Wie schlimm verlaufen die meisten Corona-Erkrankungen? Ab wann ist man wieder geheilt? Was ist der Unterschied zwischen Isolation und Quarantäne? Diese Fragen beantwortet Dr. Christiane Stößel, Amtsärztin beim Gesundheitsamt Würzburg, im Interview. Sie betreut Menschen, die positiv auf Covid-19 getestet wurden. Und sie entscheidet, ab wann jemand wieder als genesen gilt.
Frage: Frau Stößel, Sie kümmern sich um Menschen, die nachweislich an Covid-19 erkrankt sind. Wie schlimm ist es bei den meisten?
Dr. Christiane Stößel: Die meisten Menschen bekommen zwei bis drei Tage lang Fieber. Das ist die Zeit, in der sie sich richtig krank fühlen, abgeschlagen und müde sind und oft Gliederschmerzen haben. Der Husten, meist ein trockener Husten ohne Auswurf, ist hartnäckiger. Manche haben aber auch nur ein Halskratzen. Viele haben vier bis fünf Tage eine verstopfte Nase. Durchfall ist selten.
80 Prozent aller Krankheitsverläufe sollen milde verlaufen. Können Sie das bestätigen?
Stößel: Die meisten Patienten, die ich betreut habe, waren zwei bis drei Tage lang richtig krank und haben sich dann schnell erholt. Der Satz, den ich am Telefon oft höre, ist: "Wenn es das gewesen ist, dann ist es ja gut."
Ist Ihre Erfahrung mit Corona-Erkrankten repräsentativ?
Stößel: Nein. Bislang habe ich 25 Patienten betreut. Meine beiden direkten Kollegen jeweils noch einmal so viele. Das ist zu wenig. Erst ab 1000 Patienten wäre unsere Erfahrung repräsentativ.
Hatten Sie schon positiv Getestete, die völlig symptomfrei waren?
Stößel: Wenige waren ganz symptomfrei. Viele Kinder, aber auch einige Erwachsene.
Sind die Genesenen alle jüngere Menschen?
Stößel: Nein, unter den Genesenen sind Schulkinder, aber auch ältere Menschen. Wir hatten auch Patienten, die zunächst im Krankenhaus behandelt wurden, die sich wieder erholt haben, aus dem Krankenhaus entlassen wurden und anschließend wieder zuhause von uns am Telefon betreut wurden, bis wir sie als genesen eingestuft haben.
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Ab wann gilt man als genesen?
Stößel: Wenn nach den ersten Krankheitssymptomen 14 Tage vergangen sind und mindestens die letzten 48 Stunden symptomfrei waren, gilt man als geheilt.
Überprüft ein Arzt, ob man wirklich gesund ist?
Stößel: Ja. Erst, wenn wir uns sicher sind, entlassen wir einen Patienten als genesen.
Sie arbeiten am Telefon. Ist dafür kein Test nötig?
Stößel: Nein. Wir arbeiten nach den Kriterien zur Entlassung aus der Isolation, die das Robert-Koch-Institut (RKI) vorgibt.
Kann sich ein Corona-Genesener noch einmal anstecken?
Stößel: Es gibt noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wenn sich diese Viruserkrankung wie andere Viruserkrankungen verhält, ist ein Genesener für eine gewisse Zeit immun. Doch diese Krankheit ist neu. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.
Wie viel Corona-Genesene gibt es im Raum Würzburg?
Stößel: Von zu diesem Zeitpunkt insgesamt 586 nachweislich mit Corona infizierten Menschen in Stadt und Landkreis Würzburg hatten wir bis Freitag, 3. April, 124 Menschen wieder als gesund entlassen.
Müssen Genesene trotzdem vorsichtig sein, um keine Risikogruppen zu gefährden?
Stößel: Wissenschaftler haben die Coronaviren nach 14 Tagen noch im menschlichen Stuhl und im Abwasser nachweisen können. Die Viren waren aber nicht mehr vermehrungsfähig. Das heißt, das Virus wird zwar noch ausgeschieden, die Person ist aber nicht mehr infektiös.
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Wenn Sie jemanden als genesen einstufen, wird dann automatisch die Quarantäne aufgehoben?
Stößel: Wir unterscheiden zwischen Quarantäne und Isolation. In häusliche Quarantäne schicken wir Menschen, die Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatten, von denen wir aber nicht wissen, ob sie sich angesteckt haben. Sie sollen vorsorglich 14 Tage zuhause bleiben. Menschen, von denen wir wissen, dass sie an Covid-19 erkrankt sind, schicken wir in Isolation. Für beide Gruppen gibt es Ärzteteams am Gesundheitsamt Würzburg.
Was ist der Unterschied zwischen Quarantäne und Isolation?
Stößel: Der Unterschied ist ein positiver Corona-Test. Ansonsten gelten die gleichen Regeln: Die Person darf - ebenso wie diejenige, die unter Quarantäne steht - ihre Wohnung nicht verlassen.
Werden Menschen in Quarantäne vom Gesundheitsamt auch getestet?
Stößel: Nein, getestet wird nur, wer Symptome hat. Wir müssen die Tests sinnvoll verteilen. Derzeit hat das Gesundheitsamt Würzburg Zugriff auf 120 Tests am Tag. Es könnten auch bald mehr werden. Weitere Tests werden von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) veranlasst. Menschen in Quarantäne müssen Tagebuch führen, wie es ihnen geht. Sie bekommen eine Telefonnummer, unter der sie Mitarbeiter des Gesundheitsamtes anrufen können, sobald jemand Fieber, Husten, Schnupfen oder Durchfall bekommt. Das Gesundheitsamt veranlasst dann selbst einen Test oder vermittelt den Arztbesuch über die KVB (Rufnummer 116 117).
Wenn sich innerhalb einer Familie jemand infiziert hat, die anderen aber nur Kontaktpersonen sind, wird er dann gesondert isoliert?
Stößel: Da sprechen Sie ein echtes Problem an. Das Robert Koch Institut empfiehlt, Mahlzeiten getrennt einzunehmen und verschiedene Badezimmer zu benutzen. Wenn jemand in einem Haus auf dem Land wohnt, kann das klappen. Dass sich aber Menschen, die sich in einer Mietswohnung über Tage von einem infizierten Familienmitglied fernhalten, ist in der Praxis oft nicht möglich.
Wenn der Erkrankte nach 14 Tagen von Ihnen aus der Isolation als genesen entlassen wird, fängt die häusliche Quarantäne für die restlichen Familienmitglieder noch einmal an. Wieso?
Stößel: Es könnte ja sein, dass der Erkrankte in seinen letzten infektiösen Tagen doch noch die ganze Familie angesteckt hat. Deshalb beginnt für den Rest der Familie nach der Gesundung des Betroffenen noch einmal eine 14-tägige Quarantäne. Solange kann es dauern, bis jemand, der sich angesteckt hat, Symptome entwickelt.
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