Sehr geehrter Herr Fürnrohr,
bestimmt erinnern Sie sich, wie groß der Protest in den 80er Jahren war, als die Bundesregierung beschloss, all ihre Bürgerinnen und Bürger statistisch zu erfassen. "Zählt nicht uns, zählt eure Tage", stand damals auf den Plakaten, mit denen Volkszählungsgegner in Massen durch die Straßen zogen. Getrieben von der Furcht, dass Befragte im Nachhinein identifiziert und Daten missbraucht werden könnten, schafften es die Volkszählungsgegner von damals, per Verfassungsbeschwerde die für 1983 geplante Volkszählung zu stoppen. 1987 fand sie dann doch stand - jedoch mit geändertem Erhebungsverfahren. Das Magazin "Spiegel" titelte: "Mitmachen, mogeln oder boykottieren?"
Genau diese Frage, sehr geehrter Herr Fürnrohr, dürften sich aktuell deutsche Bürgerinnen und Bürger erneut stellen. In Bayern läuft unter Ihrer Projektleitung der Zensus 2022 gerade an – und das eher unbefriedigend. Anders als in den 1980ern protestieren die Menschen heute zwar nicht auf der Straße gegen ihre Erfassung. Ihren Unmut äußern sie dennoch, im Netz etwa.
Die Information der Bürgerinnen und Bürger über den Zensus ist löchrig
Für Unterfranken kann man auf der Basis rekordverdächtig vieler Leserkommentare und Anrufe zur Zensus-Berichterstattung dieser Redaktion jedenfalls feststellen, dass viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert und verärgert sind. Woran das liegt? Tja, Herr Fürnrohr, das könnte daran liegen, dass das Riesenprojekt Volkszählung echt schlecht vorbereitet ist.
Zuallererst ist nämlich die Information der Menschen über Termine, Durchführung und Inhalte des Zensus löchrig – was die Bürger nicht motiviert, dem Verfahren zu trauen. "In den Medien hab' ich was dazu gelesen, aber von der Behörde habe ich überhaupt nichts gekrieg", klagt etwa eine Frau aus der Region kurz vor Zensusbeginn. Bei so einem Mammutprojekt erwarte sie vorab ein Schreiben an alle Haushalte, in dem klar und verständlich der Ablauf beschrieben wird.
Aber davon sind wir, trotz Zensusbeginn an diesem Montag, 16. Mai, weit entfernt. Im Herbst 2021 ging an Wohneigentümer in Bayern eine "Unterrichtung nach §17 Bundesstatistikgesetz" raus; diese aber strotzte vor Sätzen wie: "Diese Erhebung dient der Vorbereitung (…) der durch das Zensusgesetz 2022 angeordneten Bundesstatistik, mit dem Zweck der Klärung des Kreises der zu Befragenden und deren statistischer Zuordnung, der Prüfung der Objekt- und Eigentümerdaten auf ihre Qualität sowie der Prüfung der Eigentumsverhältnisse." Ist so etwas allgemeinverständlich? Wurden so jene Zensus-Termine kommuniziert, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind? Nein!
Totalverwirrung: Manche Fragenkomplexe sollen persönlich, manche online beantwortet werden
Dass ab Mitte Mai für ausgewählte Bürger Haushaltsbefragungen in verschiedenen Varianten anstehen, zudem zeitgleich die Befragungen für Gebäude- und Wohnungsbesitzer wiederaufgenommen werden und für einen kleinen Teil der Bürgerinnen und Bürger später noch eine Wiederholung der Haushaltsbefragungen kommt – all das kriegen die Betroffenen derzeit nicht offiziell, sondern ausschließlich durch die Medien und manchmal eher durch Zufall mit.
Für Totalverwirrung sorgt zudem der Umstand, dass die Fragen zu Gebäude- und Wohnungsnutzung online beantwortet werden sollen, die Haushaltsbefragung aber persönlich stattfinden muss. Endlose Netz-Debatten wie "Kann man online beantworten, hier der Link!" oder "Bist wohl fehlinformiert, die Interviewer fragen live!" dürften ihren Grund in diesen unterschiedlichen Befragungsmethoden haben.
Dass die Service-Telefone der bayerischen Zensusstelle entweder besetzt sind oder erfahrungsgemäß gern ausfallen; das erwähne ich nur nebenbei. Problematischer, Herr Fürnrohr, ist jedoch die Sache mit den Erhebungsbeauftragten. Die Interviewenden würden "sorgfältig ausgewählt, eingestellt und geschult", hat die Bundes-Zensusbehörde mitgeteilt.
Wen wundert es, wenn Bürger eher verunsichert als vertrauensvoll der Erhebung entgegensehen?
Sorgfältig ausgewählt? Gerade mal volljährig müssen die Leute sein, einen Wohnsitz in Deutschland haben und ein "sicheres Auftreten" – viel mehr Qualifikation braucht es offenbar nicht, um in den bayerischen Wohnzimmern sensible Daten abzufragen. Polizeiliches Führungszeugnis? Nicht nötig! Schul- oder Bildungsabschlüsse? Braucht es nicht. Und auch Vorerfahrung als Interviewer wird nicht verlangt.
Alles, was die sogenannten Erhebungsbeauftragten also vom Mann oder der Frau auf der Straße unterscheidet, ist eine dreieinhalbstündige Schulung sowie ein – nicht fälschungssicherer – Ausweis. Dass Bürgerinnen und Bürger da eher verunsichert als vertrauensvoll der Erhebung entgegenblicken, ist doch nachvollziehbar, Herr Fürnrohr! Doch was tun? Die Produktion fälschungssicherer Ausweise werden Sie bis Montag nicht mehr auf die Reihe bekommen; und um Informationsdefizite zu beheben, fehlt Ihnen wohl auch die Zeit. Vielleicht könnten Sie aber noch die Telefonanlage Ihrer Behörde nachbessern; es werden sicher bald viele Menschen bei Ihnen anrufen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gisela Rauch, Redakteurin
Frau Rauch: sie schreiben doch selbst vor ein paar Tagen, was man dazu wissen sollte!
Offensichtlich wissen Sie es selbst nicht mehr! Geben Sie in der Suche oben das Wort Zensus ein und sie bekommen zahlreiche Treffer der MP und von Ihnen selbst!
Warum dann dieser Brief?
Es ist IHRE Aufgabe, die Menschen zu informieren. Die Infos weiterzugeben und den Menschen SACHLICH nahe zu bringen!
Machen Sie einfach ihren Job!
Und warum sehen Sie Probleme wo anscheinend niemand eines sieht?
Ok! Außer man möchte es politisch ausschlachten!
Ineressant ist nur der Hinweis, dass man vermutlich auch vom Finanzamt wegen der zeitgleich stattfindenden Grundsteuerreform angeschrieben wird und vermutlich diese Daten nochmal angeben muß.
Eine Zusammenarbeit der Behörden gibt es anscheinend schon, einen Datenausgleich jedoch nicht.
Die haben wahrscheinlich noch nicht alle diese modernen Faxgeräte. 🤣
Ich befürchte aber eher, man hat sich nicht recht mit dem Thema befasst
Die Befragten werden vorab umfangreich informiert. Wer nicht befragt wird, bekommt auch kein Anschreiben. Warum auch? Um ihn zu informieren, dass er nicht befragt wird?
Ein Sturm in Wasserglas.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
Hat Frau Rauch das aber auch gelesen?