
Beraterinnen und Berater von vier Würzburger Fachstellen haben sich bereits vor drei Jahren zum Arbeitskreis "Sexuelle Gesundheit" zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Sie wollen die Beratung und Begleitung zu den Themen Liebe, Partnerschaft, Sexualität, Schwangerschaft und sexuell übertragbare Infektionen in Würzburg und Umgebung langfristig verbessern. Anlässlich des Tags der Sexuellen Gesundheit haben sie während eines Pressegesprächs ihre Arbeit vorgestellt.
"Wir treffen uns regelmäßig – es ist wichtig zu wissen, wer in den einzelnen Beratungsstellen arbeitet", sagt Maria Bakonyi von pro familia. Nicht zuletzt, um Ratsuchende an den richtigen Ansprechpartner zu verweisen, wenn man selbst eine Frage nicht umfassend beantworten kann. Der Arbeitskreis setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern der HIV/Aids-Beratung Unterfranken der Caritas, dem Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Würzburg, der Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und der pro familia Beratungsstelle Würzburg.
Neben der besseren Vernetzung untereinander ist es Ziel des Arbeitskreises, den Tag der Sexuellen Gesundheit bekannter zu machen. Seit 2010 wird er alljährlich am 4. September ausgerufen und soll auf Gesundheitsfragen, die in Zusammenhang mit Sexualität stehen, aufmerksam machen.

In diesem Jahr hat der Arbeitskreis für den Jahrestag das Motto "Schweigen ist Silber – Reden ist Gold" gewählt. "Über Sexualität zu reden, fällt vielen schwer. Oft ist es mit Scham oder der Angst vor Verurteilung behaftet und immer noch ein Tabu-Thema", so Bakonyi. "Wir wollen die Menschen dazu ermutigen, bei Fragen und Problemen Beratungsstellen aufzusuchen." Dies sei stets auch anonym möglich; zudem seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Schweigepflicht gebunden.
Nicht jede Schwangerschaft ist gewollt
Das Themenspektrum ist schier unerschöpflich, "schließlich begleitet uns Sexualität unser ganzes Leben lang", sagt Lydia Murillo Sánchez, Beraterin für Schwangerschaftsfragen beim SkF. Gerade in der Schwangerschaft und der Zeit danach verändere sich der Körper der Frau, wodurch sich auch ihre Beziehung zur Sexualität verändern könne. Eine Beratung, zu der auch der Partner mitkommen kann, biete Raum, um über die neue Situation zu sprechen, so Sánchez.
Da nicht jede Schwangerschaft gewollt ist, bieten Beratungsstellen zu Schwangerschaftsfragen auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung an, bei der die Frau in ihrem Entscheidungsprozess begleitet wird. "In einem Gespräch spielen wir zusammen beide Wege – für und gegen das Kind - durch", erklärt Bakonyi. "Oft hilft es schon, dass jemand zuhört, ohne zu bewerten."

Fragen, die in diesem Zusammenhang aufkämen, seien zum einen die Angst vor Verurteilung im Familien- und Freundeskreis, falls sich eine Frau für eine Abtreibung entscheidet. Zum anderen gäbe es die Angst vor dem medizinischen Eingriff und den psychischen wie physischen Folgen. Das Beratungsangebot gelte auch für Paare und Männer und beinhalte eine Nachsorge, so Bakonyi.
Bei der Arbeit von Brigitte Hein vom Gesundheitsamt dreht sich viel um das Thema Sexualpädagogik. "Wir werden meist von den Schulen in die fünften bis zehnten Klassen eingeladen", sagt Hein. Bei den jüngeren Schülern stünden körperliche Veränderungen in der Pubertät im Mittelpunkt: "Die Jugendlichen sind oft unsicher; es geht auch darum, eine Sprache zum eigenen Körper zu entwickeln." Auch die sexuelle Orientierung und das Erkennen und Achten eigener Grenzen und der der anderen seien wesentliche Inhalte.
Wo Jugendliche in geschütztem Rahmen Fragen zu Sexualität stellen können
"Junge Menschen brauchen bei diesen Themen ein direktes Gegenüber", ist Hein überzeugt. So könnten die Schülerinnen und Schüler in einem geschützten Rahmen, ohne Lehrkraft, ihre Fragen stellen. Diese reichten von "Mein Busen tut weh, ist das normal?" bis hin zu "Wie kann ich mich auf mein erstes Mal vorbereiten?". In der Sexualpädagogik sei man auch Ansprechpartner für die 'dunkle Seite' der Sexualität, ergänzt Bakonyi: "Kinder kommen heute oft schon früh in Kontakt mit sexuellen Inhalten, die nicht für sie bestimmt sind."
Ein weiterer Aspekt der sexuellen Gesundheit, der beim Gesundheitsamt angesiedelt ist, ist die HIV-Beratung und Testung. "Normalerweise werden wöchentlich kostenlose Tests im Gesundheitsamt durchgeführt – coronabedingt bieten wir aber aktuell nur telefonische Beratung an", sagt Hein.

Ein umfassendes Angebot zum Thema HIV bietet die HIV/Aids-Beratung Unterfranken der Caritas. "An uns wenden sich Betroffene, Angehörige, Menschen, die nach einem ungeschützten Sexualkontakt Rat suchen sowie Fachkräfte, die ihr Wissen zum Thema HIV vertiefen wollen", erklärt Florian Pfaller.
Etwa 1000 Personen in Unterfranken seien HIV-positiv, so Pfaller; pro Jahr gebe es in Unterfranken 30 bis 35 Neuinfektionen. "Auch wenn HIV wesentlich weniger verbreitet ist, als man denkt: Hinter jeder infizierten Person stehen Familie und Freunde, die ebenfalls mit dem Thema in Berührung kommen", so Pfaller.

Er hat bei seiner Arbeit die Erfahrung gemacht, dass das Thema HIV sehr tabuisiert ist. "Es ist sehr viel falsches und altes Wissen dazu im Umlauf", sagt Pfaller. Viele Infizierte würden die Frage stellen, ob sie nun sterben müssten. "Dabei ist HIV in Deutschland heute sehr gut therapierbar", so Pfaller.
Neben der Beratung und Begleitung von Ratsuchenden ist die Aids-Beratung Unterfranken in der Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit tätig. Die große Aidsschleife am Fuß der Würzburger Festung am Welt-Aids-Tag, dem 1. Dezember, ist ebenso Werk der Beratungsstelle wie Aufklärung an Schulen und Krankenhäusern, wie man sich vor einer Ansteckung schützen kann.
Corona hat die Arbeit der Beratungsstellen in vielen Bereichen erschwert, sind sich deren Vertreter einig. Dennoch gibt es auch eine positive Seite: "Wir erleben gerade eine andere Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit", ist Lydia Murillo Sánchez überzeugt. Verantwortung für sich und die eigene Gesundheit sowie die der anderen zu übernehmen, rücke vor dem Hintergrund der Pandemie mehr in den Fokus.