zurück
WÜRZBURG/EL ARENAL
Prozess in Würzburg um Schlägerei auf Mallorca ist geplatzt: Große Unzufriedenheit bei allen Beteiligten
Nach einer Party sollen Studenten aus Würzburg zwei Polizisten verletzt haben. Die entscheidende Frage bleibt vor dem Landgericht Würzburg unbeantwortet – vorerst zumindest.
Weil der Prozess am Montag ausgesetzt wurde, werden zwei Würzburger Studenten voraussichtlich im Frühjahr 2023 erneut vor Gericht stehen.
Foto: Thomas Obermeier | Weil der Prozess am Montag ausgesetzt wurde, werden zwei Würzburger Studenten voraussichtlich im Frühjahr 2023 erneut vor Gericht stehen.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:48 Uhr

Zur Enttäuschung aller Beteiligten geht das Berufungsverfahren um zwei Würzburger Studenten, die auf Mallorca zwei deutsche Polizisten verprügelt haben sollen, vorzeitig zu Ende. "Empfinden Sie das als unbefriedigend?", fragt Richterin Susanne Krischker am Montagmorgen nach vier Verhandlungstagen in den fast komplett gefüllten Saal des Würzburger Landgerichts. "Ich auch", schiebt sie nach, ohne auf eine Antwort zu warten.

Ohnehin ist die Unzufriedenheit dem Staatsanwalt und den Anwälten, aber auch den Schöffen und Gutachtern anzusehen. Einer der verprügelten Bundespolizisten empfindet die Aussetzung als einen "Schlag ins Gesicht". Einer der angeklagten Studenten blickt deprimiert, lässt die Schultern hängen. Der andere schüttelt den Kopf und sucht bei einem Anwalt nach einer Erklärung.

Das Verfahren am Landgericht Würzburg wird ausgesetzt, weil Auswertungen von WhatsApp-Verläufen fehlen und die Verhandlung deshalb nicht innerhalb der zulässigen Unterbrechungsfristen fortgesetzt werden kann. So hat es die Richterin entschieden. Voraussichtlich im Frühjahr 2023 beginnt der Prozess deshalb komplett von vorn.

Wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt

Im August 2019 sollen die beiden Studenten zwei Bundespolizisten aus Hessen während eines Urlaubs auf der spanischen Insel krankenhausreif geschlagen haben. Im Oktober 2021 wurden die beiden in Würzburg wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von je zwei Jahren verurteilt – ohne Bewährung. Doch es kamen Zweifel auf, dass tatsächlich die Täter auf der Anklagebank saßen. Bis heute ist der Richterin zufolge unklar: "Waren die beiden Angeklagten die Täter oder handelt es sich um eine Verwechslung?"

In der ersten Instanz bei der Verhandlung vor dem Würzburger Amtsgericht vor einem Jahr hatten die Angeklagten bereits bestritten, die Polizisten an der Strandpromenade Playa del Palma im Party-Ort El Arenal angegriffen zu haben. Die Studenten, die mit einer Freizeit-Fußballmannschaft Urlaub auf Mallorca gemacht und am Abend im Ballermann-Hotspot "Bierkönig" gefeiert hatten, sagten aus, zur Tatzeit um 5 Uhr morgens in ihren Hotelbetten geschlafen zu haben.

Offenbar nur durch Zufall konnten sie überhaupt ausfindig gemacht werden: Einer der verletzten Polizeibeamten saß beim Rückflug in der Maschine, die auch die Studenten gebucht hatten. Er war sich sicher, unter ihnen einen der Angreifer zu erkennen, und veranlasste, dass die Männer am Frankfurter Flughafen von der Bundespolizei "erwartet" und ihre Personalien festgehalten wurden.

Die Chatverläufe auf den Smartphones der Geschädigten sollten für mehr Klarheit sorgen, was sich in jener Nacht auf Mallorca zugetragen hat. Doch weil mehrere Prozessbeteiligte die Dateien nicht rechtzeitig erhalten hatten, konnten die Text- und Sprachnachrichten am Montag nicht in die Beweisaufnahme eingehen. Auch die Staatsanwaltschaft kam wegen eines Krankheitsfalls noch nicht dazu, die Dateien auswerten. Zudem sollen auch die Handys der Angeklagten nochmals untersucht werden.

Anwalt spricht von "enormer psychischen Belastung" für Mandanten

Die Strafprozessordnung sieht vor, dass eine Hauptverhandlung bis zu drei Wochen unterbrochen werden darf. Im Saal beginnt das Blättern in digitalen und analogen Kalendern auf der Suche nach einem weiteren Termin und endet nach mehr als einer halben Stunde ergebnislos. Auch mit sogenannten Schiebeterminen kann sich das Gericht keine Abhilfe verschaffen. So bezeichnen Juristinnen und Juristen einen Verhandlungstag, an dem im Grunde nicht verhandelt wird – sondern, zum Beispiel, ein eher unbedeutendes Dokument verlesen wird. Auch im Prozess um die mögliche Verwechslung hat man sich dieses Mittels bereits bedient.

