
Dem großen Publikum ist der Würzburger Burkard Schmidl als Schöpfer des Klanggartens auf der Landesgartenschau 1990 ein Begriff. Dabei war er schon vorher ein wandelndes Stück Musikgeschichte. Dass er oder seine Kunst nie zum Museumsobjekt wurden, liegt daran, dass er sich immer wieder neu erfunden hat.
Eigentlich hätte Schmidl, geboren 1955, die väterliche Buchhandlung für christliche Literatur am Dom übernehmen sollen. Aber das hat ihn noch weniger interessiert, als im Klavierunterricht die Werke anderer nachzuspielen. Er wollte seine eigene Musik machen. Das tut er nun seit 50 Jahren beruflich. Seine erste Band gründete er aber schon mit zehn Jahren. Sie hieß Neffe Bruno.

Junge Männer mit langen Haaren wurden damals als "Gammler" beschimpft, die es "unter Hitler nicht gegeben" hätte. "Uns hat das eher motiviert, wir hatten Spaß zu provozieren." Permanent wurden Langhaarige, die in rostigen Autos unterwegs waren, auf der Suche nach RAF-Terroristen angehalten und kontrolliert. "Als ob die so blöd gewesen wären, sich so auffällig zu benehmen", sagt Schmidl rückblickend.
Sehr lukrativ war das Touren nicht, aber man wollte ja auch nicht "kommerziell" sein
Mit 15 spielte er im Vorprogramm von Jazzgrößen wie Albert Mangelsdorff, Volker Kriegel oder Klaus Doldinger. Ein Angebot des Würzburger Komponisten Bertold Hummel, bei ihm zu studieren, schlug er aus. "Da war eine Portion Größenwahn dabei, aber ich wollte beweisen, dass ich's allein schaffe." Also stieg er als Keyboarder und Songschreiber bei der Jazzrockband Missus Beastly ein. "Endlich war ich auf Tour und weg aus dem Elternhaus, in dem die Stimmung langsam schwierig wurde", erzählt er.

"Wir lebten auf einem Bauernhof bei Göttingen und spielten jedes Wochenende irgendwo." Sehr lukrativ war das nicht, da half weder das Lob der großen Feuilletons, noch die Gründung des ersten selbstverwalteten Plattenlabels Schneeball Records. "Wir waren arm. Heute würde man sagen, wir lebten prekär. Aber wir fühlten uns blendend. Es gab praktisch kein Privateigentum, aber es war meistens was im Kühlschrank."
Man wollte ohnehin nicht "kommerziell" sein. Dass es auch eine ganz andere Art von Musikgeschäft gab, wurde Schmidl klar, als er den jungen Dieter Bohlen kennenlernte. "Der sagte schon damals, es sei völlig egal, ob man Musik oder Waschmittel verkaufe."
Es war die große Zeit des Krautrock. Die Bands hießen Munju (mit dem Würzburger Wolfgang Salomon), Embryo, Aera, Ton Steine Scherben, Kraan oder Guru Guru. Ihre Musik war schnell oder psychedelisch, oft beides, und ziemlich anspruchsvoll. Burkard Schmidl gehörte zu den Pionieren des Genres und ist nicht wenig stolz, dass die Alben von damals inzwischen als LP-Luxuseditionen neu aufgelegt werden. "Das ist Kult weltweit."
Nach zehn anstrengenden Jahren bei Missus Beastly war es Zeit für etwas Neues: Die Eindrücke mehrerer Marokko-Reisen flossen in das Album "Sahara Elektrik", das Schmidl 1978 in Tanger mit der Band Dissidenten einspielte. Das "Rolling Stone Magazine" ehrte die Musiker dafür mit dem Titel "The Godfathers of World-Beat".
Unterwegs mit Eisi Gulp
Weltmusik: Wieder war ein neues Genre geboren, und wieder bog Burkard Schmidl in eine ganz andere Richtung ab. Er spielte als Kunstfigur "Ivan Opium" ein Album ein und trat mit falschem Zappa-Bart und russischem Akzent auf. "Kinder merkten sofort, dass der Bart angeklebt war", erzählt Schmidl, "aber im Fernsehstudio des WDR kam ich damit durch."
Als Eisi Gulp ihn überredete, bei seiner "Eisi Gulp Comedy Show" mitzumachen, folgten weitere fünf Jahre intensiver Auftrittstätigkeit und TV-Präsenz. Eisi Gulp ist heute vor allem bekannt als kiffender Vater in den Eberhofer-Krimi-Verfilmungen, damals war er tanzender und jonglierender Komiker.
Dass es langsam Zeit wurde, ein weiteres Mal weiterzuziehen, zeigte sich 1988 beim Auftritt beim völlig chaotischen Open Air am Rande des "Werner-Rennens", in dem das Monster-Motorrad "Red Porsche Killer" gegen "Holgis Porsche" antrat und verlor. Die Clowns mussten auf der riesigen Bühne vor 200.000 alkoholisierten Rockern antreten, die BAP oder Roger Chapmann hören wollten. Keine gute Idee: "Es war ein Desaster, und wir waren froh, dass wir da mit heiler Haut rauskamen."
1990 erfand Burkard Schmidl dann für die Landesgartenschau in seiner Heimatstadt den Klanggarten. "Ich hatte gelesen, dass Kühe mehr Milch geben, wenn sie angenehme Musik hören. Also überlegte ich - ganz ohne wissenschaftlichen Hintergrund -, wie man so etwas für Pflanzen machen könnte", erzählt Schmidl. Er ließ er alles Rhythmische, Dissonante weg. "Es war erstaunlich, wie viel dann noch übrigblieb."

Wie sich herausstellte, waren es die Menschen, denen die harmonischen Klänge aus zwölf Kanälen guttaten. "Plötzlich waren meine Fans nicht mehr nur junge Rockfans, sondern ganz normale Leute." Als Burkard Schmidl von den vielen Reaktionen erzählt, damals noch per Brief, merkt man ihm immer noch das Staunen an. Und die Rührung. Etwa über die Frau, die sich zu seinen Klängen nach jahrelangem Streit mit ihrem Bruder versöhnte.
Der Klanggarten läutete eine völlig neue Schaffensphase ein
Der Klanggarten läutete eine neue Schaffensphase ein. Burkard Schmidl arbeitete mit Elementen aus E- und U-Musik, Minimal Music, Elektronik und den Klängen anderer Kulturen. Es folgten weiterentwickelte Klanggärten auf Landes- und Bundesgartenschauen und an vielen anderen Orten wie Parks, Friedhöfen oder therapeutischen Einrichtungen, 2020 auch wieder in Würzburg.
Außerdem entwickelte Schmidl Installationen, neue Musikinstrumente und interaktive Projekte wie das Klangpuzzle 2019 in der Würzburger Augustinerkirche, bei dem über 300 zuvor "gespendete" tönende Puzzlesteine zu Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung aus den Mainfränkischen Werkstätten erklangen.

So gefragt seine Klangkunstwerke in ganz Deutschland sind, so wenig Interesse kommt aus der Stadt Würzburg, erzählt Burkard Schmidl. Als er für die Landesgartenschau 2018 sein Konzept Klangpuzzle vorgeschlagen habe, habe er erst nach mehrmaligem Nachfragen die Auskunft erhalten, das mache man heutzutage anders. "Sie haben es abgelehnt, ohne es sich überhaupt angehört zu haben."