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Würzburg
Passierten an der Würzburger Uniklinik tödliche OP-Fehler? Ermittlungen laufen, entlassene Ärzte beteuern Unschuld
Die Staatsanwaltschaft Würzburg untersucht seit dem Frühjahr schwere Vorwürfe gegen zwei entlassene Mediziner der Uniklinik. Nun kommt ein zweiter Todesfall ans Licht.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg untersucht seit dem Frühjahr schwere Vorwürfe gegen zwei entlassene Mediziner der Uniklinik.
Foto: Getty Images, Montage: Daniel Biscan | Die Staatsanwaltschaft Würzburg untersucht seit dem Frühjahr schwere Vorwürfe gegen zwei entlassene Mediziner der Uniklinik.
Andreas Jungbauer
,  Benjamin Stahl
,  Manfred Schweidler
 und  Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 26.11.2024 02:41 Uhr

Mussten Patienten sterben, weil bei Operationen an der Uniklinik Würzburg vermeidbare Fehler unterlaufen sind? Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung. Nach ersten Enthüllungen dieser Redaktion über die schweren Vorwürfe gegen zwei entlassene Mediziner steht nun ein weiterer Todesfall im Raum.

Bislang wurde öffentlich nur eine Operation im August 2023 bekannt, bei der eine Patientin aus dem Raum Bad Mergentheim starb. Nach Recherchen der Redaktion soll es auch im Dezember 2023 im Zusammenhang mit einem Eingriff zu Problemen gekommen sein – beteiligt waren auch hier die beiden Mediziner. Der betroffene Patient mittleren Alters starb einige Tage später.

Massive Beschwerden innerhalb der Klinik: Todesfall brachte Untersuchungen ins Rollen

Dieser Vorfall scheint das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben. So zumindest beschreiben es Klinik-Insider. Teile des Personals hätten daraufhin mit Kündigung gedroht, die Klinikleitung sah sich offenbar nach massiven Beschwerden zum Handeln veranlasst. 

Die Uniklinik will sich wegen der laufenden Verfahren und Ermittlungen nicht zu den Vorgängen äußern. Aus Gründen des Datenschutzes und zum Schutz von Persönlichkeitsrechten werden öffentlich bislang weder der Fachbereich noch Details zu den Betroffenen genannt. Für sie gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung.

Auf Anfrage dieser Redaktion lässt die OP-leitende Kraft die Verdächtigungen zurückweisen. Der Patient im Dezember sei nicht an den Folgen der Operation gestorben, sondern unabhängig davon erst später an Organversagen. Konkrete Beschwerden des Personals seien den beiden Medizinern nicht bekannt geworden.

Beschuldigte Ärzte weisen Vorwürfe zurück, Würzburger Uniklinik schweigt

Dies gelte auch für angebliche Zweifel an den "operativen Fähigkeiten" der medizinischen Kraft.  Recherchen zufolge wurden sie in der Vergangenheit wiederholt von Mitarbeitenden geäußert. Der vorgesetzte Kollege, der nun ebenfalls im Fokus der Vorwürfe steht, habe immer wieder nachbessern müssen, versichert ein halbes Dutzend Personen aus dem Umfeld der beiden Mediziner der Redaktion. "Es hat bis Mitte Dezember 2023 keinerlei Beschwerden oder sonstige Beanstandungen gegeben", beteuert dagegen der beauftragte Anwalt der beiden Ärzte.

Die Uniklinik will dazu keine Stellungnahme abgeben, auch nicht zu der hohen Fluktuation in der betroffenen Abteilung. Mehrere Ärzte haben sie in den vergangenen Jahren verlassen. Aus Sicht der beiden Mediziner liegt die Fluktuation "im normalen Rahmen".

Klinikintern und auch in der medizinischen Fachwelt haben die Vorgänge um die beiden Mediziner  hohe Wellen geschlagen. Aber warum erst jetzt?

Nach internen Hinweisen prüft die Klinikleitung Anfang 2024 eine ganze Reihe von Operationen intensiv auf fragwürdige Vorgänge, auch bei der Dokumentation. Dabei muss sie fündig geworden sein: Im Rahmen des im Dezember angestoßenen London Protokolls und interner Untersuchungen des Uniklinikums stieß man auf die OP vom August 2023.

Ermittler beschlagnahmen Patientenakten und Datenmaterial

Etwa im gleichen Zeitraum wird den Ermittlungsbehörden anonym eine Liste mit mehr als 20 Operationen zugespielt, bei denen es zu Fehlern gekommen sein soll. Laut einem Polizeisprecher geht es um Eingriffe im Zeitraum von Dezember 2022 bis Dezember 2023.

Über Einzelheiten äußern sich Polizei und Staatsanwaltschaft bislang nicht. Bestätigt wird, dass sie Unterlagen, darunter Patientenakten, sowie "umfangreiches Datenmaterial" beschlagnahmt und erste Mitarbeitende der Klinik vernommen haben. Auch das "London Protokoll" der Uniklinik ist Teil der Ermittlungsakte.

Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin der Uniklinik Würzburg. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt zu einer Reihe von OPs gegen zwei entlassene Ärzte.
Foto: Ulises Ruiz | Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin der Uniklinik Würzburg. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt zu einer Reihe von OPs gegen zwei entlassene Ärzte.

Fakt ist: Im Februar 2024 kündigt die Uniklinik den beiden Medizinern - fristlos. Außerdem wird ein Hausverbot verhängt. Daher beschäftigt der Fall schnell das Würzburger Arbeitsgericht: Beide Mediziner haben eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Sie verlangen, trotz aller Verwerfungen, ihre Wiedereinstellung.

