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Würzburg
Renommierter Wächterpreis für Main-Post-Reporter: Wie hartnäckiger Journalismus Vertrauen in die Demokratie schafft
Wer nutzt eigentlich unser Wasser? Was nach einer einfachen Frage klang, entpuppte sich als aufwändige Recherche. Die Journalisten bleiben weiter am Thema dran.
Über die Auszeichnung mit dem Wächterpreis der Tagespresse freuen sich die Main-Post-Journalisten Henrik Rampe (links), Angelika Kleinhenz und Jonas Keck.
Foto: Andreas Arnold, dpa | Über die Auszeichnung mit dem Wächterpreis der Tagespresse freuen sich die Main-Post-Journalisten Henrik Rampe (links), Angelika Kleinhenz und Jonas Keck.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 07.07.2024 02:34 Uhr

Wer in Unterfranken darf Grund- und Mainwasser nutzen? Diese Frage stand am Anfang der Recherchen, für die Main-Post-Redakteurin Angelika Kleinhenz (46) und ihre Kollegen Jonas Keck (28) und Henrik Rampe (28) jetzt mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet wurden. Bei einem Festakt im Römer, dem Rathaus in Frankfurt, nahmen die drei Reporter die renommierte Auszeichnung entgegen.

Welche Brisanz die Frage nach den Wasserentnehmern aus Industrie und Landwirtschaft entwickelt, habe sie doch überrascht, sagte Angelika Kleinhenz im Gespräch mit Moritz Döbler, dem Chefredakteur der "Rheinischen Post" (Düsseldorf) und Vorsitzenden der unabhängigen Jury. Kleinhenz und ihre Kollegen mussten schon bei Beginn ihrer Nachfragen feststellen, dass die Datenlage bei den Behörden in der Region voller Lücken ist.

Im Gespräch mit dem Jury-Vorsitzenden Moritz Döbler (rechts) erläuterten die Preisträger (von links) Angelika Kleinhenz, Henrik Rampe und Jonas Keck ihr Vorgehen bei den Recherchen zur Wasserentnahme in Unterfranken.
Foto: Michael Czygan | Im Gespräch mit dem Jury-Vorsitzenden Moritz Döbler (rechts) erläuterten die Preisträger (von links) Angelika Kleinhenz, Henrik Rampe und Jonas Keck ihr Vorgehen bei den Recherchen zur Wasserentnahme in Unterfranken.

Wenn aber niemand genau sagen kann, wer wie viel Wasser tatsächlich abpumpt, dann seien Kontrollen kaum möglich. Und dies ausgerechnet in einer Region, die im Dürresommer 2022 vielerorts aussah wie die "jordanische Steppe" (Kleinhenz), weil es drei Monate lang keinen Tropfen regnete. In manchen Gegenden galten bereits Beschränkungen beim Wasserverbrauch. So war es in Bad Königshofen im Landkreis Rhön-Grabfeld verboten, Sport- und Rasenflächen zu wässern, Autos zu waschen oder private Schwimmbecken mit Wasser zu befüllen.

Widerstand aus Politik und Behörden

"Das zeigte, wie relevant das Thema ist", betont Jonas Keck. Dennoch gab es zeitweise massiven Widerstand seitens Politik und Behörden, die vorhandenen Informationen zur Wassernutzung herauszugeben. Monatelang waren die Redakteurin und die Redakteure in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk damit beschäftigt, über Detail-Abfragen Datensätze zusammenzutragen, zu ordnen und am Ende transparent zu veröffentlichen.

Die Resonanz bei Leserinnen und Lesern fiel durchweg positiv aus, in der Politik indes äußerten einzelne Vertreter zunächst Zweifel an der Seriosität der Recherchen. Ein Bericht der Staatsregierung hat die Defizite mittlerweile bestätigt. Und in der Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg, dem größten Gemüseanbau-Gebiet in Unterfranken, sollen künftig die Brunnen der Landwirte mit digitalen Wasserzählern ausgestattet und die Grundwasserpegel besser überwacht werden.

"Hier zeigt sich, wie hartnäckiger, investigativer Journalismus eine konstruktive Entwicklung nehmen kann", sagt Main-Post-Chefredakteur Ivo Knahn. Am Thema "kontrollierte Wasserentnahme" komme die Politik in Bayern nun nicht mehr vorbei. Er freue sich, so Knahn, dass diese sehr aufwändige Main-Post-Recherche der Jury preiswürdig erschien. So werde das häufig verbreitete Klischee widerlegt, auch regionalen Medien ginge es im digitalen Zeitalter häufig nur darum, kurzfristig Aufregung und Empörung zu entfachen. Im Zuge der Wasserrecherche sind mittlerweile über 85 Beiträge erschienen.

Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen

Die Bedeutung von unabhängigem, investigativen Journalismus in Zeiten zunehmender Zweifel an "unserem freiheitlichen System" unterstrich bei der Feierstunde in Frankfurt auch Festredner Nathanael Liminski (CDU). Der unter anderem für Medien zuständige Staatskanzlei-Minister in Nordrhein-Westfalen, sagte, die Arbeiten der Preisträger straften all diejenigen Lügen, die behaupten, Politik und Medien arbeiteten Hand in Hand.

Gleichwohl sei es die gemeinsame Aufgabe von Politik und Journalismus, verloren gegangenes Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen, so Liminski. Studien zeigten, dass in Regionen, in denen keine Tageszeitung mehr erscheint, auch die demokratische Teilhabe schwinde. Deshalb sei er dafür, dass der Gesetzgeber Medienhäuser bei der Zustellung gedruckter Zeitungen unterstützt. Diskutiert wird unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer.

Gruppenbild der ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten mit dem Jury-Vorsitzenden Moritz Döbler (links), NRW-Minister Nathanael Liminski (Zweiter von links), der Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (Zweite von rechts) und dem geschäftsführenden Vorstand der Stiftung 'Freiheit der Presse' Gebhard Ohnesorge (rechts).
Foto: Holger Menzel, Stadt Frankfurt | Gruppenbild der ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten mit dem Jury-Vorsitzenden Moritz Döbler (links), NRW-Minister Nathanael Liminski (Zweiter von links), der Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig ...

Die Main-Post-Redakteure Angelika Kleinhenz und Jonas Keck sowie Henrik Rampe, der mittlerweile als freier Journalist unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und die "Zeit" recherchiert und schreibt, erhielten den dritten, mit 4000 Euro dotierten Wächterpreis, der alljährlich von der Stiftung "Freiheit der Presse" vergeben wird.

Erster Preis für Ahrtal-Recherchen

Der erste Preis, mit 10.000 Euro dotiert, ging an die Mainzer Landtagskorrespondenten Karin Dauscher ("Die Rheinpfalz"), Bastian Hauck ("Rhein-Zeitung"), Sebastian Stein (Trierscher Volksfreund") und Stefan Weber ("Allgemeine Zeitung"). In mehr als 100 Artikeln enthüllten sie behördliches und politisches Versagen im Zusammenhang mit der Ahrtal-Flut 2021, die 135 Menschen das Leben kostete.

Mit dem zweiten Preis, mit 6000 Euro dotiert, würdigte die Jury Nicola Maier und Vivian Pasquet von der "Süddeutschen Zeitung" für ihre Reportage über einen tödlich verlaufenen Notarzteinsatz bei einem sechs Monate alten Jungen. Der Text belegt, dass die Behandlung kleiner Kinder in der Notarztausbildung bislang kaum eine Rolle spielt.

 
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