
Wer in Bayern ein Recht auf Grundwasser hat? Für die Öffentlichkeit ist das ein gut gehütetes Geheimnis. Mit der Erlaubnis der Behörden dürfen Entnehmer gebührenfrei Wasser aus dem Boden pumpen. Doch welche Firma wie viel Wasser verbrauchen darf, ist intransparent. Erstmals zeigen jetzt gemeinsame Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Main-Post, welche Wirtschaftszweige in Unterfranken die größten Entnahmerechte besitzen und welche Firmen dahinterstehen.
Die beiden Redaktionen trugen Daten aus Auskünften des Umweltministeriums, der unterfränkischen Wasserwirtschaftsämter, den Landratsämtern und den kreisfreien Städten zusammen. Diese Daten wurden mit dem bislang nicht veröffentlichten Bericht über "Wasserentnahmen in Unterfranken" verglichen, den das bayerische Umweltministerium im Februar für die Abgeordneten des Landtags verfasste.
Parallel versandte das Recherche-Team einen Fragebogen an alle großen Wasserentnehmer in Unterfranken – und stießen auf fehlerhafte Einträge oder Widersprüche. Viele Angaben konnten die zuständigen Behörden auf Nachfrage korrigieren. Vollständigkeit kann aber aufgrund der unübersichtlichen Datenlage nicht garantiert werden.
Der Überblick:
Wie viele große Wasserentnehmer gibt es in Unterfranken?
Insgesamt gibt es in Unterfranken knapp 2000 Wasserrechte. Darunter sind 70 große Rechte für 60 Entnehmer, die jährlich mehr als 100.000 Kubikmeter Wasser aus der Natur pumpen dürfen. Knapp 40 dieser großen Rechte beziehen sich auf das Grundwasser, etwa 30 auf den Main oder kleinere Flüsse und Seen.
Wer mehr als 100.000 Kubikmeter Wasser abpumpen darf, gilt als Großentnehmer. Ab dieser Wassermenge besteht in Bayern eine gesetzliche Pflicht, den Behörden einmal im Jahr mitzuteilen, wie viel Wasser tatsächlich entnommen wurde. Vergleichbare Auflagen gelten auch für kleinere Entnahmen.
Die Großentnehmer sind vor allem Industriebetriebe, aber auch Kommunen und landwirtschaftliche Bewässerungsverbände.
Wie viel Grundwasser dürfen die Großentnehmer in Unterfranken abpumpen?
"Es gibt zwar eine Vielzahl an Entnahmen, doch nur wenige große Entnehmer, die aber einen Großteil des Wassers nutzen", sagt Birgit Imhof, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen. "Unterfrankenweit machen die Großentnehmer etwa 95 Prozent der gesamten genehmigten Entnahmemenge aus." Allein aus dem Grundwasser dürfen sie der Datenauswertung von Main-Post und BR zufolge rund 30 Millionen Kubikmeter jährlich abpumpen.

Das heißt nicht, dass sie diese Menge auch tatsächlich nutzen. Gerade große Entnehmer schöpfen die genehmigten Mengen oft nicht aus. Dies geht aus den Antworten der Firmen hervor, die einen Fragebogen des Rechercheteams zu ihrer Wassernutzung beantwortet haben - viele offen und transparent.
Welche Branchen dürfen am meisten Grundwasser abpumpen?
Etwa die Hälfte des genehmigten Grundwassers für die Großentnehmer teilen drei Akteure aus der Chemie- und Kunststoffindustrie unter sich auf: Mainsite und Mikrotechnik im Lkr. Miltenberg sowie RPC Formatec im Lkr. Rhön-Grabfeld.
- Mainsite, Betreiber des Industriecenters Obernburg, hat eine Erlaubnis für 14 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr. Auf dem Gelände des Industriecenters im Landkreis Miltenberg befinden sich mehr als 30 Firmen, unter ihnen große Chemiefaser-Hersteller, die auf dasselbe Wasserrecht zugreifen. Ein Großteil dieses Wassers wird zuvor aus dem Fluss Elsava entnommen, ins Grundwasser infiltriert und anschließend aus Brunnen wieder an die Erdoberfläche gepumpt.
- Die Papierfabriken Palm in Eltmann im Landkreis Haßberge und Fripa in Miltenberg, dürfen zusammen fast 5 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr entnehmen.
- Rund 2 Millionen Kubikmeter Grundwasser entfallen auf große Entnahmerechte in Landwirtschaft und Weinbau. Für diese Rechte haben sich oft mehrere Bauern oder Winzer zu Beregnungsvereinen zusammengeschlossen.
- Die Lebensmittelindustrie kann knapp 2 Millionen Kubikmeter verwenden. Das größte Wasserrecht hält das Danone-Werk in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg).
- Etwa 1,6 Millionen Kubikmeter Grundwasser dürfen sieben Getränkehersteller entnehmen, Brauereien und Mineralwasserhersteller.
Welche Folgen haben die Entnahmen aus dem Grundwasser?
In weiten Teilen Bayerns ist die Grundwasserneubildung in den vergangenen zehn Jahren gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 um rund 20 Prozent zurückgegangen, sagt der Augsburger Hydrologe Prof. Harald Kunstmann. "Vielerorts hatten wir sehr tiefe und sogar historisch tiefste Grundwasserstände. Franken ist besonders trocken. Gleichzeitig wissen wir immer noch viel zu wenig über die Gründe des Rückgangs."

Grundwasser sei eine der wertvollsten Ressourcen überhaupt, sagt Kunstmann. Werde diese Ressource temporär und regional knapp, entstünden Konflikte. Wasserrechte müssten deshalb in Zukunft mit einbeziehen, "ob wir uns gerade in einer Dürre befinden oder ob die Natur die Entnahme gar nicht sonderlich spürt". Bei einem Wassernotstand müssten Entnahmen vorübergehend eingeschränkt werden können, fordert der Hydrologe – "auch wenn dazu Rechtsgrundlagen geändert werden müssen".
Was hat Vorrang, wenn es zu Konflikten um Wasserrechte kommt?
"Die öffentliche Wasserversorgung hat höchste Priorität", sagt Birgit Imhof, Leiterin des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen. Vor jedem Wasserrecht prüfe die Behörde für den Einzelfall: "Könnte eine zusätzliche Entnahme an dieser Stelle einer Trinkwasserversorgung das Wasser abgraben? Könnte sie grundwasserabhängige Ökosysteme, wie Auenbereiche, Wälder oder Moore beeinträchtigen?", erklärt Benjamin Schulz, Fachbereichsleiter für Wasserversorgung, Grundwasser und Bodenschutz.

Jane Korck leitet das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg. Sie sagt, in ihrem Amtsbezirk liegen die großen Industriebetriebe überwiegend am Main und entnehmen Mainwasser. Die Landwirtschaft benötige das Wasser in der Fläche. Meist stehe dort weniger Wasser in der Natur zur Verfügung. Klaus Maslowski, Fachbereichsleiter für technische Gewässeraufsicht in ihrem Amt, ergänzt: In der Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg beispielsweise könne sich kein Industriebetrieb mit hohem Wasserbedarf mehr ansiedeln. Sonst würden sich Industrie und Landwirtschaft tatsächlich Konkurrenz ums Wasser machen.
Die Autoren und die Recherche

