
Endlich Urlaub, endlich raus aus dem Alltagstrott. Und vor allem endlich Erholung nach den langen Monaten mit Corona-Sorgen und Einschränkungen. Doch was tun, wenn die Gedanken im Kopf weiter kreisen? "Probieren Sie im Urlaub Dinge aus, die nichts mit der Arbeit zu tun haben und die Sie auf andere Weise fordern", rät Psychologe Dr. Sebastian Seibel von der Universität Würzburg. Der Wissenschaftler forscht im Bereich Arbeits- und Organisationspsychologie seit Jahren über das Zusammenspiel von Arbeit und Erholung. Hier gibt Seibel sieben Tipps, wie das Abschalten in den Ferien gelingt.
1. Alle Punkte auf der To-do-Liste vorher erledigen
Wichtige Aufgaben sollte man möglichst noch vor dem Urlaub erledigen, sagt Sebastian Seibel. "Komplett Unerledigtes behindert die Erholung." Denn es bleibt im Hinterkopf, man denkt weiter darüber nach. Schafft man nicht alle Punkte der To-do-Liste vor dem Start in die freie Zeit zu erledigen, empfiehlt der Psychologe, einen Teil an einen Kollegen oder eine Kollegin weiterzugeben - oder sich die Frist zum Erledigen bis mehrere Tage nach dem Urlaub verlängern zu lassen.
2. Den ersten Urlaubstag als Puffer einplanen
Idealerweise startet die Urlaubsreise nicht gleich am ersten freien Tag. "Man sollte sich ein bisschen Zeit einplanen, damit man nicht zusätzlich zum Endspurt im Job noch Koffer packen und den Reisepass suchen muss", rät Seibel. Gerade vor Fernreisen oder langen Autofahrten sei so ein Puffertag zwischen Arbeit und Ferienbeginn entlastend.
Generell gilt: "Man kann die Arbeit nicht von jetzt auf gleich mental hinter sich lassen – das Abschalten dauert." Erst nach etwa drei bis vier Tagen komme man wirklich im Urlaubsmodus an, sagt Seibel, "dann stellt sich ein höheres Wohlbefinden als im Arbeitsalltag ein".
3. Neue Erfahrungen sammeln, die nichts mit der Arbeit zu tun haben
Raus aus dem Hamsterrad, auf andere Gedanken kommen, die Seele baumeln lassen. Das klingt alles gut – nur wie schaltet man im Kopf auf Freizeit um? "Probieren Sie im Urlaub Dinge aus, die nichts mit der Arbeit zu tun haben und die Sie auf andere Weise fordern", sagt Seibel. Das könnten sportliche Aktivitäten wie Wandern oder Radfahren sein, aber auch Entspannendes. Also einfach mal am Strand oder am Badesee zu liegen und zu lesen. "Alleine der Aspekt, dass es eine andere Tätigkeit als im Alltag, als normalerweise ist, trägt dazu bei, dass man sich gedanklich nicht mehr auf den Beruf fokussiert."
4. Sich kleinen Herausforderungen stellen und den Tag selbst einteilen
Zwei weitere Erfahrungen stufen Psychologen noch als erholungsfördernd ein. Zum einen das sogenannte Erfolgserleben: "Dabei geht es um kleine Ziele oder Herausforderungen, die man sich im Urlaub sucht", sagt Seibel. In einer fremden Sprache das Essen bestellen, eine neue Sportart wie Surfen ausprobieren oder "einfach ein Buch zu einem Thema lesen, von dem man keine Ahnung hat". Dadurch erkenne man, was für Fähigkeiten man neben der beruflichen Tätigkeit noch hat. Diese Selbstbestätigung trage zur Erholung bei.

Gleiches gelte für das Gefühl, selbstbestimmt zu leben und die Kontrolle zu haben. Anders als an Arbeitstagen sollte man freie Tage deshalb selbst einteilen und je nach Laune Aktivitäten aussuchen können, sagt Seibel. "Bei Familienurlauben erfordert das natürlich ein gewisses Maß an Abstimmung."
5. Das Handy weniger nutzen oder komplett ausschalten
"Wenn man das Smartphone beruflich nutzt, kann das im Urlaub belastend sein", sagt Seibel. Um nicht auch noch am Strand ständig von eingehenden Mails gestört zu werden, helfe es, eine Abwesenheitsnotiz zu aktivieren – oder das Diensthandy zuhause zu lassen.
Und was ist mit Instagram, Facebook und Co.? "Sicher ist es eine gut Idee, die sozialen Medien mal zwei, drei Tage wegzulassen und zu probieren, wie es einem damit geht", sagt Seibel. Generell verteufeln will er die sozialen Kanäle aber nicht: Natürlich trage es zur Erholung bei, im Urlaub alles hinter sich zu lassen und keine Posts und Nachrichten aus dem Alltag zu lesen. "Gleichzeitig ist es für Menschen aber wichtig, schöne Ereignisse mit Freunden und der Familie zu teilen und über das Erlebte zu berichten."
6. Nicht zu viele Termine und Vorhaben auf einen Tag legen
Einfach mal nichts tun? Von Museum zu Galerie schlendern? Oder beim Sport auspowern? Was das psychologische Wohlbefinden angehe, sei keine Aktivität oder Erholungsart den anderen überlegen, sagt der Experte. Ein sportlicher Wandertag oder Kulturausflug könne genauso entspannend oder erholsam für die Psyche sein, wie ein Tag am Strand. "Da sollte jeder schauen, was zu ihm persönlich passt." Wichtig ist, dass man nicht zu viel macht: "Man sollte nicht das Gefühl haben, von Termin zu Termin zu hetzen".
7. Mehrere kurze Urlaube über das Jahr verteilen
Die schlechte Nachricht: Untersuchungen hätten gezeigt, dass die Erholung nach dem Urlaub nur etwa zwei Wochen anhalte, sagt Seibel. "Aus psychologischer Perspektive ist es daher sinnvoll, mehrere kleine Urlaube über das Jahr verteilt zu planen." Zwar baue sich während einer langen Auszeit eine größere Distanz zum Beruf auf. Aber am Ende sei man genauso schnell im Arbeitsmodus zurück wie nach einer kurzen Reise.
Um nach den Ferien also nicht sofort wieder im Hamsterrad zu landen, rät Seibel, den ersten Arbeitstag nicht auf einen Montag zu legen. Wer am Dienstag oder Mittwoch starte, habe eine verkürzte Woche vor sich. "Und man sollte sich bewusst machen, dass man nicht alles am ersten Tag erledigen kann, was im Urlaub angefallen ist."
Viel klüger ist es die Arbeitsbelastung kreativ selbst ein wenig zu entzerren oder sich nach Wegen zu einem vorzeitigen Ausstieg aus der Arbeitswelt umzusehen.
Wer sich immer nur mit kurzen Regenerationspausen durch die Arbeitsjahre bis zum regulären Ruhestand hangelt, ist am Ende oft verbraucht und abgearbeitet und hat die besten Jahre verschenkt.