Die Erinnerungen an die tödlichen Messerstiche im September 2023 machen dem Zeugen sichtlich zu schaffen. Mehrfach muss der damalige Türsteher des Würzburger Clubs "Studio" am Dienstag vor Gericht schildern, wie er den Tumult vor dem Club erlebt hat. Er berichtet, dass sein Kollege dem Angeklagten zwei "Schellen" ins Gesicht verpasst habe. Schildert, wie er selbst deeskaliert habe. Und wie der Angeklagte ihm nach den Stichen mit dem blutigen Messer in der Hand in die Augen blickte.
Dass er einen 28-Jährigen getötet und zwei weitere Personen schwer verletzt hat, gestand der 22-jährige Angeklagte zu Prozessbeginn am Landgericht Würzburg. Doch war es Totschlag, wie es in der Anklage heißt? Oder handelte der Angeklagte aus Notwehr, wie die Verteidigung sagt? Der Antwort darauf kann sich das Gericht laut eigener Aussage nur mithilfe der zahlreichen, teils widersprüchlichen Angaben von Zeugen annähern.
Seit Monatsbeginn läuft der Prozess, viele Augenzeugen und Augenzeuginnen wurden seitdem angehört. Doch die Aufklärung läuft schleppend. Nach Auffassung des Gerichts haben sich viele Zeuginnen und Zeugen im Vorfeld abgesprochen. Der Türsteher, der an diesem Dienstag gehört wird, sei als einer von nur wenigen Zeugen in der Tatnacht nüchtern gewesen, sagt der Vorsitzende Richter, Thomas Schuster.
Türsteher beschreibt Angeklagten nach Tat als "frech und arrogant"
Der frühere Studio-Mitarbeiter bestätigt zunächst, was in den Verhandlungen bereits zu hören war: Der Angeklagte habe vor dem Club die Freundin eines anderen Türstehers belästigt. Dieser habe daraufhin dem 22-Jährigen zwei Schläge ins Gesicht verpasst. Kurz habe sich die Situation scheinbar beruhigt. Dann habe sich das Geschehen jedoch zum Kreisverkehr vor Stift Haug verlagert, wo es zu den Stichen kam.
Die Stiche selbst habe er nicht gesehen, sagt der Türsteher. Auch nicht, wie der Konflikt am Kreisverkehr konkret abgelaufen war. Er habe jedoch den schrillen Schrei einer Frau gehört – und dann gesehen, wie mehrere Personen auf den Angeklagten einschlugen. Auf dem Boden habe er Blut gesehen. Der Angeklagte habe ihm mit dem Messer in der Hand direkt ins Gesicht geschaut und "frech und arrogant" gesagt: "Was habt ihr erwartet, Digga?"
Augenzeugin muss erneut am Landgericht Würzburg aussagen
Hatte eine Augenzeugin, die mit dem Getöteten und mit der Familie des Angeklagten befreundet war, geschrien, als der 22-Jährige zustach? Oder hatte sie geschrien, weil auf den Angeklagten eingeschlagen wurde? "Das dürfte die Kernfrage des gesamten Verfahrens sein", sagt der Vorsitzende Richter.
In ihrer Aussage am zweiten Prozesstag hatte die Zeugin selbst ihren Schrei mit den Stichen verknüpft, jedoch auch von Erinnerungslücken gesprochen. Sie soll am Freitag erneut aussagen.
Nach dem Türsteher hört das Gericht an diesem Dienstag den laut Schuster "wohl wichtigsten Zeugen". Er hatte in der Tatnacht an der Garderobe gearbeitet und gehört nach eigener Angabe weder zum Freundeskreis des Getöteten noch des Türstehers oder seiner Freundin. An den Ablauf am Kreisverkehr könne er sich nicht mehr genau erinnern. "Ich weiß nur, dass beide sich definitiv geschlagen haben", hatte er unmittelbar nach der Tat bei der Polizei ausgesagt. Jetzt sagt er, die Frau, die schrie, sei selbst am Konflikt beteiligt gewesen. Dies würde ihrer bisherigen Aussage widersprechen.
Verletzter Nebenkläger: "Ich bin mit dem Fuß voraus reingesprungen"
Auch der zweite Nebenkläger, der durch die Stiche verletzt worden war, sagt am Dienstag aus. Er ist mit dem Türsteher befreundet, der den 22-Jährigen geschlagen hat. Beim Verlassen des Clubs sei er mit Freunden an der Gruppe Frauen um die Freundin dieses Türstehers vorbeigekommen. Sie habe lautstark mit dem Angeklagten diskutiert und ihn zum Gehen aufgefordert. Wie andere Zeugen auch habe er dann Schläge des Türstehers gegen den Angeklagten mitbekommen.
Kurz darauf habe er den Angeklagten und den Getöteten in einer Schlägerei gesehen und sei zu ihnen gerannt. "Ich bin mit dem Fuß voraus reingesprungen, damit hier Ruhe ist", schildert der Nebenkläger. Der 22-Jährige sei zu Boden gegangen, wieder aufgestanden und habe versucht, ihn anzugreifen. Den Angriff mit dem Messer habe er mit den Händen abgewehrt und dann eine Schnittwunde bemerkt. Wie es zu einer Schnittwunde an der Schulter kam, daran könne er sich nicht mehr erinnern.
Der Prozess vor dem Landgericht Würzburg wird am Freitag, 21. Juni, um 8 Uhr fortgesetzt.
wenn man keine Ambitionen darauf hat, von Typen angemacht zu werden, die "zur Sicherheit" ein Messer in der Tasche haben. Natürlich sind es nur theoretische Überlegungen, was passieren hätte können, wenn sich die Frauen körperlich zur Wehr gesetzt hätten und der arme Mensch sich in einer Notwehrsituation gewähnt hätte.
Ich bin einfach nur entsetzt über die Leichtigkeit, mit der hier eine tödliche(!) Waffe gegen so ziemlich alle im erreichbaren Umkreis eingesetzt wurde. Muss man befürchten, die nächste Eskalation ist dann die illegale "Wumme vom Tschechenmarkt", die man einfach braucht, um nachts noch sicher ausgehen zu können?
Das soll keine Rechtfertigung sein, jemanden mit dem Messer anzugreifen oder gar zu töten - aber eine mögliche Erklärung, warum es so eskaliert sein könnte.
Wo genau steht das in Text?
das Verfahren ist wahrlich komplex und viele Personen spielen eine Rolle. Der zuletzt genannte Nebenkläger ist selbst nicht Türsteher, steht mit den Studio-Leuten allerdings in Verbindung.
Beste Grüße,
Aaron Niemeyer (Autor)