Maria Herbst weiß noch, wie Anfang der 1930er Jahre die Arbeitslosen auf Würzburgs Straßen Schlange standen. Sie erinnert sich, wie SA-Trupps Parolen grölten und Juden öffentlich schikaniert wurden. Damals war sie ein Mädchen. Aber dieser Tage, in denen Rechtsextremismus im Land wieder an vielen Stellen zutage tritt, kommen bei ihr Erinnerungen hoch. Die aktuelle Entwicklung bereitet der Rentnerin Sorge.
Am 29. Februar, ausgerechnet am Schalttag, ist die Würzburgerin Maria Herbst 100 Jahre alt geworden. Und an diesem Tag trat sie den Grünen bei. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist die Rentnerin damit Mitglied einer Partei – wenn man die Zwangsmitgliedschaft im nationalsozialistischen "Bund Deutscher Mädel" in der NS-Zeit beiseite lässt. Maria Herbst sagt, sie wolle mit ihrem Parteieintritt ein Zeichen setzen gegen den aufkeimenden Rechtsextremismus.
Maria Herbst erinnert sich an die Deportationen von Juden aus Würzburg Anfang der 1940er Jahre
Wenn heute AfD-Leute und Rechtsextreme in Geheimtreffen über die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund sinnieren, dann denkt Maria Herbst unweigerlich an die Jahre 1941 bis 1943: Damals wurden aus Würzburg mehr als 2000 Juden in die Vernichtungslager im Osten deportiert, nur 63 von ihnen überlebten den Holocaust.
"Auch aus unserem Haus war eine Frau plötzlich verschwunden", erinnert sich die 100-Jährige. Ihre Familie wohnte in einem Mietshaus am Wagnerplatz im Stadtteil Grombühl. Als Hitler an die Macht kam, war Maria Herbst knapp neun Jahre alt, bei Kriegsende eine junge Frau von 21 Jahren.
Die aktuelle Entwicklung vergleicht die Seniorin mit den 1930er Jahren: "Das ist der gleiche Anfang wie damals. Der Unterschied ist: Den Leuten geht es heute gut. Bei uns standen die Arbeitslosen auf der Straße und es gab Essensmarken." Heute werde gegen Fremde gehetzt, sagt sie, in den 1930er Jahren sei es vor allem eine judenfeindliche Propaganda gewesen.
"Kauft nicht bei Juden" – Maria Herbst hat die von den Nazis platzierten Schilder und Plakate noch vor Augen. "Meine Mutter hat trotzdem bei Juden eingekauft." Und ihr Vater setzte sich für einen regimekritischen Pfarrer ein. Deshalb wurde er nach Bayreuth zwangsversetzt.
Was Krieg und Gewalt bedeuten, das hat die 100-Jährige im Zweiten Weltkrieg am eigenen Leib erfahren. Erst die Entbehrungen der Kriegszeit, Hunger, Lebensmittelkarten. Und dann die Bombennacht des 16. März, als die Würzburger Innenstadt zu 90 Prozent zerstört wurde. Maria Herbst floh beim Bombenalarm mit ihrer Familie in die Grombühler Hänge.
Die Toten, so berichtet sie, lagerte man tags darauf im Hinterhof ihres zerbombten Hauses. Von einem Tag auf den anderen war die Familie obdachlos. Glücklicherweise fand sie Unterschlupf in der Nähe von Rimpar. In den Tagen darauf half auch Maria Herbst beim Trümmerräumen und dem Wiederaufbau in Würzburg.
Dass es in Deutschland wieder zu rechtsextremen und fremdenfeindlichen Strömungen komme, habe sich die betagte Frau lange nicht vorstellen können. Nun erlebt sie die Agitation der AfD – und gleichzeitig den Protest gegen Rechtsextremismus auf den Straßen. "Das ist beeindruckend", sagt sie, und habe sie zusätzlich zum Parteieintritt motiviert. Dies sei ihre Möglichkeit, Stellung zu beziehen.
Und warum bei den Grünen? Die habe sie schon immer bewundert, "weil sie nicht nur reden, sondern dazu stehen und etwas machen". Der Kontakt zur Partei kam über Simon Wagner aus Gerbrunn zustande, der die kinderlose Seniorin schon lange kennt. Sie ist in Stadt- und Landkreis Würzburg nun das älteste Grünen-Mitglied – laut Bezirksrat Gerhard Müller wohl auch in ganz Unterfranken.
Maria Herbst arbeitete bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion und gründete später einen Friseursalon in Würzburg
Auch mit 100 Jahren ist es der Würzburgerin nicht egal, was um sie herum geschieht. Sie liest täglich die Main-Post, schaut Fernsehen und trifft sich monatlich mit ihrem Stammtisch – fünf Leute aus ihrer Etage in einer Seniorenwohnanlage. "Man muss doch immer dran bleiben", sagt sie.
Und das tut sie nicht nur politisch. Noch während der Kriegsjahre hatte sie bei der Raiffeisen Zentralkasse in Würzburg angefangen zu arbeiten, später wechselte sie in den Staatsdienst zur Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Nebenbei bildete sich weiter und gründete 1976 einen eigenen Kosmetik- und Friseursalon in der Würzburger Juliuspromenade. Seit 1987 ist sie in Rente.
Seit 2011 wohnt sie in einer Seniorenwohnanlage. Noch heute versorgt sich Maria Herbst selbst, geht zum Bäcker oder in die Gastwirtschaft und ist praktisch nie krank. Ein Rezept dafür? Das kann die 100-Jährige nicht geben. Nur ein Eingeständnis: Drei bis vier Zigaretten und ein täglicher Schnaps scheinen ihr zumindest nicht zu schaden.
Nachtrag: Dieser Beitrag führte einige Tage später zu einem bemerkenswerten Wiedersehen. Eine Betreuerin las den Artikel Bewohnerinnen und Bewohnern eines Würzburger Seniorenheims vor. Dabei erkannte die 99-jährige Hildegard Rüb ihre alte Kindergartenfreundin Maria Herbst wieder. Die beiden haben sich über 80 Jahre lang nicht gesehen. Zwei Tage später kam es zu einem bewegenden Treffen.
Glückwunsch zum 100. ten
Dazu passt folgendes von der Handwerksmesse (Quelle: Merkur):
....„Söder ist durchgängig nicht vorbereitet oder es in seiner Sprache zu sagen: Er hat keine Ahnung“, so ein User auf der Plattform X. Und ein anderer: „.....Der eigentliche Grund für diesen abgrundtiefen Hass der Konservativen auf die Grünen rührt einfach daher, dass sie ihnen nicht das Wasser reichen können.“
„Ich saß mit meinen Kolleg*innen im Publikum und es war wirklich unfassbar, mit welcher Überheblichkeit Söder seinen Populismus abgesondert hat. Und es war beeindruckend, wie souverän und zielsicher Robert Habeck gekontert hat“, beschreibt ein anderer Nutzer die Diskussion."...