Pläne der neuen Regierung in Berlin werfen ihre Schatten voraus - bis in einen Gerichtssaal in Würzburg. Die Ampel-Koalition will die "kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften" einführen. Einen Vorgeschmack auf die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema lieferte schon jetzt der Prozess um eine Drogenplantage am Landgericht.
50 Kilogramm Pflanzen und getrocknetes Cannabis hatten Ermittler im Januar im Gartenhaus eines bekannten Würzburger Unternehmers gefunden. Er musste sich deshalb gemeinsam mit seinen beiden Söhnen wegen des bewaffneten, bandenmäßigen Handels mit Rauschgift vor Gericht verantworten. Der Prozess kam jetzt nach Wochen auf die Zielgerade. Die 24 und 26 Jahre alten Söhne gestanden: Sie allein hätten die Plantage über fast zwei Jahre hinweg betrieben - jedoch nur zum Eigenverbrauch.
Die zwei Söhne erhielten eine Haftstrafe von fünfeinhalb und sechs Jahren. Für die Beihilfe zum Drogenanbau muss der Vater der beiden zwar nicht ins Gefängnis. Er erhielt am Freitagabend jedoch eine Haftstrafe von zwei Jahren mit Bewährung. Der Vorsitzende Boris Raufeisen sagte bei der Urteilsverkündung: "Er schaute billigend, um nicht zu sagen bewusst weg."
Offen blieb lange die Frage, ob auch der Vater an der Drogenzucht seiner Söhne beteiligt gewesen war. Dies legte zumindest ein Foto von ihm als "Erntehelfer" in der Plantage nahe – alle drei Angeklagten bestritten dies jedoch vehement. Die Söhne hätten ihm ihr "Geschäft" erst nach Monaten offenbart. Er habe nicht einmal einen Schlüssel für die Räume gehabt, sagte der 60-Jährige aus.
Verteidiger bat um Milde "am Vorabend des Falls des Cannabis-Verbotes"
Hatte der Unternehmer nur beide Augen zugedrückt, um seine Söhne täglich wieder bei sich zu haben, wie er behauptete? Vor Gericht klagte er: "Ich habe als Vater versagt." Er wirkte auf der Anklagebank so ergriffen vom eigenen Leid, dass ihn einer der Söhne - dem die weit härtere Strafe drohte - in einer Prozesspause mahnte: "Mach dich mal locker!"
Verteidiger Peter Möckesch bat indes um Milde "am Vorabend des Falls des Cannabis-Verbotes". Damit nahm er direkt Bezug auf die Legalisierungspläne der neuen Regierung. Der Vorsitzende hielt jedoch entgegen: Der hier verhandelte Fall sei davon weit entfernt. Es gehe nicht um das Rauchen eines Joints, sondern um professionellen Drogen-Anbau.
Dass sich die Dimensionen des Handels mit Cannabis gewandelt haben, zeigt ein weiterer aktueller Fall aus Unterfranken: Am Tag des Würzburger Urteils entdeckte die Polizei eine Plantage in einer Scheune im Landkreis Rhön-Grabfeld: 1500 Marihuana-Pflanzen, die getrocknet auf ein Gewicht von 45 Kilogramm kamen. Daneben sorgten in jüngster Zeit größere Drogen-Plantagen in Essen, Görlitz, Mühlheim und Bielefeld für Schlagzeilen. Drogenhändler - wie die zwei in Würzburg angeklagten Männer - setzen mit steigender Kenntnis auf Produkte aus eigenem Anbau: unter dem eigenen Dach, im Keller oder im Gartenhaus.
Söhne müssen zum Entzug in Therapie
Anwalt Möckesch forderte Freispruch für den 60-jährigen Mitangeklagten: Der Prozess habe keine Beweise dafür ergeben, dass der Unternehmer an den kriminellen Machenschaften beteiligt gewesen war – anders als einer der Söhne, dem Verteidiger Thomas Steur attestierte: Er sei ein künftiger "Wirtschaftsmathematiker, der seinen grünen Daumen kultiviert hat".
Nach achteinhalb Stunden, fünf Plädoyers und drei Gutachten sprach selbst das Gericht beim Vater nur noch von Beihilfe - auch wenn er seine Rolle klein geredet habe. Er hätte jedoch einschreiten können, statt das strafbare Projekt zu dulden. In seinem Urteil folgte das Landgericht nicht dem Vorschlag des Staatsanwalts, der acht Jahre für die beiden Brüder und siebeneinhalb Jahre für den 60-Jährigen gefordert hatte. Die beiden jungen Männer gehen nun 24 Monate zum Entzug in Therapie. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Bis die beiden freikommen, könnte die Ampel für die Legalisierung von Cannabis schon auf "grün" stehen.