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Würzburg
Erstes Urteil im Fall um entlassene Ärzte an Uniklinik Würzburg: Arbeitsgericht bestätigt Fehlverhalten und Kündigung
Zwei leitende Mediziner wehren sich gegen Vorwürfe in Zusammenhang mit einer Operation, bei der die Patientin starb. Nun bekam das Uniklinikum in einem ersten Urteil Recht.
Vor dem Arbeitsgericht Würzburg ging es um die Frage, ob die gekündigte Ärztin bei einer Operation in den Zuständigkeitsbereich des Anästhesisten eingegriffen hat.
Foto: Getty Images/ Montage D. Biscan | Vor dem Arbeitsgericht Würzburg ging es um die Frage, ob die gekündigte Ärztin bei einer Operation in den Zuständigkeitsbereich des Anästhesisten eingegriffen hat.
Andreas Jungbauer
,  Benjamin Stahl
,  Manfred Schweidler
 und  Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 26.11.2024 02:41 Uhr

Im Streit um die Entlassung zweier leitender Mediziner an der Uniklinik Würzburg ist ein erstes Urteil gefallen: Das Arbeitsgericht Würzburg bestätigte in einem der beiden Fälle die Kündigung. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Ärztin bei einer Operation im August 2023 ihren Kompetenzbereich überschritten hat. Die Patientin verstarb bei dem Eingriff.

Wie berichtet, hatte die Operateurin in der OP-Vorbereitung der Patientin ein Medikament zur Blutdruckstabilisierung nachgespritzt. Wieweit dies eigenmächtig am zuständigen Anästhesisten vorbei geschah – dies wurde vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Hier ging es nach der Zeugenaufnahme vor einigen Wochen nun um deren Bewertung. Sie fiel von beiden Parteien erwartungsgemäß unterschiedlich aus.

Anwalt der gekündigten Ärztin spricht von lebensrettender Maßnahme

Alle drei befragten Zeugen – der Anästhesist, ein Assistenzarzt und eine OP-Pflegekraft – wurden von der Richterin als glaubwürdig eingeschätzt. Die beiden Ärzte hatten unter Eid ausgesagt. Auch Details der Operation kamen im Gerichtssaal erneut zur Sprache. Mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz können genauere Informationen zu den entlassenen Ärzten hier ebenso wenig veröffentlicht werden wie zu der betroffenen Abteilung am Uniklinikum.

Der Anwalt der gekündigten Medizinerin – sie wollte ihre Wiedereinstellung erreichen – fuhr in der Verhandlung eine zweigleisige Linie: Zum einen habe die Operateurin gar nicht ohne Rücksprache gehandelt, zum anderen habe sie angeblich eine lebensrettende Maßnahme ergriffen. Darüber müsse die "Formalie" einer möglichen Kompetenzüberschreitung zurückstehen.

Der Anwalt bestritt den Vorwurf der Uniklinik als Arbeitgeber, dass seine Mandantin "spontan und unvermittelt" das Kreislaufmittel Akrinor gespritzt habe. Stattdessen habe sie in der OP-Vorbereitung auf den absackenden Blutdruck der Patientin und den Alarm des Überwachungsmonitors reagiert und den Anästhesisten gefragt, was zu tun sei.

Schwierige Kommunikation zwischen Operateurin und Anästhesist

Unbestritten blieb dessen Antwort: "Akrinor steckt schon." Gemeint war damit die Ampulle am eigens gelegten Zugang der Patientin. Und unbestritten ist, dass die Operateurin dann selbsttätig die Spritze mit verbliebenen 1,5 Millilitern Akrinor gedrückt hat – nachdem zuvor schon 0,5 Milliliter gegeben worden waren. In der Folge eskalierte der Blutdruck nach oben, der Zustand der Patientin verschlechterte sich drastisch.

Das Ungewöhnliche an dem Vorgang: Nach Aussagen unabhängiger Fachleute greift ein Operateur normalerweise nicht zur Spritze, dies bleibe auch in Notsituationen Sache des Anästhesisten.

