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Würzburg
Schön, vertraut und fremd zugleich: Wie Wolfgang Lenz Würzburgs Trümmer und Ruinen zu "Phantastischen Orten" machte
Er brachte das Spiegelkabinett in der Würzburger Residenz wieder zum Glänzen! Zum 100. Geburtstag des großen Künstlers läuft jetzt eine üppige Werkschau - an drei Orten.
Kuratorin Henrike Holsing in der Ausstellung mit Werken von Wolfgang Lenz im Museum im Kulturspeicher. 
Foto: Thomas Obermeier | Kuratorin Henrike Holsing in der Ausstellung mit Werken von Wolfgang Lenz im Museum im Kulturspeicher. 
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 21.03.2025 02:37 Uhr

Auch für Barbara Lenz, Tochter des Würzburger Künstlers Wolfgang Lenz, ist es ein spannendes Seherlebnis. Normalerweise lebt sie mit den Werken ihres Vaters im heimischen Umfeld. Jetzt sind sie ausgeliehen, neu arrangiert, in einer besonderen gemeinschaftlichen Ausstellung.

Auch wenn Barbara Lenz vom Ergebnis begeistert ist: Die Bilder werden ihr für einige Monate fehlen. Eines vermisse sie besonders, verrät die Tochter des 2014 verstorbenen Künstlers: Es ist "der Affe".

Der Affe sitzt jetzt im Martin von Wagner Museum in der Würzburger Residenz auf seinem grünen Samtkissen, am unheimlich wirkenden Markusplatz in Venedig bei Nacht. Und er schaut seine Betrachter mit großen Augen erwartungsvoll an. "Menschenleer" lautet der Titel des Werks, das Wolfgang Lenz 1966 schuf. 

Das ist der Affe: Das Gemälde 'Menschenleer' von Wolfgang Lenz aus dem Jahr 1966 (© Nachlass Wolfgang Lenz).
Foto: Christine Jeske | Das ist der Affe: Das Gemälde "Menschenleer" von Wolfgang Lenz aus dem Jahr 1966 (© Nachlass Wolfgang Lenz).

Nicht nur im Martin von Wagner Museum der Uni Würzburg, auch an zwei weiteren Orten dreht sich alles um die faszinierenden, oft traum- und rätselhaften und magisch anziehenden Bilder des bedeutenden Würzburger Künstlers der Nachkriegsmoderne: im Spiegelsaal der Residenz und im Museum im Kulturspeicher. 

Anlass dieser Präsentation ist der 100. Geburtstag von Wolfgang Lenz am 17. März. "Phantastische Orte" lautet der Titel der umfassenden Werkschau. Diese "Orte", seine Bilder sind jetzt wieder oder erstmals zu sehen, zu entdecken, zu bestaunen.

Lenz hat die Wirklichkeit erweitert, sich vom Gesehenen inspirieren lassen, dann verwandelt. Er gilt als Vertreter des Phantastischen Realismus, eine Kunstströmung nach dem Zweiten Weltkrieg. Bestimmte Orte spielen bei ihm eine große Rolle. Nicht nur Würzburg, wo er etwa ab 1984 an den Wänden des Ratssaals im Rathaus die Geschichte der Stadt darstellte - oder kurz nach Kriegsende 1947 die Trümmerlandschaft von Würzburg zeichnete und Ruinen mit Rübensirup aquarellierte

Jeder Ausstellungsort wählte einen Aspekt. Das Museum im Kulturspeicher zeigt "Würzburg und die Welt", Werke, die den Künstler auf seinen Reisen nach Spanien, Frankreich, den Niederlanden oder Japan inspiriert haben.

'Frühlingsbote' von Wolfgang Lenz aus dem Jahr 1993, inspiriert vom Rokokogarten in Veitshöchheim. Zum 100. Geburtstag des Künstlers im Museum im Kulturspeicher bis 15. Juni zu sehen. 
Foto: Thomas Obermeier | "Frühlingsbote" von Wolfgang Lenz aus dem Jahr 1993, inspiriert vom Rokokogarten in Veitshöchheim. Zum 100. Geburtstag des Künstlers im Museum im Kulturspeicher bis 15. Juni zu sehen. 

