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Würzburg
Razzia bei Bordell-Betreibern aus Würzburg: Land Berlin entschuldigt sich und zahlt 250.000 Euro
Sieben Jahre nach der spektakulären Durchsuchung im Großbordell "Artemis" muss sich die Berliner Justiz entschuldigen. Wer das Geld aus dem Vergleich erhalten soll. 
Völlig überzogen und reißerisch: Als Flop erwies sich die Razzia von 2016 im Berliner Großbordell 'Artemis'. Sieben Jahre später entschuldigt sich die Berliner Senatsverwaltung bei den zwei aus Würzburg stammenden Betreibern falsche Verdächtigungen der Staatsanwaltschaft.
Foto: Paul Zinken/dpa | Völlig überzogen und reißerisch: Als Flop erwies sich die Razzia von 2016 im Berliner Großbordell "Artemis". Sieben Jahre später entschuldigt sich die Berliner Senatsverwaltung bei den zwei aus Würzburg stammenden ...
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.06.2023 02:26 Uhr

Der neu gewählte Berliner Senat hat sich bei zwei Bordell-Betreibern aus Würzburg für falsche Verdächtigungen im Jahr 2016 entschuldigt. Damals hatte ein Staatsanwalt bei der spektakulären Durchsuchung des Berliner Bordells "Artemis" die beiden festgenommenen Brüder aus Unterfranken mit dem US-Mafioso Al Capone verglichen und von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Jetzt steht fest: Diese und andere falsche Beschuldigungen kosten das Land Berlin sieben Jahre später eine Viertelmillion Euro .

Bordellbesitzer wollen Geld für krebskranke Kinder spenden

Die Besitzer des Großbordell, die ursprünglich sogar 1,5 Millionen gefordert hatten, wollen das Geld für krebskranke Kinder spenden. Dies hatten ihre Verteidiger, darunter die Würzburger Anwälte Norman Jacob und Jan Paulsen, schon einiger Zeit gegenüber dieser Redaktion betont.

Der Berliner Senat zieht damit nach jahrelangem Widerstand den Schlussstrich unter den Streit um das peinliche Fehlschlagen einer völlig überzogene Razzia. Die Durchsuchung hatte - mitten im Kommunalwahlkampf 2016 - den Beweis liefern sollen , dass die Justiz energisch gegen ausufernde Clan-Kriminalität vorgeht - offenbar am ungeeigneten Beispiel.

Keine Beweise für Steuerhinterziehung oder organisierte Kriminalität

Die Durchsuchung vor laufenden Kameras von "zufällig" anwesenden TV-Sendern ergab keine Beweise für organisierte Kriminalität, Zwangsprostitution oder Steuerhinterziehung. Die Beamten hatten die Privatwohnungen der Betreiber durchsucht - auch in Würzburg. Familienangehörige sahen sich heftigen öffentlichen Vorverurteilungen ausgesetzt.

Die Ermittlungen wurden eingestellt, die Betreiber aus U-Haft wieder freigelassen. Das Kammergericht Berlin verurteilte das Land wegen der "schuldhaft amtspflichtswidrigen", vorverurteilenden und überzogenen Äußerungen der Staatsanwaltschaft 2016 im vergangenen Dezember zur Zahlung von 100 000 Euro Schadenersatz. In einem weiteren Prozess klagten die Bordell-Betreiber auf Entschädigung für die Zeit in der Untersuchungshaft.

Doch die Justiz verweigerte hartleibig eine öffentliche Entschuldigung. Das änderte sich nach der Neuwahl.

Jetzt doch: Öffentliche Entschuldigung und ein Vergleich

"Das Land Berlin entschuldigt sich für die Untersuchungshaft und die erheblichen Nachteile, die die damals Beschuldigten durch die Durchsuchung, die Untersuchungshaft, die Anklageerhebung und die Äußerungen der Staatsanwaltschaft erlitten haben", heißt es in einer Mitteilung der Senatsjustizverwaltung. Vor dem Kammergericht sei ein Vergleich geschlossen worden, mit dem der komplette Rechtsstreit abgeschlossen sei. 

Ermittler in Würzburg hatten nach der Großrazzia in Berlin sofort ihre Zweifel geäußert. Sie kannten die früheren Geschäfte der Brüder, die mit Spielautomaten und einem Casino in der Nürnberger Straße in Würzburg lange Jahre anstandslos Geschäfte gemacht hatten. Einem Ermittler zufolge hatten die Brüder 2005 vor der Eröffnung des "Artemis" ihr Geschäftsmodell mit bezahltem Sex in Berlin bei Finanz- und Ermittlungsbehörden prüfen lassen.

Namens der "Artemis"-Anwälte wertete Margarete Gräfin von Galen die Einigung jetzt dieser Redaktion gegenüber als "ein gutes Signal für einen letztlich doch funktionalen Rechtsstaat".

