Liebe Judith,
wir kennen uns nun schon so lange, dass ich auch bei diesem öffentlichen Brief beim Du bleibe. Damals, während unseres Studiums der Politischen Wissenschaft, da sollten wir in den Seminaren stillsitzen. Heute treffen wir uns meist beim Fußball, am Dallenberg bei den Heimspielen der Würzburger Kickers. In Deinem Amt als Bürgermeisterin, die bei der Stadt Würzburg unter anderem für den Sport zuständig ist, gehören Stadionbesuche ja irgendwie dazu.
Ich sitze dann nicht weit von Dir entfernt. Die Betonung liegt auf SITZEN. Ich bin auch zum Arbeiten da. Und Du? Na ja, auf den Plätzen inmitten der Haupttribüne wird schon überwiegend gesessen, aber manchmal, da muss die Freude oder der Ärger eben raus. Da springt auch ihr auf den besseren Plätzen mal auf. Der Fußball und die Emotionen sind Dir nicht fremd. Du hast ja auch selbst mal gekickt.
Emotionsregulation, weil Fußballfans ihren Gefühlen freien Lauf lassen?
Nun hat die Stadt Würzburg - und damit auch Du - aber offenbar etwas dagegen, dass die Fußballfans am Dallenberg ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Wo und wie das passieren darf, das will die Verwaltung jetzt offenbar auch noch regeln. Emotionsregulation sozusagen. Eigentlich kannte ich den Begriff bisher nur aus der Psychologie.
Es geht zuvorderst um die rund 150 Menschen, die im Stadion am lautesten sind. Die sogenannte aktive Fanszene. Manche davon nennen sich Ultras, manche nicht. Gemein ist ihnen, dass sie über die ganzen 90 Minuten eines Spiels singen, anfeuern, klatschen. Seit die Würzburger Kickers in dieser Saison in der Regionalliga gegen Klubs wie Buchbach oder Pipinsried antreten, stehen diese Fans wieder zusammen unter dem Dach der Haupttribüne. So wie früher, bevor sich die Rothosen in den bundesweiten Fußball aufgemacht hatten, ihr Stadion für nicht wenig Geld umbauen mussten und die lautstarken Anhänger ihren Platz hinter dem Tor zugewiesen bekamen.
Unterm Tribünendach klingen die Gesänge lauter, außerdem wird man dort bei Regen nicht nass, und die Sicht aufs Spielfeld ist auch noch besser. Kein Wunder, dass auch die Fans wieder Karten für die Haupttribüne haben wollten. Wer wollte es ihnen verdenken? Die Stimmung ist seit ihrem Umzug tatsächlich besser geworden. Den eingängigen Gesang vom "Chef der Regionalliga" bekommt man nach einem Besuch am Dalle nicht mehr so schnell aus dem Ohr.
Auch das ist ein Grund dafür, dass die bisherige Saison der Kickers so positiv verlaufen ist. Trotz der 0:1-Niederlage beim FC Bayern München II zuletzt. Aber da standen im Stadion an der Grünwalder Straße ja auch nur die Heimfans des FCB auf den Sitzplätzen unterm Dach.
Ultras im Stehen auf Sitzplätzen - nichts Ungewöhnliches in Fußballstadien
In Würzburg soll es so etwas nicht mehr geben. Wer ein Ticket auf der Sitztribüne kauft, der hat auch zu sitzen, so die Logik der Stadtverwaltung. Die Kickers sollen sich jetzt einmal überlegen, wie sie das hinbekommen. Da höre ich den Amtsschimmel viel lauter wiehern als die Fans singen!
Dass Ultras auf Sitzplätzen stehen, ist im Fußball nichts Ungewöhnliches. Schließlich waren in den Europapokal-Wettbewerben jahrelang Stehplätze gar nicht zugelassen. Beim Zweitligisten in Rostock beispielsweise ist die gesamte Fantribüne bestuhlt. Im Berliner Olympiastadion sowieso. Dass stehende Fans auf Sitzplätzen eine grundsätzliche Gefahr darstellen, ist kaum mit Fakten zu belegen.