Überall habe Lenz Eindrücke mitgenommen und im Atelier verarbeitet, sagt Henrike Holsing, stellvertretende Kulturspeicher-Direktorin. Auch der Rokokogarten in Veitshöchheim wird den Ausstellungsbesuchern vertraut und fremd zugleich erscheinen.

"Pittura Capricciosa", der launigen, wunderlichen, kapriziösen Malerei von Lenz widmet sich das Martin von Wagner-Museum. Dort faszinieren die italienischen Inspirationen von Lenz auf seinen Reisen nach Rom, Neapel und Venedig in vielen Zeichnungen, Skizzen und einigen Gemälden.

Nicht nur der phantastische Realismus spielt hier eine Rolle. Lenz habe den metaphysischen Eigenwert der Dinge aufscheinen lassen, sagt Museumsdirektor Damian Dombrowski. Der Künstler habe sie auf ungewohnte Art und Weise zusammengestellt – Capriccio eben. Dazu gehören auch gemalte – und echte - Scherben in der Zeichnung der Kirche Santa Maria della Salute als Ruine in Rom.

Gemalte und echte Scherben gehören zur 'Zeichnung mit Ruine Maria della Salute hinter zerbrochener Glasscheibe' von Wolfgang Lenz (1984). Zu sehen im Martin von Wagner Museum im Südflügel der Residenz. 
Foto: Thomas Obermeier | Gemalte und echte Scherben gehören zur "Zeichnung mit Ruine Maria della Salute hinter zerbrochener Glasscheibe" von Wolfgang Lenz (1984). Zu sehen im Martin von Wagner Museum im Südflügel der Residenz. 

Die Zeichnungen sind für Dombrowski "alles Offenbarungen". Lenz zeigt Architekturen und menschenleere Plätze, "eher die verschwiegenen Orte als die Hotspots". Ihn faszinierten die Formen des römischen Barock, das Ornamentale. "Aber auch die Antike hat bei ihm ihren Platz", sagt der Kunsthistoriker.

'Andenken an die Villa Massimo' hat Wolfgang Lenz das Selbstporträt mit römischen Statuen aus dem Jahr 1993 genannt. Es hängt zurzeit im Martin von Wagner Museum in der Ausstellung 'Phantastische Orte'. Dort sind auch Zeichnungen aus seinem Skizzenblock zu sehen. 
Foto: Thomas Obermeier | "Andenken an die Villa Massimo" hat Wolfgang Lenz das Selbstporträt mit römischen Statuen aus dem Jahr 1993 genannt. Es hängt zurzeit im Martin von Wagner Museum in der Ausstellung "Phantastische Orte".

Und was auch hier deutlich wird, wie Dombrowski beschreibt: "Seine ästhetische Neigung für den Untergang, für die Schönheit des Verfalls".

Als junger Dozent hat Dombrowski den Künstler im September 2000 auf einer Reise nach Rom begleitet - und beobachtet: "Er sammelt seine Seherfahrungen, auch Alltagsszenen, und schafft etwas Neues." So wie es bereits in einem 1992 entstandenen Bild zu sehen ist, in dem die Engelsburg inmitten einer Felsenlandschaft vom Kolosseum umfangen wird.

Damian Dombrowski, Direktor des Martin von Wagner Museums, erläutert das Bild 'Engelsburg mit rotem Engel' von Wolfgang Lenz (1992). 
Foto: Thomas Obermeier | Damian Dombrowski, Direktor des Martin von Wagner Museums, erläutert das Bild "Engelsburg mit rotem Engel" von Wolfgang Lenz (1992). 

Der dritte "phantastische Ort" dieser Gemeinschaftsausstellung, den Besucherinnen und Besucher keinesfalls auslassen sollten, ist das Spiegelkabinett in der Residenz. Es war im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Lenz war ab 1978 maßgeblich an der Rekonstruktion beteiligt. "Durch ihn wurde das Unmögliche möglich", sagt Susanne Hoppe von der Bayerischen Schlösserverwaltung.

