Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat Vorermittlungen gegen ein weiteres Seniorenpflegeheim aufgenommen. Wie Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen bestätigt, handelt es sich um das Hans-Sponsel-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Stadtteil Lindleinsmühle. Dort sind laut Gesundheitsamt 19 Bewohner an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben. Auslöser der Vorermittlungen sei eine anonyme Anzeige gewesen, so Raufeisen auf Anfrage der Redaktion.
"Wir haben damit gerechnet. Immerhin sind 19 unserer Bewohner verstorben", sagt Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha bei der AWO in Unterfranken. "Das ist auch für unsere Mitarbeiter eine sehr belastende Situation, ganz zu schweigen von den Angehörigen der Verstorbenen, die ein Anrecht darauf haben, alle Umstände zu kennen."
In den vergangenen Tagen habe sich die Situation im betroffenen Haus jedoch stabilisiert, so Hahn. Seit dem 17. April sei kein weiterer Bewohner mehr positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die meisten Erkrankten befänden sich auf dem Weg der Besserung. Man hoffe, dass die nächsten angesetzten Tests nun negativ ausfallen, so die Bereichsleiterin.
Auch beim Personal bahne sich langsam eine Entspannung an. Die Mitarbeiter, die erkrankt sind oder sich in Quarantäne befinden, würden voraussichtlich in den nächsten zwei Wochen zurückkehren können. Das Team, das die Stellung in der Einrichtung gehalten hat, würde dann entlastet. "Ohne unsere Mitarbeiter, die wirklich alles gegeben haben, wäre die Situation nicht zu meistern gewesen", sagt Hahn. Gleiches gelte für das Leitungsteam der Einrichtung, das zuletzt mehr oder weniger rund um die Uhr im Einsatz gewesen sei.
Einzelne Bewohner mussten mehrfach umziehen
Aktuell sind 35 Bewohner und 25 Mitarbeiter des Hans-Sponsel-Hauses positiv auf das Coronavirus getestet worden, so Ulrike Hahn. Die negativ getesteten Bewohner seien räumlich von den positiv getesteten getrennt.
Ein Problem, das auftauchte: Es seien auch Bewohner positiv getestet worden, die in dem Wohnbereich lebten, der lange nur mit negativ getesteten Bewohnern belegt gewesen war. Daraufhin hätten gleich zwei Mal mehrere Bewohner umziehen müssen, um eine Kohortenisolation zu gewährleisten. Einzelne Bewohner mussten sogar mehrfach umziehen, berichtet die Bereichsleiterin. Denn obwohl sie keine Symptome hatten, wurde bei ihnen bei der dritten oder vierten Testung das Virus doch nachgewiesen. "Eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten."
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Auch sonst sei der Alltag in dem betroffenen Pflegeheim alles andere als einfach. Viele Bewohner litten darunter, nicht aus ihrem Zimmer zu dürfen und somit immer weniger Kontakt zu Mitarbeitern, Mitbewohnern und Angehörigen zu haben. Der ein oder andere kommuniziere über das Fenster mit Angehörigen, die unten vor dem Haus stehen. "Aber auch das klappt nicht bei jedem", schildert Hahn.
Alle Bewohner dürfen ihre Zimmer nicht verlassen
Das Heim setze mehr Personal ein als üblich, die Einzelbetreuung sei weit aufwändiger als die normale Gruppenbetreuung. Viele Bewohner müssten zum Essen und Trinken angehalten werden, auch fehle ihnen die Bewegung. Man habe AWO-Mitarbeiter aus der Tagespflege um Unterstützung gebeten, sagt die Bereichsleiterin. Freiwillige, vorwiegend aus dem Schweinfurter Raum, seien der Bitte nachgekommen. Die Kollegen würden jetzt die Bewohner in den Zimmern betreuen, damit sie nicht vereinsamen. Weil Physiotherapie und Ergotherapie fehlen, könnten manche Senioren manche ihrer Fähigkeiten verlieren, fürchtet Ulrike Hahn.
Derzeit dürfen sowohl positiv als auch negativ getestete Bewohner im Hans-Sponsel-Haus ihre Zimmer nicht verlassen. Hahn hofft, die Isolation zumindest in dem Wohnbereich der negativ Getesteten bald aufheben zu können. Dies entscheide - wie überhaupt alle Maßnahmen - das Würzburger Gesundheitsamt.
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Auch für die Pflegekräfte in dem Heim sei die Arbei "sehr belastend", so Hahn, vor allem für die älteren Mitarbeiter. "Körperlich anstrengende Tätigkeiten mit direktem Körperkontakt mit Schutzkittel, Handschuhen, Schutzmasken und Schutzbrillen sind kein Vergnügen." Die Dienste durchzuhalten, sei da schwer.
Schutzkittel im Hans-Sponsel-Haus werden knapp
Ein weiteres Problem: Die Schutzkittel würden knapp. Hier hoffe man auf den Katastrophenschutz, da die vom Heim georderte Kleidung erst Ende April eintreffen soll. Ein Mitarbeiter der Einrichtung kümmere sich den ganzen Tag nur um Schutzausrüstung, so Hahn. Daher habe sich das Heim bislang weitgehend selbst mit der benötigten Ausrüstung versorgen können.
Eine "enorme Entlastung" für die Pflegekräfte sei der dem Heim zugeteilte Arzt. Er informiere die Familie, wenn sich der Gesundheitszustand eines Bewohners verändert. Angehörige könnten sich außerdem - passwortgeschützt - auf der Internetseite des Hans-Sponsel-Hauses über Neuigkeiten informieren. Man halte sie auch telefonisch auf dem Laufenden.
Das Krisenmanagement im betroffenen Pflegeheim, die Zusammenarbeit mit den Behörden und den Mitarbeitern des Katastrophenschutzes, aber auch mit den Angehörigen habe sich eingespielt, so Hahn.
Und die anonyme Anzeige? Dazu sagt die Bereichsleiterin: "Zu behaupten, alles wäre super, würde der Situation nicht gerecht. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Sache gut gemacht haben, vor allem die Kollegen vor Ort."