Der Ordnungsdienst in Würzburg achtet darauf, dass nicht mehr Zuschauer oder Zuschauerinnen in einer Reihe stehen als Plätze vorhanden sind. Überfüllt ist der Fan-Block also auch nicht. Und das mit dem ausreichenden Abstand zu den Gästefans, das hat bislang noch immer geklappt und dürfte, zumindest in dieser Regionalliga-Saison, auch immer zu lösen sein. Warum also, liebe Judith, kümmert sich die Stadt um ein Problem, das es gar nicht gibt? Als gäbe es in der deutschen Bürokratie nicht schon absurde Auswüchse genug.
Und überhaupt: Wie soll so ein Stehverbot auf den Sitzplätzen denn durchgesetzt werden? Müssen sich Ordner oder gar die Polizei unbeliebt machen? Und wie lange darf man auf einem Sitzplatz nach einem Tor eigentlich stehen bleiben, bis man sich wieder hinzusetzen hat? Ich nehme nicht an, dass sich städtische Beamte ernsthaft mit solchen Fragen beschäftigen werden.
Lasst dem Fußball doch seine Emotionen - und zwar überall im Stadion!
Festzelt auf Kiliani - steht man da nicht auch?
Übrigens, was ist denn eigentlich auf dem von der Stadt ausgerichteten Kiliani-Volksfest? Da stehen Menschen im Festzelt, oft unter dem Einfluss von nicht wenig Alkohol, singend und klatschend auf Sitzbänken. Gibt es da im kommenden Jahr etwa auch ein Stehverbot? Ich hoffe nur, ich habe da jetzt niemanden auf eine neue Idee gebracht...
Vielleicht treffen wir uns ja schon an diesem Samstag wieder beim Heimspiel der Würzburger Kickers gegen die SpVgg Greuther Fürth II und freuen uns einfach an der guten Stimmung unterm Tribünendach.
Viele Grüße,
Frank Kranewitter, Redakteur
alles unter den Tisch kehrt und das Ordnungsamt usw. offiziell zurückpfeift .
Was machen und was schreiben Sie eigentlich dann , wenn dort vielleicht einmal Menschen
zu schaden kommen und es mal nicht so glimpflich abläuft ?
Warum können sie Kickers - Verantwortliche und Ordnungsamt nicht zusammen setzen und
eine Lösung finden , welche rechtlich auch nach der Regionalliga machbar wäre oder
will man dann die Fans auf den nächstbesten Platz im Stadion unterbringen ?
Früher hatten wir neben dem OB zwei ehrenamtliche Bürgermeister, heute sind diese hauptberuflich. Also müssen sie beschäftigt werden.
Ist das jetzt eines Samstagsbriefes würdig? Ist das etwas was in der Rhön genauso interessiert wie am Untermain?
Ist das das Niveau der MP in Samstagsbriefen die ein derartiges Gefälle aufweisen von informativ und diskussionswürdig bis zur Hilflosigkeit?
Das interessiert außerhalb der Fanszene soviel wie wenn in China ein Sack R.....!
Wenn die Leute nicht sitzen, sondern ihren Emotionen unbegrenzt freien Lauf lassen wollen, können Dinge geschehen für die einige dann länger "sitzen" müssen als ihnen lieb ist.
wahrscheinlich ist das nicht mal Frau Jörgs Aufgabengebiet, sondern die des Ordnungsamtes.
Stehverbot passt hervorragend zum "Theater des kleinen Mannes " wie seinerzeit der Fußball am Dalle von den Oberen der Stadt Würzburg tituliert wurde!
Sie sprechen mir als Fußballfan aus der Seele. Wenn ich zu meinem Verein ins Stadion gehe, möchte ich meine Emotionen raus lassen, sei es Freude, Ärger oder oder oder. Ich habe zwar einen Sitzplatz, aber ich stehe auch des öfteren, da die Spannung beim Angriff steigt oder beim Gegenangriff die Verteidigung gefordert ist. Wenn man das nicht mehr machen sollte, kann ich zu Hause bleiben. Die Fans fühlen sich gegängelt. Wenn wir seit Corona schon sehr eingeschränkt sind, dann sollten wir wenigstens im Stadion ab und zu mal stehen dürfen und emotional sein. Und es gibt mit Sicherheit wichtigere Probleme zu bewältigen, als die Fans im Stadion vom Stehen abzuhalten.
In diesem Sinne schönes Wochenende.