Blick ins Spiegelkabinett in der Würzburger Residenz. Der Würzburger Künstler Wolfgang Lenz war maßgeblich an der Rekonstruktion beteiligt. Fast 600 Glasscheiben hat er bemalt.
Foto: Thomas Obermeier | Blick ins Spiegelkabinett in der Würzburger Residenz. Der Würzburger Künstler Wolfgang Lenz war maßgeblich an der Rekonstruktion beteiligt. Fast 600 Glasscheiben hat er bemalt.
Susanne Hoppe von der Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung erläutert die Hinterglasbilder, Probespiegelscheiben und Entwurfszeichnungen von Wolfgang Lenz für die Rekonstruktion des Spiegelkabinetts in der Würzburger Residenz.
Foto: Thomas Obermeier | Susanne Hoppe von der Museumsabteilung der Bayerischen Schlösserverwaltung erläutert die Hinterglasbilder, Probespiegelscheiben und Entwurfszeichnungen von Wolfgang Lenz für die Rekonstruktion des Spiegelkabinetts in ...

Während Wolfgang Lenz sonst seiner Fantasie freien Lauf lassen konnte, war er hier - in dieser  Fantasiewelt hinter Glas - an die historische Vorlage gebunden. Doch ihr Vater habe sich kleine Freiheiten erlaubt, etwa Familienmitglieder porträtiert, sagt Barbara Lenz. "Tante Anna" zum Beispiel. Auch sie selbst ist zu sehen, zentral, hoch oben, in einem Zierrahmen.

Die Herausforderung im Spiegelkabinett war die Technik der Verspiegelung. Wie in einzelnen Werken im Kulturspeicher und im Martin von Wagner-Museum zu sehen ist, war Wolfgang Lenz mit der Glasmalerei vertraut. Mit ihr und Verspiegelungen habe er sich früh beschäftigt, sagt Hoppe.

Erstmals gezeigt werden die Vorzeichnungen im Maßstab eins zu eins. Und es ist in der kleinen Schau neben dem Spiegelsaal das humorvolle Selbstbildnis von Wolfgang Lenz zu sehen - mit Spiegel.

Barbara Lenz gespiegelt im humorvollen hinter Glas gemalten Selbstporträt ihres Vaters - zu sehen in der Residenz in der Ausstellung 'Phantastische Orte' anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers.
Foto: Thomas Obermeier | Barbara Lenz gespiegelt im humorvollen hinter Glas gemalten Selbstporträt ihres Vaters - zu sehen in der Residenz in der Ausstellung "Phantastische Orte" anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers.

Werkschau an drei Orten:  "Wolfgang Lenz: Phantastische Orte" ist bis 15. Juni zu sehen. Das Spiegelkabinett in der Würzburger Residenz hat täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

Im Martin von Wagner Museum in der Residenz ist die Ausstellung zu sehen Dienstag bis Samstag von 13.30 bis 17 Uhr, sonntags alle zwei Wochen von 10 bis 13.30 Uhr.

Im Museum im Kulturspeicher sind die Arbeiten zu sehen dienstags von 13 bis 18 Uhr, Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Jeden dritten Donnerstag im Monat ist geöffnet bis 21 Uhr. 

Infos www.kulturspeicher.de; www.martinvonwagner-museum.com; www.residenz-wuerzburg.de

Auf 'Grünes Steckbrett' von 1982 hat Wolfgang Lenz' sein berühmtes Bild 'Würzburger Totentanz - zum 16. März 1945' als Postkarte auf den Kopf gestellt. © Nachlass Wolfgang Lenz
Foto: André Mischke | Auf "Grünes Steckbrett" von 1982 hat Wolfgang Lenz' sein berühmtes Bild "Würzburger Totentanz - zum 16. März 1945" als Postkarte auf den Kopf gestellt. © Nachlass Wolfgang Lenz
 
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