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Waldbüttelbrunn
Über 100 Jahre Schreinerei Hein in Waldbüttelbrunn: Wie sich das Handwerk im Laufe der Zeit verändert hat
Das Familienunternehmen aus dem Landkreis Würzburg feiert Jubiläum. Was die Geschichte eines Betriebs über die Entwicklung des Schreinerhandwerks verrät.
Schreinerhandwerk in der vierten Generation. Sandra und Volker Hein mit seinem Vater Karl-Joseph Hein. Er hatte den Familienbetrieb zuvor gemeinsam mit seiner Frau Astrid Hein geleitet.
Foto: Thomas Obermeier | Schreinerhandwerk in der vierten Generation. Sandra und Volker Hein mit seinem Vater Karl-Joseph Hein. Er hatte den Familienbetrieb zuvor gemeinsam mit seiner Frau Astrid Hein geleitet.
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:02 Uhr

Wer heute in der Halle der Schreinerei Hein steht, dem fällt es zwischen all den modernen Maschinen schwer, sich vorzustellen, wie das Schreinerhandwerk wohl vor 100 Jahren ausgesehen hat. "Viele denken beim Schreinern immer noch an Pumuckl und Meister Eder, aber damit hat es heute nichts mehr zu tun", scherzt Karl-Joseph Hein. Bis 2008 führte er gemeinsam mit seiner Frau Astrid den Handwerksbetrieb in Waldbüttelbrunn.

"Viele denken beim Schreinern immer noch an Pumuckl und Meister Eder, aber damit hat es heute nichts mehr zu tun"
Karl-Joseph Hein, Schreinermeister

Heute leiten sein Sohn Volker und dessen Frau Sandra Hein das inzwischen international aktive Familienunternehmen, das zuletzt sein hundertjährige Jubiläum feierte – wenn auch mit einem Jahr Verspätung aufgrund der pandemischen Lage vor einem Jahr.

Gründungsphase in Würzburg zwischen den Weltkriegen

Gegründet wurde die "Schreinerei Hein, Dusel und Troll" 1921 in der Schweinfurter Straße in Würzburg. Wie Karl-Joseph Hein erzählt, war damals die Hand noch das wichtigste Werkzeug des Handwerks. Unter der Benutzung simpelster Werkzeuge, wie einfachen Fräsen oder Kreissägen beispielsweise, habe die Schreinerei damals vor allem Möbel hergestellt.  

So sah es 1927 in der ursprünglichen Werkstatt der Schreinerei Hein in der Schweinfurter Straße in Würzburg aus.
Foto: Schreinerei Hein (Archiv) | So sah es 1927 in der ursprünglichen Werkstatt der Schreinerei Hein in der Schweinfurter Straße in Würzburg aus.

Schrittweise folgte die Übergabe an die nächste Generation und übrig blieb nur der Name Hein. Während der Sohn, Joseph Hein, als Soldat im Krieg war, führte der Vater die Geschäfte weiter. Karl-Joseph Hein berichtet, dass die Nationalsozialisten der Schreinerei jedoch die öffentlichen Aufträge entzogen und seinen Großvater zeitweise in Haft genommen hätten – "weil er den Mund nicht halten konnte", wie er sagt. 

Wiederaufbau prägt auch das Schreinerhandwerk der Nachkriegsjahre

Da die Schreinerei im Krieg zerstört wurde, zog sie, nun unter Leitung seines Vaters, in die Zellerau um, berichtet der heute 77-Jährige. "Die Werkstatt war damals nur im ersten Stock, es musste also alles hoch- und runtergetragen werden", erinnert er sich an die anstrengende Arbeit. Die Jahre des Wiederaufbaus prägten ihm zufolge das gesamte Schreinerhandwerk und damit auch den Betrieb seines Vaters.

Nach der Zerstörung durch den Krieg zog die Schreinerei Hein in die Zellerau. Auf dieser Aufnahme von 1960 sieht man den Hinterhof der Würzburger Schreinerei im ersten Stockwerk.
Foto: Schreinerei Hein (Archiv) | Nach der Zerstörung durch den Krieg zog die Schreinerei Hein in die Zellerau. Auf dieser Aufnahme von 1960 sieht man den Hinterhof der Würzburger Schreinerei im ersten Stockwerk.

"Gefragt waren damals vor allem Bau-Schreiner, für Türen oder einfachste Möbel", sagt Karl-Joseph Hein. Erst ab den 1970ern, er selbst arbeitete ab 1967 im väterlichen Betrieb, änderte sich das Aufgabengebiet erneut: Nach dem Wirtschaftswunder hätten die Leute wieder mehr Wert auf die Inneneinrichtung gelegt. Er erzählt, dass er gemeinsam mit seiner Frau Astrid den Betrieb 1975 in einer Phase übernommen habe, in der die Aufträge langsam größer und die Maschinen moderner wurden.

