Impfen oder nicht? Stillen trotz Corona-Infektion? Wie gefährlich ist das Virus für mein ungeborenes Kind? Wie gefährlich ist Covid-19 für werdende Mütter? Nach wie vor ist die Unsicherheit bei Schwangere und junge Mütter in der Pandemie groß. Und nach wie vor schrecken viele vor einer Impfung zurück. Experten wie Prof. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik an der Würzburger Uniklinik, und Prof. Michael Weigel, Chefarzt der Frauenklinik am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt, raten eindringlich zur Immunisierung. Und geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Haben Schwangere ein erhöhtes Risiko an Covid-19 zu erkranken?
Grundsätzlich haben Schwangere kein höheres Risiko an Covid zu erkranken als andere Frauen auch. Aber: "Wenn sie erkranken, verläuft Covid-19 häufig deutlich schwerer", sagt Prof. Achim Wöckel von der Uniklinik Würzburg. Deshalb sei die Impfung für sie so wichtig. Hinzu kommt, so der Frauenarzt: "Schwangere mit einer Corona-Infektion haben ein bis zu 80 Prozent höheres Risiko für Frühgeburten."
Besonders gefährdet für einen schweren Corona-Verlauf seien Schwangere mit Zusatzerkrankungen – "wobei dazu auch schon das Übergewicht zählt", sagt der Schweinfurter Frauenklinik-Chef, Prof. Michael Weigel. Und er warnt: Es habe im vergangenen Jahr in Unterfranken zumindest einen Fall gegeben, "bei dem eine Frau am Beatmungsgerät ihr Kind geboren hat und später auf der Intensivstation gestorben ist – ohne zu wissen, dass sie Mutter geworden war".
Können sich Kinder im Mutterleib mit Corona infizieren?
Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. "Die Übertragung über den Mutterkuchen scheint eine Rarität zu sein", sagt Weigel. Das Neugeborene einer mit Corona infizierten Mutter gelte daher als gesund. Allerdings sei eine Ansteckung nach der Geburt möglich.
Wie gefährlich ist das Coronavirus für Neugeborene?
Wenn sich Neugeborene mit Corona infizierten, haben sie laut Frauenklinik-Direktor Wöckel meist einen milden Verlauf ohne Symptome. In den weltweiten Registern seien schwere Krankheitsverläufe bei Säuglingen "ganz selten". Deshalb gebe es auch keine Empfehlung, eine Corona-positive Mutter nach der Geburt von ihrem Kind zu trennen. Allerdings, sagt Chefarzt Weigel, muss die Mutter "bei der Kinderpflege Hygienemaßnahmen einhalten – sprich eine FFP2-Maske tragen und die Hände regelmäßig desinfizieren". Und: "Küssen und Herzen sind der Corona-positiven Mutter erst einmal verwehrt."
Sollten sich Schwangere gegen Corona impfen lassen - und ist auch der Booster sinnvoll?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat eine Impfempfehlung für ungeimpfte Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel ausgesprochen: Sie rät dann zur Grundimmunisierung mit zwei Dosen des mRNA-Impfstoffs von Biontech. Zudem empfiehlt die Stiko allen Frauen im gebärfähigen Alter "ausdrücklich" die Corona-Impfung, um bei einer zukünftigen Schwangerschaft "optimal gegen diese Erkrankung geschützt zu sein". Und generell wird allen Personen ab 18 Jahren eine Auffrischungsimpfung empfohlen.
Auch die Frauenklinik-Chefs aus Würzburg und Schweinfurt raten dringend zur Impfung für Schwangere. Impfreaktionen seien zwar möglich, aber nicht ausgeprägter als bei allen anderen Geimpften auch – und der Nutzen für die werdenden Mütter überwiege ganz klar.
Warum sind noch immer so viele Schwangere ungeimpft?
Die Stiko hat ihre Impfempfehlung für Schwangere erst im September 2021 und damit relativ spät ausgesprochen. Manche Fachgesellschaften hätten schon deutlich früher dafür plädiert, sagt Weigel. Das Zögern der Stiko habe sich jedoch teilweise auf die Frauenärzte übertragen, einige stünden der Impfung für Schwangere nach wie vor skeptisch gegenüber.
Birgt die Corona-Impfung Risiken für das ungeborene Kind?