Richterin: Keine klare Anweisung zum Spritzen des Medikaments gegeben

In der Aussage "Akrinor steckt schon" wollte das Gericht keine klare Anweisung des Anästhesisten zum Spritzen des Medikaments erkennen. Selbst wenn aus medizinischer Sicht das Handeln sinnvoll und die Dosierung richtig gewesen sein könnte, spielte dies für die Urteilsfindung des Gerichts keine Rolle: "Das können wir hier nicht überprüfen, vielleicht war es auch Zufall", so die Richterin.

Klar sei, dass die Operateurin ihren Kompetenzbereich überschritten und das Mittel ohne genaue Kenntnis der Dosierung injiziert habe. Damit folgte das Gericht der Argumentation der Uniklinik. Trotz des in der Folge eskalierten Blutdrucks hatte die Patientin bis zum eigentlichen Eingriff überlebt, war aber im weiteren OP-Verlauf gestorben.

Die entlassene Medizinerin und ihr Anwalt hatten sogar ein von ihnen beauftragtes Gutachten eines emeritierten Anästhesie-Professors aufgeboten, wonach die Gabe von Akrinor just in der Dosierung richtig und lebensrettend gewesen sein soll. Für das Gericht jedoch waren das Gutachten und andere medizinische Fragen ohne Relevanz. Es ging rein um den arbeitsrechtlichen Verstoß – und diesen sah man durch die Zeugenaussagen belegt.

Es handele sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das das Vertrauensverhältnis erschüttert habe. Deshalb habe die Uniklinik auf eine Abmahnung, wie sie der Anwalt der Ärztin forderte, verzichten können. Einzig die vom Arbeitgeber ausgesprochene außerordentliche Kündigung – mit sofortigem Betätigungs- und Hausverbot – erklärte das Gericht für unwirksam. Dafür hätte die Uniklinik die Betroffene deutlich früher anhören müssen als erst nach elf Tagen.

Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin am Uniklinikum Würzburg: Ob hier Fehler bei Operationen passierten, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.
Foto: Silvia Gralla | Der Haupteingang zu den Zentren für Operative und Innere Medizin am Uniklinikum Würzburg: Ob hier Fehler bei Operationen passierten, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

Wirksam ist nach dem Urteil allerdings die nachgereichte ordentliche Kündigung zum 30. Juni. Die klagende Ärztin und ihr Anwalt äußerten nach der Verhandlung ihr Unverständnis über das Urteil und kündigten Berufung beim Landesarbeitsgericht in Nürnberg an. Zunächst wolle man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

Staatsanwaltschaft ermittelt zu mehr als 20 Operationen

In der Auseinandersetzung um die beiden entlassenen Mediziner wird demnächst auch die zweite Kündigung vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Unabhängig von dem arbeitsrechtlichen Streit laufen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu gut 20 Operationen, die 2023 von einem oder beiden Medizinern ausgeführt wurden. Dabei soll es zu weiteren Todesfällen gekommen sein.

Die Polizei wartet auf die Ergebnisse entsprechender medizinischer Gutachten. Ein anonymer Hinweisgeber hatte eine Liste mit den betreffenden Operationen angefertigt. Die beiden Ärzte bestreiten jedes schuldhafte Verhalten, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Ausgelöst wurden die zunächst klinikinternen Untersuchungen durch eine Operation im vergangenen Dezember, bei der es Komplikationen gegeben haben soll. Am Rande des Gerichtstermins bestätigte die klagende Ärztin, dass es bei dieser OP zu einem Gewebeeinriss mit nachfolgender Blutung gekommen sei. Es liege aber, so versichert sie, kein Behandlungsfehler vor. Der Patient sei elf Tage später unabhängig davon an einer komplizierten Lungenentzündung gestorben.

Gekündigte Mediziner vermuten eine "Intrige"

Warum hat die Uniklinik nach dieser Operation und entsprechenden Hinweisen dann ein sogenanntes "London Protokoll" zur internen Prüfung von OPs durch die beiden Mediziner im vergangenen Jahr eingeleitet? Die Betroffenen wittern dahinter eine gezielte Attacke aus dem Kreis der OP-Pflege. Am Rande der Gerichtsverhandlung war gegenüber der Redaktion von einer "konzertierten Aktion" und von einer "Intrige" die Rede. Zu gegebener Zeit werde alles ans Licht kommen.

 
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