Neuausrichtung der Schreinerei nach 1990

Für die Schreinerei Hein war 1990 doppelt bedeutsam. Zum einen zog sie in diesem Jahr von Würzburg in den modernen Neubau im benachbarten Waldbüttelbrunn. Zum anderen ist damals mit Volker Hein die vierte Schreiner-Generation als frisch ausgebildeter Geselle in den Familienbetrieb eingestiegen. 

Ein Gemälde der alten Schreinerei Hein in der Würzburger Zellerau. Gemalt von Friedrich Hein, dem Bruder des damaligen Inhabers, Joseph Hein. 
Foto: Schreinerei Hein (Archiv) | Ein Gemälde der alten Schreinerei Hein in der Würzburger Zellerau. Gemalt von Friedrich Hein, dem Bruder des damaligen Inhabers, Joseph Hein. 

Auch wirtschaftlich habe sich ab der Wende ein Umbruch vollzogen. Das damalige Kerngeschäft der Schreinerei, so erklärt es Volker Hein, seien Möbel und Inneneinrichtungen für Privatpersonen und Firmen gewesen. Zu einem nicht unerheblichen Teil wären Aufträge auch von staatlichen Institutionen gekommen, die zu dieser Zeit jedoch immer weniger Geld zur Verfügung gehabt hätten. "Wir haben deshalb neue Märkte gesucht und Schritt für Schritt direkten Kontakt zu internationalen Architekten aufgebaut", erinnert er sich.

Die Schreinerei in Waldbüttelbrunn seit der Jahrtausendwende

Spätestens in den 2000er Jahren, als langjährige Geschäftspartner sich zurückzogen, habe das Unternehmen den Weg eingeschlagen, auf dem es sich heute noch befinde. "Unser Geschäft besteht heute zu etwa zwei Dritteln aus gewerblichen Kunden, also Inneneinrichtung für Arztpraxen oder Banken beispielsweise, und zu einem Drittel aus Privatkunden", erzählt Volker Hein.

Wie der Schreinermeister erklärt, umfasst der typische Auftrag von Privatkunden heute die entsprechend kostspielige Einrichtung ganzer Häuser oder Wohnungen: "Vom Waschtisch über die Küche und die Ankleide bis hin zum Kinderzimmer", zählt Volker Hein auf, "eigentlich alle Räume, in denen man Möbel vermutet, richten wir dann nach einem Architektenentwurf ein".

Im März 2008 schließlich übergaben die Eltern ihm und seiner Frau Sandra Hein die Schlüssel für den Betrieb. Die beiden erklären, dass, wie schon in der Elterngeneration, sie sich um den kaufmännischen Bereich kümmere, während er die Produktion im Blick behalte.

Das heutige Schreinerhandwerk beschreibt Volker Hein, als immer noch körperlich anspruchsvoll. Durch das automatische Zuschneiden und Verarbeiten vieler Einzelteile mittels Maschinen, jedoch deutlich weniger als früher: "Handarbeit ist heute vor allem noch der Zusammenbau, das Leimen und Verladen", sagt Volker Hein. 

Der Gesellenbrief von Michael Hein, ausgestellt am 24. Juli 1902. 19 Jahre später ist er einer der Gründer der heutigen Schreinerei Hein.
Foto: Schreinerei Hein (Archiv) | Der Gesellenbrief von Michael Hein, ausgestellt am 24. Juli 1902. 19 Jahre später ist er einer der Gründer der heutigen Schreinerei Hein.

Neben den Produkten und der Tätigkeit der Schreinerinnen und Schreiner hat sich auch das verarbeitete Material seit 1921 deutlich verändert. "Wir verarbeiten heute kaum noch Vollholz, sondern veredelte Holzwerkstoffplatten", erzählt der Schreinermeister, "außerdem gewinnen Metalle, Glas und Stein immer mehr Bedeutung für uns". 

Wie sieht die Zukunft des Schreinerhandwerks aus?

Für ihn ist der Weg, den das Familienunternehmen seit der Jahrtausendwende eingeschlagen hat, also die Konzentration auf Einzelstücke, auch für das gesamte Schreinerhandwerk richtungsweisend: "Schreinereien werden immer mehr zum Manufakturbetrieb und die Massenprodukte werden Andere machen", sagt er.

Eine Folge davon sei auch, dass der Handwerksberuf attraktiver werde. "Hier wird eigentlich kaum ein Produkt zweimal produziert und auch wegen der abwechslungsreichen Arbeit, haben wir noch nicht so große Probleme neue und sehr gute Lehrlinge zu finden", sagt Volker Hein zum branchenübergreifenden Fachkräftemangel.

Volker und Sandra Hein sind stolz, den Familienbetrieb heute in vierter Generation zu führen. Auch Vater Karl-Joseph sieht 'sein' Unternehmen heute in guten Händen. "Die Übergabe verlief unglaublich reibungslos, auch weil wir schon immer ein freundschaftliches Verhältnis zueinander haben", blickt der Sohn heute zurück.

 
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