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Würzburg
Samstagsbrief: Liebe Stephie, ihr Hebammen seid wichtiger denn je!
Unterfranken feiert Geburtenrekorde – und das inmitten einer globalen Pandemie. Unsere Autorin ist selbst schwanger und der Meinung, dass man Hebammen nicht genug danken kann.
Stephanie Ott kommt aus Ochsenfurt und arbeitet seit 2014 als Hebamme. Das Bild zeigt die 30-Jährige im mainGeburtshaus in Würzburg vor einer Wand voller Dankeskarten.
Foto: Daniel Peter | Stephanie Ott kommt aus Ochsenfurt und arbeitet seit 2014 als Hebamme. Das Bild zeigt die 30-Jährige im mainGeburtshaus in Würzburg vor einer Wand voller Dankeskarten.
Meike Schmid
Meike Schmid
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:20 Uhr

Liebe Stephie,

wie geht es dir? Ich weiß nicht, wie oft du mich das schon gefragt hast. Es klingt banal, weil wir die Frage im Alltag oft so beiläufig jemandem stellen, ohne die Antwort wirklich zu beachten. Aber wenn du zu den Frauen, die dir gegenübersitzen, diese vier kleine Worte sagst, gibst du dich nie mit einem oberflächlichen, schnellen "Gut" zufrieden. Du willst wirklich wissen: Wie geht es dir? 

Ein Kind auf die Welt zu bringen ist eine verrückte Reise, emotional wie körperlich. Während man im einen Moment unglaublich glücklich ist und sich fit fühlt, will man im nächsten nur noch aufs Sofa und die Tränen laufen lassen. Der Auslöser? Meist banal, unklar oder völlig egal. Unsicherheit und Zuversicht, Ängste und Freude wechseln sich in der Schwangerschaft und der ersten Zeit mit dem Neugeborenen so schnell ab, dass frau selbst nicht mehr mitkommt. Das ist schon zu "normalen" Zeiten herausfordernd. Aber was erst inmitten einer globalen Pandemie?

Liebe Stephie, ich weiß, was du auf diese Frage antworten würdest. Denn wir beide kennen uns eine ganze Weile. Schon durch meine erste Schwangerschaft und die Zeit danach hast du mich und meine Familie begleitet. Ich sehe dich vor mir, ahne das Lächeln unter deiner Maske und höre dich sagen: "Hab Vertrauen in Dich."

Du bist Hebamme. Das althochdeutsche Verb "hevan" steckt in diesem Wort, das heben und halten bedeutet. Und tatsächlich ist es das, was ihr Hebammen neben der medizinischen Unterstützung Frauen vor, während und nach der Geburt gebt: Halt. Stephie, ich schreibe dir hier stellvertretend für all die anderen Hebammen, die in unserer Region trotz harter Arbeitszeiten und geringer Entlohnung Tag für Tag Unglaubliches leisten. Ihr bringt unser wild umhersegelndes Gefühlsschiff immer wieder zur Ruhe, führt uns zu uns zurück, wenn wir uns verlieren.

Corona und Schwangerschaft: Viele Gerüchte, wenig Erkenntnisse

Ich weiß, du sagst immer, ich soll "Schwangerschaft und Corona" nicht einfach zusammen googeln. Du hast ja recht. Trotzdem ist das in ganz Deutschland gerade die häufigste Schwangerschafts-Suchkombination. Wer sie eingibt, wird von einer Welle von Halbwahrheiten und Vermutungen überschüttet. Ja, Schwangere gehören zur Risikogruppe – aber was das bedeutet, ist unklar. Nein, Schwangere sollen nicht geimpft werden – aber wie schlimm eine Infektion während der Geburt sein kann, ist nicht ausreichend erforscht.

Was bleibt werdenden Müttern? Unsicherheit und die große Frage: Tue ich das Richtige, gerade jetzt ein Kind bekommen zu wollen?

Ich habe für mich eine klare Antwort gefunden – und bin damit alles andere als allein: In Würzburg zum Beispiel meldeten sowohl die Uniklinik, als auch das Missio im Corona-Jahr Geburtenrekorde. Insgesamt 4591 Kinder sind dort im vergangenen Jahr zur Welt gekommen. Auch ihr Hebammen vom Würzburger Geburtshaus habt 212 Babys auf ihrem Weg begleitet – so viele wie noch nie. 