Bei zwei Güteterminen im April scheinen die Fronten verhärtet. Eine gütliche Einigung scheitert. Die Ärzte weisen alle Vorwürfe vor dem Arbeitsgericht und gegenüber der Redaktion zurück und betonen ihre Unschuld. "Die Wahrheit wird ans Licht kommen", sagt einer der entlassenen Operateure.

Vor zahlreichen Zuhörern im Gerichtssaal kommen Details zu den Vorwürfen zur Sprache, von denen auch Gesprächspartner dieser Redaktion berichteten. Im Zentrum beider Verfahren steht die Operation vom August 2023.

Arbeitsgericht Würzburg sucht Klärung zu tödlich verlaufener Operation

Äußerungen vor Gericht lassen darauf schließen, dass die damals operierende Person – am Anästhesisten vorbei – eigenmächtig eine dreimal so hohe Dosis eines Medikaments wie zuvor der Facharzt nachgespritzt haben soll, was angeblich die OP-Situation eskalieren ließ. Vor dem Arbeitsgericht bestreitet die Person, ohne Rücksprache mit dem Anästhesisten gehandelt zu haben. Gehandelt habe sie vielmehr mit dessen Zustimmung, da der Anästhesist gerade anderweitig beschäftigt gewesen sei. Der Richter fordert deshalb Informationen, wie in solchen Situationen die Verantwortlichkeit geregelt ist.

Ein Anästhesist mit über 20 Berufsjahren Erfahrung, der mit den Vorwürfen nichts zu tun hat, erklärte auf Anfrage der Redaktion: Der Anästhesist pfusche dem Operateur in der Regel nicht ins Handwerk und umgekehrt. Ist der Anästhesist gerade mit einer anderen Arbeit beschäftigt, sei die Medikamentengabe während einer OP die Aufgabe einer anwesenden nichtärztlichen Fachkraft – nicht die des Operateurs.

In dem Fall geht es aber nicht nur um die Frage, ob bei der OP im August 2023 alles nach den Regeln der ärztlichen Kunst ablief. Zu prüfen ist auch, warum der Gesundheitszustand der Patientin vor dem Eingriff schlechter eingestuft wurde, als er tatsächlich war: Nach Informationen dieser Redaktion soll der Notarzt, der die Patientin in die Uniklinik brachte, ihren Zustand bei ihrer Einlieferung als "stabil" beurteilt haben. Im OP-Bericht dagegen soll "massiv instabil" angegeben worden sein.

Diese Diskrepanz sei schwer in Übereinstimmung zu bringen, heißt es von Insidern, die den Vorgang gut kennen. Aufklärung liefert wohl erst die Vorlage beider Schriftstücke – und vielleicht eine Zeugenaussage des Notarztes.

Todesursache "ungeklärt" oder "natürlich": Wurde der Totenschein korrekt ausgefüllt?

Hinzu kommt: In Fällen wie bei der OP im August mit tödlichem Ausgang muss in den Totenschein normalerweise "Todesursache ungeklärt" eingetragen werden. Doch soll hier eine "natürliche" Todesursache vermerkt worden sein, versichern mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen. Auch der Arbeitsrichter wies auf entsprechende Vorwürfe hin.

Zu der zweiten OP mit tödlichem Ausgang im Dezember äußern sich die Ermittler auf Anfrage nicht. Mit Blick auf alle zu prüfenden Operationen warte man derzeit auf die Ergebnisse mehrerer Einzelgutachten. Das könne noch Monate dauern, dann wolle man auch auf betroffene Patienten oder Angehörige zugehen.

Mehr Licht ins Dunkel könnte das Arbeitsgericht bringen. Zwei Termine zur ausführlichen Erörterung beider Kündigungsfälle sind angesetzt. Bis dahin sollen die betroffenen Ärzte und die Uniklinik ihre Argumente schriftlich darlegen.

 
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  • Ingrid Reichelt-Schölch
    Mir wurde bei diesem Artikel gerade extrem warm! Schon vor Jahren hatte ich das dankbare Erlebnis, dass ein Arzt die OP vornahm, der offensichtlich weder vorab instruiert war noch es für nötig hielt, den Risikofragebogen zu lesen: ich war lange, lange... in Narkose! Mein Eindruck auch aus anderen ambulanten OPs ist zudem leider nicht, dass diese Infos in den Bogen jemand ernst nimmt, u.a. wenn sie ihnen fremde Ursachen nicht kennen, etliche halten das für Wichtigtuerei, glauben nur an gängige Standards usw. und der Operateur fühlt sich sowieso nicht zuständig, wie hier.

    Ich darf zB max. 50 % der div. Narkose- o. Schmerzmittel bekommen, erkläre das immer in der Vorbesprechung. Da man seit einiger Zeit auf einem Risikobogen nahezu alles unterschreiben muss, wovor man gewarnt wurde inkl. Tod, wiederhole ich das seitdem zusätzlich ausformuliert in dem letzten Feld schriftlich unter der Zeile "Arztunterschrift".

    Lessons learned hier: demnächst lasse ich das unterschreiben. Shit happens!
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Guter Himmel

    ich kann mir nicht helfen, irgendwie erinnert mich das an den Fall, wo (ziemlich spektakulär) ein Arzt als (fachfremder aber halbgebildeter) Hochstapler entlarvt wurde, weil jemand, der ihn (aus einer komplett anderen Ecke Deutschlands) von früher kannte, den Behörden einen entsprechenden Tipp gab...

    Kann man nur hoffen, als Patient nicht unter solche Leute zu fallen.
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