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Würzburg/Berlin
Berlin muss Würzburger Bordell-Betreibern mehr als 100.000 Euro Entschädigung zahlen – die wollen das Geld spenden
Weil die Staatsanwaltschaft sie vorverurteilend in die Nähe des organisierten Verbrechens gerückt hat, bekommen die Betreiber nun Schadenersatz. Was sie mit dem Geld machen.
Nach einer Razzia im April 2016 mit Hunderten Einsatzkräften hatte die Staatsanwaltschaft unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Die Vorwürfe fielen jedoch in sich zusammen.
Foto: Paul Zinken, dpa | Nach einer Razzia im April 2016 mit Hunderten Einsatzkräften hatte die Staatsanwaltschaft unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Die Vorwürfe fielen jedoch in sich zusammen.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:35 Uhr

Nach einer Razzia im Berliner Großbordell "Artemis" im April 2016 muss das Land Berlin Schadenersatz an die beiden aus Würzburg stammenden Betreiber bezahlen. Das hat das Berliner Kammergericht am Dienstag im Berufungsprozess entschieden und den beiden Klägern Hakki und Kenan S. jeweils 50.000 Euro nebst Zinsen zugesprochen.

Anklage wurde 2018 nicht zugelassen

Hintergrund sind Äußerungen der Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz kurz nach der Durchsuchung. Diese seien zum Teil unzutreffend und vorverurteilend gewesen, begründete das Gericht. Die Behörde hatte unter anderem von Verbindungen zur organisierten Kriminalität gesprochen. Die Vorwürfe waren jedoch in sich zusammengefallen, eine Anklage wurde 2018 nicht zugelassen.

"Die Vertreter des Landes Berlin haben die rechtliche Situation in diesem Verfahren von Beginn an eklatant falsch eingeschätzt", sagte der Anwalt der Kläger, Ben M. Irle. Das Land Berlin habe die Chance verpasst, im Rahmen eines Vergleichs "die offensichtlichen und schweren Fehler der Staatsanwaltschaft einzugestehen".

Land Berlin hätte mit einem Viertel der Strafe davonkommen können

Tatsächlich hätte Berlin deutlich günstiger davonkommen können. Um den Streit beizulegen, hatte das Gericht einen Vergleich vorgeschlagen, bei dem das Land 25.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation hätte spenden müssen. Die zuständige Justizverwaltung erachtete die Entschädigung jedoch als zu hoch und lehnte das Angebot ab. Man sei "haushalterisch nicht in der Lage, jeden Betrag zu zahlen", erklärte eine Sprecherin.

"Uns ging es nie um Geld, sondern immer um unser Recht."
Hakki und Kenan S.

Nun wurde es für das Land Berlin also viermal so teuer: Bei sofortiger Zahlung sind inklusive Zinsen exakt 100.941 Euro fällig. Den ihnen zugesprochenen Schadenersatz wollen Hakki und Kenan S. "in voller Höhe" spenden, wie sie der Redaktion mitteilten. Es solle der Erforschung von Grundlagen und für die Behandlung von an Krebs erkrankten Kindern in Berlin eingesetzt werden.

"Uns ging es nie um Geld, sondern immer um unser Recht", erklärten Hakki und Kenan S. in einer Mitteilung. "Wir wollten, dass jemand anerkennt, dass das, was uns durch das unzulässige Vorgehen von Polizei und Ermittlungsbehörden widerfahren ist, nicht rechtens war." Das hätten sie mit dem "klaren Urteil des Kammergerichts Berlin erreicht".

 
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  • kej0018@aol.com
    @Eos123456 und o104

    Bei Bordellbetreibern würde ich nicht unbedingt mit den Begriffen Anstand und Ehre winken... Ist wohl auch ein geschicktes Marketing.
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  • Eos123456
    Möglich, aber auf die Schnelle fallen mir jetzt nicht viele Namen von Moralaposteln aus Politik, Wirtschaft und Kultur ein, die in einer ähnlichen Lage ähnlich gehandelt hätten.
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  • kej0018@aol.com
    @Eos123456
    Bislamg wurde eine Spende ja auch nur angekündigt...
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  • olivergehrsitz@web.de
    Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft haben die Betreiber wirklich noch Anstand.
    Ich hoffe dieses Desaster kostet dieser Staatsanwältin den Job. Solche Leute sind absolut nicht geeignet für den Staatsdienst!
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  • p-koch-dettelbach@t-online.de
    Na ja. Ich würde sagen, dass die Betreiber sich in diesem Fall sehr anständig verhalten haben. Lieber wäre mir allerdings wenn sie ihr Geld mit dem Verkauf guter Lebensmittel verdienen würden.
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  • Eos123456
    Allen Respekt vor den Etablissement-Betreibern. Die haben noch Ehre.
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  • familie.diener@gmx.net
    Von den Verantwortlichen im Rathaus Berlin und auch was das Bundesland betrifft , hat man
    sehr selten etwas positives gehört.
    Sind nur absolute Spitze im Geld ausgeben und verschwenden traurig
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  • ra.kellermann@gmx.de
    es wäre halt schön, wenn Staatsdiener die Mist bauen auch persönlich in Haftung genommen werden...
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Zitat: "Tatsächlich hätte Berlin deutlich günstiger davonkommen können."

    ...ist doch gar nicht nötig, wenn Berlin Geld braucht und das vorhandene zum Fenster rauswirft müssen andere Bundesländer stramm stehen!
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