Prozesse an anderen Gerichten und Urlaube der Beteiligten machen eine Terminfindung innerhalb der Frist offenbar unmöglich. Im Raum kommt die Idee auf, mehrere Schiebetermine hintereinanderzulegen, um den vorgesehenen Rahmen zu wahren. "Das wäre eigentlich kein ordnungsgemäßes Verfahren", macht die Richterin deutlich und setzt den Prozess aus.

Zwischen April und Juni sucht das Gericht nun freie Termine für eine neue Verhandlung. Für die Angeklagten ist die Gefängnisstrafe damit noch immer nicht vom Tisch. "Das ist eine enorme psychische Belastung für meinen Mandanten", sagt Rechtsanwalt Benjamin Hirsch, der einen der Studenten vertritt. Etliche Freunde und Bekannte, die den Prozess im Saal verfolgt haben, klopfen den beiden Angeklagten nach dem Prozess auf die Schultern und versuchen, sie aufzumuntern.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Jonas Keck
Amtsgericht Würzburg
Angeklagte
Bundespolizei
Landgericht Würzburg
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
Richter (Beruf)
Smartphones
Staatsanwaltschaft Würzburg
Studentinnen und Studenten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • jutta.noether@web.de
    Soweit ich weiß, muss im deutschen Strafrecht einem Angeklagten die Schuld nachgewiesen werden. Und nicht der Angeklagte beweisen, dass er es nicht war...
    Wo ist das hier?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • webewue
    Zunächst, wer hat die Verantwortung für die Organisationsmängel bei der Prozessvorbereitung? Dann müssen die Damen und Herren aus der Rechtsflege eben auch mal Überstunden machen.
    Auf dem Ballermann muss mit der Betriebsgefahr gerechnet werden❗
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Reiner.Kortmann@t-online.de
    Waren die Bundespolizisten privat auf Urlaubsreise❓Könnte jeder, der meint in einem Flugzeug einen vermeintlichen Angreifer zu erkennen, dafür sorgen das dieser unverzüglich nach der Landung festgenommen wird❓Gibt es keinerlei Zeugen ❓Nach Lektüre dieses Artikels bleiben viele Fragen offen und einiges erscheint zumindest im Auge des Lesers seltsam🤔
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • die-appels@gmx.de
    Die selben fragen hab ich mir auch schon gestellt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arcus
    Mir geht es ähnlich. Scheinbar ist die Aussage eines Polizisten mehr Wert, als die eines unbescholtenen Bürgers. Auch macht dieser Prozeß nochmal deutlich wieviel Zeugenaussagen WIRKLICH Wert sind. Auch, wenn sie von Polizeibeamten selber kommen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    @Arcus und kortmann: Mal gaaaanz langsam ...
    Die Sache muss erst noch "verhandelt" werden. Warten wir mal ab, wie es ausgeht. Nicht gleich wieder gegen Polizeibeamte schwadronieren!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ermahirsch@aol.com
    Und was sind die Aussagen der zwei Studenten wert, die nach einer ausgiebigen Feier im "Bierkönig" ihren Rausch ausgeschlafen haben?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • manfred-englert@hotmail.de
    Bleiben Sie mal lieber bei Ihrer CSU Beurteilung, denn das Recht scheint Ihnen nicht so geläufig zu sein, denn da liegen Sie genauso daneben...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • manfred-englert@hotmail.de
    Ja, das könnte jeder, dem solches widerfahren ist. Ich finde es schlimm, jemanden zu erkennen, der mich durch Gewalt derart verletzte und dann nicht zu meinem Recht zu kommen! Sie nicht? Vielleicht lügen die beiden vermeintlichen Schläger daß sich die "Balken biegen"? Bei diesen beiden geht es um viel!! Nun geht es diesen Zusammengeschlagenen ähnlich (vermute ich mal, weil ich dies kenne) wie einer vergewaltigten Frau: Zu wissen, daß einem die Täter gegenüber sitzen, jede Kleinigkeit zigmal wiederholen zu müsen und die gegnerische Anwaltschaft versucht, den Verletzten durch grenzwertige Behauptungen und Fragestellungen als unglaubwürdig darzustellen. Nach den körperlichen Schmerzen nun nochmals psychische Pein!!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dominik.benkert@gmx.de
    @kortmann. Die Personalien wurden festgehalten. Von einer Festnahme lese ich nichts.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten