
Main-Spessart Als „Fürsorgerinnen im Gesundheitsamt“ waren sie in den Nachkriegsjahren mit dem Fahrrad im Landkreis unterwegs. Heute machen die Sozialpädagoginnen der staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen in Main-Spessart auch noch Hausbesuche direkt bei den Familien – allerdings mit dem Auto. Die meisten Termine aber finden in den drei Dienststellen in Lohr, Marktheidenfeld und Karlstadt statt. 40 Jahre gibt es die Institution „Schwangerenberatung“ im Jahr 2016 im Landkreis. Im Interview geben die Beraterinnen Nuna Reder, Susanne Effert-Hartmann und Andrea Brors einen Einblick in ihre Themenwelt. Angefangen vom Elterngeld, das immer komplexer zu beantragen wird, bis zu Jugendlichen, die durch das Internet nur scheinbar aufgeklärt vor ihnen im Sexualpädagogik-Unterricht sitzen.
Nuna Reder: Das Spektrum der Frauen reicht von 15- bis 45-Jährigen. Die meisten Frauen, die in die Beratung kommen, sind zwischen 25 und 35 Jahren. Oft sind sie zum ersten Mal schwanger und wollen eher Allgemeines wissen.
Reder: Ja, spürbar. Und die Beratungen sind wesentlich länger geworden. Früher haben sie rund eine Stunde gedauert, heute sind es meist anderthalb Stunden. Das liegt auch an dem immer komplexer werdenden Elterngeld. Das ist fast in jeder Beratung Thema. Mittlerweile gibt es ja auch das Elterngeld Plus, das als Anreiz gelten soll, innerhalb des ersten halben Lebensjahres des Kindes wieder in den Beruf einzusteigen. Andrea Brors: Es kommen auch viele Väter, teilweise sogar allein, gerade beim zweiten Termin. Da ist deutlich mehr Engagement da als früher.
Reder: Bei den Vätern ist der Klassiker die zweimonatige Elternzeit. Die Frauen bleiben oft ein oder zwei Jahre daheim, selten länger als drei Jahre. Das Elterngeld Plus hat dafür gesorgt, dass sich die Frauen teilweise dafür entschuldigen, wenn sie zwei Jahre Elternzeit nehmen wollen.
Susanne Effert-Hartmann: Allerdings ist teilweise der Anspruch auch höher geworden. Manche Frauen haben Zweifel, ob sie mit 65 Prozent ihres Lohnes zurechtkommen. Für sie ist es schwer vorstellbar, dass es vor dem Elterngeld lediglich 300 Euro Erziehungsgeld für 24 Monate gab.
Reder: In allen Beratungen sind immer auch persönliche Fragen und Gefühle der Schwangeren Thema. Die Palette reicht von rechtlichen Problemen über Organisatorisches bis zu familiären Themen. Manche Frauen kommen über einen längeren Zeitraum zu uns. Die finanzielle Unterstützung der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ für die Erstausstattung des Babys wird gerne in Anspruch genommen. Erfreulicherweise haben die Konfliktberatungen, also die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen, bei einem Schwangerschaftsabbruch abgenommen.
Brors: Da können wir nur mutmaßen, eine Rolle spielt sicher eine stabilere Arbeitsplatzsituation. Die Unsicherheit des Arbeitsplatzes wird jedenfalls weniger als Grund angegeben. Das war vor drei, vier Jahren noch anders, da war die Kurzarbeit oft Thema.
Effert-Hartmann: Wenn sie keinen Dolmetscher mitbringen, ist das oft schwierig. Ich behelfe mir da in allgemeinen Beratungen öfters mit einem Internet-Übersetzer, aber das ist ganz schön kompliziert. In Konfliktberatungen muss der Dolmetscher unbedingt unabhängig sein und keinen Kontakt zu ihrem Lebensumfeld haben. Das ist den Leuten wichtig. Ein Schwangerschaftsabbruch wird schließlich nicht in allen Kulturen gebilligt.
Brors: Nicht gerade leicht gemacht wird es auch den Alleinerziehenden. Da ist in den Beratungen oft die Wohnungsproblematik das Thema. In den Städten finden sie kaum etwas in ihrer Preislage, deshalb müssen sie oft aufs Land ziehen. Da brauchen sie dann wieder ein Auto, das dann aber Geld kostet, wodurch der finanzielle Vorteil aufgehoben ist.
Reder: Das Problem bei den Alleinerziehenden ist, dass sie keine oder wenig Lobby haben. Sie haben eine andere Stellung, werden zum Beispiel nicht als so hilfsbedürftig wahrgenommen.
Effert-Hartmann: Früher haben die Jugendlichen ihr Vorwissen oft aus diesen Nachmittags-Talkshows im Fernsehen gehabt. Heute ist es das Internet, wo sie sich auch schon in frühen Jahren Pornos anschauen. Aufgeklärter sind sie dadurch aber nicht. Im Gegenteil: Oft entstehen dadurch auch falsche Annahmen. Für uns ist es dann wichtig einzuordnen, inwieweit sind die Handlungen und die Filme realistisch.
Effert-Hartmann: Wir reden über den Körper, Sexualkrankheiten, über Werte in einer Beziehung, erklären, wie Verhütungsmittel funktionieren, zum Beispiel ein Kondom. Anschließend beantworten wir die anonym gestellten Fragen der Jugendlichen. Das machen wir getrennt nach Geschlechtern.
Reder: Wir gehen vorwiegend in die achten und neunten Klassen, da steht das Thema auch im Lehrplan. Allerdings sind die Reifezustände der Jugendlichen immer unterschiedlich. Insgesamt sind die Jugendlichen aber immer dankbar darüber, dass wir da sind und über die Themen sprechen. Das Bedürfnis nach Aufklärung ist da. Das merkt man daran, dass es oft ganz ruhig wird im Raum.
ONLINE-TIPP
Alle Artikel zur Serie finden Sie im Internet unter www.mainpost.de/msp-familienserie
Die MSP-Beratungsstellen
Karlstadt
Ansprechpartnerinnen Susanne Effert-Hartmann, Nuna Reder, Rudolph-Glauber-Straße 28, 97753 Karlstadt, Tel. (0 93 53) 793 16 07.
Marktheidenfeld
Ansprechpartnerin Gerlinde Bader-Götz,
Michael Tittmann, Baumhofstraße 95, 97828 Marktheidenfeld, Tel. (0 93 53) 793 36 00.
Lohr
Ansprechpartnerin Andrea Brors,
Bürgermeister-Keßler-Platz 4,
97816 Lohr, Tel. (0 93 53) 793 26 03.
Internet: www.schwanger-in-msp.de