Liebe Stephie,
wie geht es dir? Ich weiß nicht, wie oft du mich das schon gefragt hast. Es klingt banal, weil wir die Frage im Alltag oft so beiläufig jemandem stellen, ohne die Antwort wirklich zu beachten. Aber wenn du zu den Frauen, die dir gegenübersitzen, diese vier kleine Worte sagst, gibst du dich nie mit einem oberflächlichen, schnellen "Gut" zufrieden. Du willst wirklich wissen: Wie geht es dir?
Ein Kind auf die Welt zu bringen ist eine verrückte Reise, emotional wie körperlich. Während man im einen Moment unglaublich glücklich ist und sich fit fühlt, will man im nächsten nur noch aufs Sofa und die Tränen laufen lassen. Der Auslöser? Meist banal, unklar oder völlig egal. Unsicherheit und Zuversicht, Ängste und Freude wechseln sich in der Schwangerschaft und der ersten Zeit mit dem Neugeborenen so schnell ab, dass frau selbst nicht mehr mitkommt. Das ist schon zu "normalen" Zeiten herausfordernd. Aber was erst inmitten einer globalen Pandemie?
Liebe Stephie, ich weiß, was du auf diese Frage antworten würdest. Denn wir beide kennen uns eine ganze Weile. Schon durch meine erste Schwangerschaft und die Zeit danach hast du mich und meine Familie begleitet. Ich sehe dich vor mir, ahne das Lächeln unter deiner Maske und höre dich sagen: "Hab Vertrauen in Dich."
Du bist Hebamme. Das althochdeutsche Verb "hevan" steckt in diesem Wort, das heben und halten bedeutet. Und tatsächlich ist es das, was ihr Hebammen neben der medizinischen Unterstützung Frauen vor, während und nach der Geburt gebt: Halt. Stephie, ich schreibe dir hier stellvertretend für all die anderen Hebammen, die in unserer Region trotz harter Arbeitszeiten und geringer Entlohnung Tag für Tag Unglaubliches leisten. Ihr bringt unser wild umhersegelndes Gefühlsschiff immer wieder zur Ruhe, führt uns zu uns zurück, wenn wir uns verlieren.
Corona und Schwangerschaft: Viele Gerüchte, wenig Erkenntnisse
Ich weiß, du sagst immer, ich soll "Schwangerschaft und Corona" nicht einfach zusammen googeln. Du hast ja recht. Trotzdem ist das in ganz Deutschland gerade die häufigste Schwangerschafts-Suchkombination. Wer sie eingibt, wird von einer Welle von Halbwahrheiten und Vermutungen überschüttet. Ja, Schwangere gehören zur Risikogruppe – aber was das bedeutet, ist unklar. Nein, Schwangere sollen nicht geimpft werden – aber wie schlimm eine Infektion während der Geburt sein kann, ist nicht ausreichend erforscht.
Was bleibt werdenden Müttern? Unsicherheit und die große Frage: Tue ich das Richtige, gerade jetzt ein Kind bekommen zu wollen?
Ich habe für mich eine klare Antwort gefunden – und bin damit alles andere als allein: In Würzburg zum Beispiel meldeten sowohl die Uniklinik, als auch das Missio im Corona-Jahr Geburtenrekorde. Insgesamt 4591 Kinder sind dort im vergangenen Jahr zur Welt gekommen. Auch ihr Hebammen vom Würzburger Geburtshaus habt 212 Babys auf ihrem Weg begleitet – so viele wie noch nie.
Liebe Stephie, du bist jetzt seit sieben Jahren in deinem Beruf und weißt, dass in all den Zahlen hinter jeder einzelnen Geburt eine ganz eigene Geschichte steckt. Eure Arbeit ist dabei nicht nur wegen der schieren Geburtenzahl gerade wichtiger denn je. "Das Loslassen fällt vielen Frauen schwerer", hast du mir erzählt, als ich dich nach deinen Erfahrungen im vergangenen Jahr gefragt hatte. Du hast mir von Geburtsstillständen berichtet, weil Unsicherheit und Corona-Ängste die werdenden Mütter blockiert haben. Auch dass die Zulassung einer Begleitperson bei der Geburt so unterschiedlich geregelt ist, macht einigen zu schaffen.
Dein Beruf, oder lass mich lieber sagen, deine Berufung, lebt von Nähe, von Vertrauen, von einer engen Bindung zu deinem Gegenüber. "Es dauert jetzt länger, bis man an die Frauen rankommt", meintest du. Die Maske verstecke viel Mimik, unterdrücke die Zwischentöne, auf die Hebammen wie du gerade so sensibilisiert sind.
Kliniken und Geburtshäuser sind kreativ geworden
Nein, eure Arbeit ist nicht einfacher geworden. Umso bewundernswerter ist euer Einsatz: Beratung am Telefon, Kreissaalführungen im Internet, digitale Sprechstunden, kostenlose Podcast-Formate, Atemübungen als Videoanleitung oder ganze Geburtsvorbereitungskurse am Computer – die Liste an kreativen Ideen ist lang. Kliniken und Geburtshäuser geben sich viel Mühe, Schwangeren trotz Pandemie so viel wie möglich zu ermöglichen. Und das, obwohl der eklatante Hebammenmangel seit Jahren wie ein Damoklesschwert über den Geburtsstationen schwebt.
Liebe Stephie, die Statistiken zeigen: Der Wunsch, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, ist ungebrochen hoch. Und vielleicht ist ja gerade die Geburt eines Babys ein wunderbarer Lichtblick in verrückten Zeiten wie diesen – auch und vor allem dank euch!
Deine Meike
Es wurde in den letzten 20 Jahren soviel falsch gemacht, bitte in Ordnung bringen.
Es gibt nicht viele von ihnen und die einzige "Kundschaft" sind werdende Mütter (+ evtl. Partner).
Vielleicht liegt die geringe (Be-)Achtung tatsächlich an dem mittelalterlichen Wort "Hebamme" und daran, dass es in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Hochschulausbildung bedarf um als Hebamme tätig zu sein.
Gerade in der heutigen modernen Zeit, in der Familie oft klein geschrieben wird und sich Schwangere nicht darauf verlassen können innhalb der Familie auf umfangreiche Hilfen und Erfahrungen zurückgreifen zu können sind Hebammen wichtiger denn je.
Ja was haben Sie denn gedacht, Meike? Kranke will niemand zur Welt bringen.
Die Geburtenrate in Deutschland sinkt allerdings
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_510_122.html#:~:text=Wie%20das%20Statistische%20Bundesamt%20(Destatis,Deutschland%20580%20342%20Kinder%20geboren.