neue Freunde und Kameradschaft. Die Feuerwehr sei ihr Hobby, in dem sie sich neue Fähigkeiten wie den Bootsführerschein oder den Ketten- und Motorsägenschein aneignen konnte. "Zum 40. Geburtstag habe ich eine Motorsäge bekommen", sagt sie stolz. Haupt möchte auch andere zum Quereinstieg ermutigen: "Mit der Zeit wächst man in alle Aufgaben hinein."

Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim

In Bayern gibt es aktuell nur sieben Berufsfeuerwehren. Kleinstädte und Gemeinden greifen auf ehrenamtliche Einsatzkräfte zurück. Die Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim besteht seit 1869. Derzeit gehören ihr 63 aktive Einsatzkräfte an; dazu kommen 16 Mitglieder der Jugendfeuerwehr, der man von sechs bis 18 Jahren beitreten kann.
Die Feuerwehr Margetshöchheim rückt zu zirka 160 Einsätzen pro Jahr aus, darunter etwa 110 First-Responder-Einsätze (als Helfer vor Ort, zur Ergänzung der Rettungskette) und etwa 50 Einsätze wegen Brand, technischer Hilfsleistungen, ABC-Einsatz oder sonstigem.
Interessierte können sich an die Kommandanten wenden (Ansprechpartner: Peter Götz, E-Mail: kommandanten@feuerwehr-margetshoechheim.de). Wer bei der Feuerwehr mitmachen möchte, sollte zwischen 18 und 60 Jahre alt, körperlich und geistig fit und belastbar sein und seinen Wohnsitz oder Arbeitsplatz in Margetshöchheim haben. Angesprochen sind alle, die ehrenamtlich etwas bewegen und Menschen in Notsituationen helfen wollen.
Quelle: Freiwillige Feuerwehr Margetshöchheim
 
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    Sehr guter Artikel!
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