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Würzburg/Rottendorf
Prozess um Drogenhandel in Entzugsklinik: Wie sich das Landgericht Würzburg bei der Wahrheitsfindung abmüht
Das Verfahren gegen fünf mutmaßliche Drogendealer geht nur quälend langsam voran. Das liegt nicht allein am Ausweichquartier in Rottendorf und den Tücken der Mikrofone.
Eine Aufnahme vom Auftakt im Januar: Der Prozess gegen fünf mutmaßliche Drogendealer am Landgericht Würzburg ist aus Platzgründen an den Wöllrieder Hof in Rottendorf verlegt. 
Foto: Manfred Schweidler | Eine Aufnahme vom Auftakt im Januar: Der Prozess gegen fünf mutmaßliche Drogendealer am Landgericht Würzburg ist aus Platzgründen an den Wöllrieder Hof in Rottendorf verlegt. 
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:50 Uhr

Manche Beobachter sagen, das einzig Gute am aktuellen Würzburger Strafprozess gegen fünf mutmaßliche Drogendealer sei der Kaffee in den Verhandlungspausen. Statt aus dem Münzautomaten im Justizzentrum in Würzburg kommt er am Wöllrieder Hof serviert von einer freundlichen Bedienung. Ansonsten aber, so der Eindruck, lässt sich diesem Prozess bislang wenig Gutes abgewinnen, der sich im Ausweichquartier des Landgerichts in Rottendorf (Lkr. Würzburg) von Verhandlungstag zu Verhandlungstag quält. Seit Wochen schon.

Wichtige Fragen vor Gericht weiter ohne Antwort

Immer wieder drängt das Gericht um den Vorsitzenden Richter Konrad Döpfner bei Angeklagten und Zeugen hartnäckig, aber vergeblich auf plausible Antworten zu heiklen Fragen: Wie sind verurteilte Straftäter an Handys gekommen? Und wie konnten sie - ausgerechnet unter Hafterleichterungen in einer Entzugsklinik in Lohr (Lkr. Main-Spessart) - offenbar ungestört Drogen bestellen und bis nach Aschaffenburg und Augsburg weiterverkaufen? 

Und wie schmuggelten Therapie-Abbrecher ihr Rauschgift bei der Rückkehr aus dem Bezirkskrankenhaus ins Gefängnis nach Würzburg ein? "Warum fällt das bei Kontrollen nicht auf?",  fragt der Vorsitzende mehrfach.

Wegen Fluchtgefahr: Hauptangeklagte bleiben in Ketten

Die Anklagebank ist so lang wie das Thema ausufernd: An acht Tischen sitzen in zwei Reihen fünf Beschuldigte mit bis zu 26 Jahren Suchterfahrung, dazu neun Anwälte und eine Dolmetscherin. Der  Prozess in der Rottendorfer Festhalle war ein Zugeständnis an die abklingende Corona-Phase. Im Justizgebäude in der Ottostraße ist angesichts der Zahl der Beteiligten selbst im großen Sitzungssaal nicht ausreichend Platz.

Die Angeklagten werden teils mit Fußketten hereingeführt. Vorsichtshalber bleiben sie bei den beiden mutmaßlichen Haupttätern auch beim Toilettengang in den Pausen angelegt. Eine Flucht wie zuletzt aus Gerichten in Regensburg oder Coburg soll hier nicht möglich sein.

Zeugen verstehen Fragen nicht - oder fabulieren

Angesichts der drohenden langen Haftstrafen fallen die Angeklagten indes nicht durch übergroßen Bekennermut auf. Zäh muss ihnen das Gericht mithilfe von Zeugen seitenweise abgehörte Telefonate und Sprachnachrichten vorhalten. Ein schon verurteilter Mittäter versteht fast keine Frage des Gerichts – oder will sie nicht verstehen? Ein zweiter erzählt jetzt im Zeugenstand eine ganz andere Geschichte als in seinem eigenen Prozess. Einer fabuliert, er habe "Stoff" per Taxi aus Kitzingen geholt und konspirativ in einem Hauseingang in Würzburg versteckt. Und will da geduldig gewartet haben, bis ein Kurier die Tüte holt. Wie lange? "Ein paar Wochen!"

Ein Angeklagter wirft dem Gericht bald diesen, bald jenen Brocken der angeblichen Wahrheit vor. Ein anderer verschiebt ein Geständnis von Prozesstag zu Prozesstag. Und wenn dann doch einmal eine brauchbare Antwort kommt, ist die Akustik in der weitläufige Halle der Wahrheitsfindung nicht unbedingt förderlich. Zwei Mikrofone werden ständig zwischen 15 Menschen hin und her gereicht, die sich mit der Handhabung schwertun: Mal rauscht und pfeift es beim Reden, mal bleibt das Mikro stumm, dann wieder sind Frage und Antwort nicht zu verstehen. Von der gesetzlich geforderten Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ist in solchen Momenten nicht viel übrig.

Weitere Beweisaufnahme - und Rückkehr ins Strafjustizzentrum in Würzburg

Dabei wundert man sich angesichts der bisherigen Beweisaufnahme, wie die Täter so lange scheinbar ungestört agieren konnten: Mal "zwickte" ein Kurier von der Ware eine Portion für sich ab. Mal war der Stoff offenbar so schlecht, dass der Abnehmer keinerlei Wirkung spürte. Dann wurde einer verhaftet, als gerade die großen Geschäfte im Kilobereich anliefen. Die Bande ahnte nicht, dass sie längst aufgeflogen war, ihre Telefonate  mitgehört und ihre Kuriere festgenommen wurden.  Insgesamt stellten die Zollfahnder über 5,5 Kilogramm Amphetamin, 240 Gramm Ecstasy und knapp 550 Gramm Haschisch sowie Kleinmengen Heroin sicher.

Ob das Gericht an den verbleibenden zwei Tagen der Beweisaufnahme Antworten auf die  entscheidenden Fragen bekommt? Sicher ist, dass der Prozess nicht am Wöllrieder Hof enden wird. Die Räume des Ausweichquartiers sind nur noch bis Mitte März gemietet. Mit einem Urteil wird im April gerechnet.

 
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