Es gebe bisher keine Daten, die zeigten, dass das ungeborene Kind in irgendeiner Weise durch die Corona-Impfung beeinträchtig werde, sagt Achim Wöckel. Im Gegenteil: Die von der Mutter nach einer Impfung gebildeten Antikörper könnten auf das Kind übergehen und ihm automatisch den sogenannten Nestschutz mitgeben. So komme das Neugeborene mit einem gewissen Schutz gegen Corona zur Welt.
Kann die Corona-Impfung zu Unfruchtbarkeit führen?
Dafür gibt es keinerlei Hinweise. Die Behauptung beruht darauf, dass sich das Spike-Protein des Coronavirus und das körpereigene Protein Syncytin-1, das etwa für die Bildung der Plazenta verantwortlich ist, angeblich ähneln. Daraus wird der falsche Schluss gezogen, dass sich Antikörper nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen das Protein Syncytin-1 richten könnten.
Aber: In den bisherigen klinischen Studien gibt es laut Wöckel keinerlei Hinweise auf Frühgeburten oder Schwangerschaftskomplikationen im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung: "Es kursieren viel Ängste im Netz, die häufig als wissenschaftliche Tatsachen weitergegeben werden – das ist aber nicht so." Da die Impfung mittlerweile seit über einem Jahr weltweit durchgeführt und überwacht wird, seien große Datenmengen vorhanden - "wahrscheinlich mehr als bei vielen anderen Impfungen". Die Angst vor Unfruchtbarkeit "ist unbegründet und ein Mythos", sagt Wöckel.
Wie findet eine Geburt unter Isolationsbedingungen statt?
Mehr als 20 Geburten von Corona-positiven Frauen gab es im Leopoldina-Krankenhaus bisher. In der Würzburger Uniklinik sind es etwa zwei bis fünf pro Monat. In beiden Krankenhäusern steht für solche Fälle ein spezieller Kreißsaal bereit: Dort können positiv auf Corona getestete oder an Covid erkrankte Frauen unter Isolationsbedingungen entbunden werden – "mit speziellen Schutzvorkehrungen für sich selbst und für das Personal", sagt Wöckel. Das heißt, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen hier Schutzausstattung. Möglich seien sowohl natürliche Geburten als auch Kaiserschnitte.
Wichtig sei, bei Corona-Geburten eine "eins zu eins Versorgung sicherzustellen", da die betreuende Hebamme nicht zwischen der Covid-Patientin und den anderen Kreißsälen wechseln könne, sagt Weigel. Insgesamt sei eine Geburt unter Isolationsbedingungen "eine große Belastung für alle". Für Gebärende, die Corona-positiv sind, käme zu den normalen Ängsten noch die Furcht vor einem schweren Covid-Verlauf dazu, sagt Wöckel. Der psychische Stress sei dann enorm hoch.
Dürfen Väter bei der Geburt dabei sein?
Sowohl in der Würzburger Uniklinik als auch im Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus dürfen Väter oder eine Begleitperson bei der Geburt dabei sein. Voraussetzung ist ein negativer Corona-Test.
Ist Besuch am Wochenbett erlaubt?
Besuche auf der Wochenbett-Station sind in der Uniklinik und im Leopoldina möglich. Allerdings gilt hier die Regel: ein Besucher pro Tag für eine Stunde. Die komplette Verwandtschaft kann sich also nicht mehr um das Neugeborene tummeln.
Dazu gibt es einen "interessanten Befund", sagt Achim Wöckel. Bundesweit hätten Kliniken in der Pandemie beobachtet, dass die Mütter durch den reduzierten Besuch auf der Wochenbett-Station weniger unter Stress stünden. Auch seien Stillprobleme seltener aufgetreten. "Wir merken, dass durch den eingeschränkten Besuch mehr Bonding möglich ist, also die frühe Bindung zwischen Mutter und Kind besser gefördert wird."
Dürfen Corona-positive Mütter Stillen? Kann das Virus über die Muttermilch übertragen werden?
Es gebe bisher keine Erkenntnisse, dass über die Muttermilch Infektionen stattfänden, sagt Weigel. "Hintergrund ist, dass die Muttermilch sogenannte RNAsen enthält, und offensichtlich werden die Viruspartikel dadurch inaktiviert."
Im Gegenteil fördere das Stillen sogar den Nestschutz: "Man weiß, dass die von der Mutter nach einer Impfung gebildeten Antikörper auf das Kind übergehen können", erklärt Wöckel. Das gelte für die Corona-Impfung wie auch für andere Impfungen. Rückstände der Corona-Impfstoffe habe man in Untersuchungen nicht in der Muttermilch nachweisen können.