Beim Zensus 2022 sollen laut Bundesamt für Statistik rund 10,2 Millionen Menschen aus ganz Deutschland befragtwerden. Nach Angabe des Statistischen Landesamtes Bayern sind darunter allerdings allein 2,3 bis 2,5 Millionen bayerische Bürgerinnen und Bürger. Bei diesen Zahlen reibt sich der Hobby-Mathematiker erstaunt die Augen. Denn der Anteil der Bayern an den Befragten ist viel zu hoch. Woran liegt das?
"Rein rechnerisch machen die Bayern ein Siebtel der deutschen Bevölkerung aus, deshalb müsste ihr Anteil an den Befragten beim Zensus rein rechnerisch deutlich geringer sein", bestätigt auf Anfrage der Leiter der Abteilung für Bevölkerungs-, Haushalts- und Finanzstatistiken im Bayerischen Landesamt für Statistik, Professor Michael Fürnrohr. Teilt man 10,2 Millionen zu Befragende durch Sieben, ergibt sich statt 2,3 oder 2,5 Millionen die Zahl von rund 1,4 Millionen zu befragender Bayern. Wo kommen also beim Zensus die eine Million mehr her?
Große Gemeinden waren mit Zählverfahren beim Zensus 2011 unzufrieden
Die Ursache für das bayerische Übergewicht beim Zensus 2022 reicht in die Vergangenheit zurück. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2011 wurden nämlich unterschiedliche Zählverfahren für große Gemeinden ab 10 000 Einwohner und für kleine Gemeinden unter 10 000 Einwohner angewandt. Bei Ersteren wurden Haushaltsbefragungen auf der Basis von Stichproben gemacht. Fehlbestände oder Karteileichen wurden dann auf die gesamte Gemeinde hochgerechnet. Indessen durften kleine Gemeinden unter 10 000 Einwohner (und dazu gehören deutschlandweit knapp 90 Prozent aller Gemeinden) Fehler mit Hilfe gezielter Befragungen zur Klärung von Unstimmigkeiten richtigstellen.
Im Nachklapp zu diesen unterschiedlichen Verfahren klagten die Stadtstaaten Berlin und Hamburg vor dem Bundesverfassungsgericht wegen Ungleichbehandlung und daraus resultierender finanzieller Nachteile. Zwar wiesen die Karlsruher Richter die Klage der Stadtstaaten 2018 abund erklärten das 2011 angewandte Zählverfahren für verfassungskonform. Dennoch sei für den Zensus 2022 das Verfahren im Vergleich zu 2011 so angepasst worden, dass es für große Gemeinden gerechter werde, erklärt Fürnrohr. Das sei ein indirekter Auftrag des Gerichts an den Gesetzgeber gewesen.
Beim Zensus 2022 müssen jetzt auch in kleinen Gemeinden Stichproben gemacht werden
"Für den Zensus 2022 musste der Gesetzgeber jetzt quasi anordnen, dass nicht nur in großen, sondern auch in kleinen Gemeinden Stichproben gemacht werden", sagt Fürnrohr. Das Problem dabei: "Je kleiner die Gemeinde ist, umso mehr Leute muss ich befragen, um die gleichmäßig hohe Qualität der Einwohnerzahlen zu bekommen, die der Gesetzgeber fordert", so der Statistiker. Wolle man etwa belastbare Zahlen aus einer Gemeinde mit 1000 Einwohnern, müsse man dafür rund zwanzig Prozent der Bevölkerung befragen - während in einer Stadt wie München mit eineinhalb Millionen Einwohnern eine Befragung von rund vier bis fünf Prozent ausreiche.
Bayern hat extrem viele kleine Gemeinden
Und hier kommen jetzt die zusätzlichen Menschen aus dem Freistaat ins Spiel: "Bayern hat viel mehr Gemeinden als die meisten anderen Bundesländer - nämlich 2056. Rund 1800 dieser Gemeinden haben weniger als 10 000 Einwohner, müssen also umfangreich befragt werden. Das ist die Crux. Das fällt uns jetzt vor die Füße", sagt Fürnrohr. Der extrem hohe Anteil kleiner und kleinster bayerischer Gemeinden, in denen prozentual gesehen sehr viele Leute befragt werden müssen, sorge für das bayerische Übergewicht beim Befragtenanteil.
"Andere Bundesländer haben andere Strukturen", sagt Fürnrohr. Nordrhein-Westfalen beispielsweise habe mit 17 Millionen Einwohnern vier Millionen mehr als Bayern, weise aber nicht einmal 400 Gemeinden auf – im Gegensatz zu den 2056 Gemeinden, die sich der Freistaat leistet.