'Es dauert jetzt länger, bis man an die Frauen rankommt', sagt Stephanie Ott. Die Maske verstecke viel Mimik, unterdrücke im Gespräch die Zwischentöne, auf die Hebammen gerade so sensibilisiert sind. 
Foto: Daniel Peter | "Es dauert jetzt länger, bis man an die Frauen rankommt", sagt Stephanie Ott. Die Maske verstecke viel Mimik, unterdrücke im Gespräch die Zwischentöne, auf die Hebammen gerade so sensibilisiert sind. 

Liebe Stephie, du bist jetzt seit sieben Jahren in deinem Beruf und weißt, dass in all den Zahlen hinter jeder einzelnen Geburt eine ganz eigene Geschichte steckt. Eure Arbeit ist dabei nicht nur wegen der schieren Geburtenzahl gerade wichtiger denn je. "Das Loslassen fällt vielen Frauen schwerer", hast du mir erzählt, als ich dich nach deinen Erfahrungen im vergangenen Jahr gefragt hatte. Du hast mir von Geburtsstillständen berichtet, weil Unsicherheit und Corona-Ängste die werdenden Mütter blockiert haben. Auch dass die Zulassung einer Begleitperson bei der Geburt so unterschiedlich geregelt ist, macht einigen zu schaffen.

Dein Beruf, oder lass mich lieber sagen, deine Berufung, lebt von Nähe, von Vertrauen, von einer engen Bindung zu deinem Gegenüber. "Es dauert jetzt länger, bis man an die Frauen rankommt", meintest du. Die Maske verstecke viel Mimik, unterdrücke die Zwischentöne, auf die Hebammen wie du gerade so sensibilisiert sind. 

Kliniken und Geburtshäuser sind kreativ geworden

Nein, eure Arbeit ist nicht einfacher geworden. Umso bewundernswerter ist euer Einsatz: Beratung am Telefon, Kreissaalführungen im Internet, digitale Sprechstunden, kostenlose Podcast-Formate, Atemübungen als Videoanleitung oder ganze Geburtsvorbereitungskurse am Computer – die Liste an kreativen Ideen ist lang. Kliniken und Geburtshäuser geben sich viel Mühe, Schwangeren trotz Pandemie so viel wie möglich zu ermöglichen. Und das, obwohl der eklatante Hebammenmangel seit Jahren wie ein Damoklesschwert über den Geburtsstationen schwebt. 

Liebe Stephie, die Statistiken zeigen: Der Wunsch, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, ist ungebrochen hoch. Und vielleicht ist ja gerade die Geburt eines Babys ein wunderbarer Lichtblick in verrückten Zeiten wie diesen – auch und vor allem dank euch! 

Deine Meike

Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.
Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück.
Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
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  • al-holler@t-online.de
    Endlich mal wieder ein Brief, der diesen Platz auch verdient und nicht das übliche dünne und populistische bzw. dem vermeintlichen mainstream folgende Politikerbashing!
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  • henner59
    Eine Hebamme ist mit Geld und Gold nicht aufzuwiegen, aber mit Respekt, sehr guter Bezahlung und mit Höchster Absicherung.
    Es wurde in den letzten 20 Jahren soviel falsch gemacht, bitte in Ordnung bringen.
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Die Aufgaben und die Verantwortung von Hebammen werden in der Gesellschaft nicht genügend honoriert und schon gar nicht beachtet. Hebammen sind oft freiberuflich tätig und komplett alleine für das verantwortlich was sie machen!

    Es gibt nicht viele von ihnen und die einzige "Kundschaft" sind werdende Mütter (+ evtl. Partner).

    Vielleicht liegt die geringe (Be-)Achtung tatsächlich an dem mittelalterlichen Wort "Hebamme" und daran, dass es in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Hochschulausbildung bedarf um als Hebamme tätig zu sein.

    Gerade in der heutigen modernen Zeit, in der Familie oft klein geschrieben wird und sich Schwangere nicht darauf verlassen können innhalb der Familie auf umfangreiche Hilfen und Erfahrungen zurückgreifen zu können sind Hebammen wichtiger denn je.
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  • stefan.behringer@web.de
    "Liebe Stephie, die Statistiken zeigen: Der Wunsch, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen, ist ungebrochen hoch."
    Ja was haben Sie denn gedacht, Meike? Kranke will niemand zur Welt bringen.

    Die Geburtenrate in Deutschland sinkt allerdings
    https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_510_122.html#:~:text=Wie%20das%20Statistische%20Bundesamt%20(Destatis,Deutschland%20580%20342%20Kinder%20geboren.
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