Gegen Masern und die jährliche Influenza gibt es Impfungen, gegen HIV nicht. Die große Frage ist: Was ist bei Corona? Kann man gegen Sars-CoV-2 immun werden? Für 99 Prozent der Bevölkerung werde gelten, "wer Corona hatte, hat zumindest für einige Jahre Ruhe", sagt Professor Lars Dölken, seit 2015 Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Universität Würzburg. Ein Gespräch über mögliche Reinfektionen, Chancen für einen Impfstoff und die Zukunft mit Corona.
Prof. Lars Dölken: Da muss man sehr vorsichtig sein. Klar ist, dass sich weltweit Millionen Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Worüber man bisher praktisch gar nichts hört sind Personen, die zwei oder drei Monate nach einer sicher bestätigten Infektion erneut schwer an Covid-19 erkranken. Offensichtlich passiert so etwas nicht in für die Allgemeinbevölkerung relevanten Zahlen. Das bedeutet, dass die natürliche Infektion eine solide Immunität hinterlässt. Berichtet wird jedoch, dass das Virus bei einigen Menschen, die nach einem positiven Sars-CoV-2-Test eigentlich schon wieder negativ getestet waren, plötzlich nach einigen Wochen wieder nachweisbar war. In solchen Fällen weiß man häufig nicht genau, ob der erste Test vielleicht falsch positiv war oder ob es sich tatsächlich um eine Reinfektion handelt. Oder ob der Körper einfach nur noch nicht in der Lage war, das Virus komplett zu eliminieren.
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Dölken: Wir reden hierbei von erworbener Immunität. Das heißt, wir hatten eine Infektion und unser Immunsystem hat gelernt, das Virus als etwas Fremdes zu erkennen. Generell gibt es dann zwei Mechanismen: Zum einen werden virusspezifische Antikörper gebildet. Diese können sich in großen Mengen auf Viruspartikeln ansammeln, sie binden und inaktivieren. So werden die Viren neutralisiert und sind nicht mehr infektiös. Sind solche Antikörper in ausreichender Menge insbesondere auf unseren Schleimhäuten vorhanden, verhindern sie eine Reinfektion komplett oder schwächen den Verlauf zumindest deutlich ab. Zum anderen kann der Körper Immunzellen entwickeln, die infizierte Zellen direkt erkennen und bekämpfen, sogenannte T-Zellen. Nach einer Infektion haben zwar die meisten Menschen Antikörper entwickelt – aber dieser Schutz fällt mit der Zeit wieder ab. Deshalb gilt: Sind die Viren in den Körper eingedrungen, sind T-Zellen deutlich besser darin die Infektion zu bekämpfen.
Dölken: Nein, nicht für immer. Grundsätzlich werden bei einer Corona-Infektion sowohl Antikörper, als auch T-Zellen gebildet. Daher wird es bei 99 Prozent der Bevölkerung so sein: Wer Corona hatte, hat zumindest für einige Jahre Ruhe. Das können fünf, zehn oder auch 50 Jahre sein, in denen man nicht mehr schwer an Covid-19 erkrankt.
Dölken: Das ist genau der Punkt: Es kann sein, dass das Virus bei einem erneuten Kontakt bereits an der Eingangstür vom Immunsystem abgefangen wird und man keinerlei Symptome entwickelt. Oder es kann passieren, dass man vielleicht erneut leicht erkrankt, etwas hustet und ein bisschen Fieber bekommt. Aber dann wird die alte, erworbene Immunität reaktiviert und das Virus unter Kontrolle gebracht. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der Corona bereits überstanden hat, später noch einmal schwer erkrankt oder stirbt, nimmt massiv ab.
Dölken: Wenn wir die Infektion schon einmal hatten – oder wenn es einen Impfstoff gibt und wir geimpft sind – dann ist die Situation wie bei Influenza. Natürlich sterben auch an Grippe Menschen, und so wird es in fünf Jahren auch bei Sars-CoV-2 sein, wenn wir das Virus weltweit nicht komplett eliminiert bekommen. Aber es wird nicht mehr einer von 200 Patienten sterben, sondern vielleicht einer von Zehntausend. Dabei hat Sars-CoV-2 sogar den Vorteil, dass Kinder nur sehr selten schwer erkranken. Bei Influenza sind sie deutlich häufiger betroffen.
Dölken: Man muss sich dazu Folgendes überlegen: Die echte Infektion mit Corona regt ja die Bildung von virusspezifischen Antikörpern sowie T-Zellen an und hinterlässt so eine schützende Immunität. Das heißt, wenn ich einen Impfstoff entwickele, der ebenfalls zu Antikörpern wie T-Zellen führt, kann ich von einem erheblichen Schutzpotential ausgehen. Ich denke, die Chancen stehen bei mehr als 90 Prozent, einen Impfstoff zu finden. Aktuell arbeiten so viele Firmen an der Entwicklung, da wird etwas funktionieren. Die Frage ist nur: Wie schnell?
Dölken: Die Daten sind jetzt schon relativ eindeutig und zeigen, dass sich das Virus deutlich langsamer verändert als zum Beispiel das Grippevirus. Die Mutationsrate ist etwa um den Faktor zwei niedriger als bei Influenza. Daher können wir guten Gewissens hoffen, dass die Impfung nicht gleich wieder durch Mutationen unterlaufen wird. Bei anderen Viren wie zum Beispiel Ebola, Masern, Mumps oder Röteln ist das ja auch nicht so.