 
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  • andreas_gerner@gmx.de
    Schon bedenklich,

    dass die Behörden erst dann Gesetz und das rechtskräftige Gerichtsurteil umsetzen (dürfen?), wenn Rot-Rot-Grün abgewählt wurden...
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  • dr.marko.pfister@t-online.de
    Schade, dass es in der Journalistik üblich ist zu schreiben:
    "Dies kostet das Land Berlin eine viertel Million Euro."
    Die Viertelmillion ist gut hervorgehoben.
    Hervorgehoben werden könnte auch, dass wir Steuerzahler diese Viertelmillion übernehmen.
    Berlin ist weit weg - nein! Auch wir kommen für die Viertelmillion auf.
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  • franz-barthel@t-online.de
    Ein Freudenhaus als "blaue Pille" für den Rechtsstaat

    Gut, dass es Freudenhäuser wie das "Artemis" in Berlin gibt, denn, ich nehme Bezug auf die Aussage einer Verteidigerin: Sonst könnten wir gar nicht sicher sein, ob der Rechtsstaat überhaupt noch funktioniert. Anders gesagt: Jeder, der ins Artemis ging, hat mit dazu beigetragen, auch wenn er daran überhaupt nicht dachte, dass der Rechtsstaat gestärkt wird: Nebenwirkung von Puff-Besuchen, obwohl
    die Interessen der Kunden thematisch tiefer lagen, ohne Bezug zur Situation des Rechtsstaates ...
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  • d.temming@gmx.de
    Rollen da eigentlich jetzt Köpfe? Immerhin muss der Steuerzahler für die Gutmachung aufkommen... So wie ich unseren Staat kenne, geht das schon in Ordnung, ist ja nicht deren Geld.
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  • lausdeandl@yahoo.de
    Und außerdem ist das ja auch kein Berliner Geld. Über den Länderfinanzausgleich zahlt Bayern den Großteil!
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Ich will keine Staatsbedienstete die Angst vor Groẞverdienern haben und dann nur bei den "Kleinen" kontrolliert. Vor dem Gesetz sind alle gleich und wenn jedesmal bei einem Fehler ein Kopf rollt, sind die Ämter bald leer.
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  • manfred-englert@hotmail.de
    Gut so. Hat also die CDU geführte Landesregierung Berlin den ersten Wirkungstreffer gesetzt!
    Ich denke, diese Regierung/Senat wird in dieser Zweier Koalition effizienter und bürgerfreundlicher agieren können, ohne ideologische "Wackersteine"mit sich herum zu schleppen.
    Ich hoffe auf Abschaffung von §7 LDAG des durch Druck von Links/Grün zustande gekommenen Landesantidiskriminierungsgesetzes, in welchem der der Diskriminierung Beschuldigte beweisen muß, nicht diskriminiert zu haben. Dies widerspricht m M nach unserer Rechtsauffassung.
    Wird ein Beamter/Verwaltungsangestellter der Diskriminierung bezichtigt, und das evtl gezielt mehrmals hintereinander, besteht die Gefahr, daß dieser zB seine Kontrolltätigkeiten
    einstellen wird. Ergo: Um Schwierigkeiten bei der Aufgabenerfüllung auszuschließen wird
    dieser Angeste./Bea eher die Augen zumachen, als beweisen zu müssen, nicht diskriminiert zu haben. Wenn es so kommen sollte, wären wir bei Zuständen wie damals in der Rep Weimar.
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  • dietmar@eberth-privat.de
    "Ich hoffe auf Abschaffung von §7 LDAG"

    Was hat das LDAG mit dem Fall zu tun? Das LDAG gilt erst seit 2021. Vermutlich hätte man dadurch nicht 7 Jahre lang (seit 2016) sinnlos Berliner Gerichte beschäftigt?
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  • manfred-englert@hotmail.de
    Geehrter Mpostl, die Abschaffung dieser Grünen Errungenschaft, wäre der 2. Wirkungstreffer der neuen Regierung. Und der wäre nötig. Vermutlich für Sie nicht, aber das ist Ihre Sache..
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Wenn Sie sich mal nicht täuschen. Erklärung des neuen Bürgermeisters:
    https://www.berlin.de/rbmskzl/regierender-buergermeister/senat/richtlinien-der-politik/
    "Der Senat begrüßt die Einsetzung einer Enquete-Kommission gegen Rassismus und Diskriminierung durch das Abgeordnetenhaus die in Gesellschaft und Behörden eingesetzt wird und unterstützt deren Arbeit, um unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Expertinnen und Experten strukturellen Rassismus und Diskriminierungen in Gesellschaft und staatlichen Einrichtungen aufzudecken und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
    Das Landesantidiskriminierungsgesetz wird angewandt und fortentwickelt. "
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  • Einwohner
    Berlin ist einfach eine verlorene Stadt. Offensichtlich auch nicht nur die Politiker dort, sondern auch die Verwaltung, oder?
    Es gäbe sicher genug Beispiele dort für Clan-Kriminalität. Nicht mal das bekommt man hin, sich einen echten Fall herauszusuchen.
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  • manfred-englert@hotmail.de
    @Einw: Genau das ist so ein Fall. Beispiel Hausdurchsuchung bei einer der bekannten Familien Clans, egal wie diese alle heißen. Schreit der rum "Diskriminierung", muß der bezichtigte Polizeibeamte, Staatsanwalt oder neutrale Zeuge beweisen, dies nicht getan zu haben.
    In WÜ gab es mal einen "Hundekampfveranstalter", der illegale Kämpfe mit Wetten veranstaltete. Wenn der im Straßenverkehr durch Pol Bea kontrolliert wude, gab der sofort eine Dienstaufsichtsbeschwerde ab. Zum "größten Vergnügen" des Kontolleurs.
    Sehr unangenehm; beim nächsten Mal kontrolliert der halt nicht mehr! Und wenn du dann eine rot/rot/grüne Regierung als obersten Dienstherrn hast??
    Ich hoffe, der CDU Bgm kann was retten!
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Um die "Familien Clans" muss man sich nicht kümmern, die haben sich schon immer mit den besten Anwälten wehren können. Auch schon vor dem LDAG.
    Es geht um den "kleinen Bürger" der keine Chance hat sich gegen den überbordenden Staat zu wehren wenn er sich diskriminiert fühlt. Das ist ähnlich wie bei Ärztefehlern "eine Krähe hakt der anderen kein Auge aus"
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