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Würzburg/Schweinfurt
Pandemie-Versprechen im Check: Gibt es in Unterfranken jetzt mehr Schutzmasken und Intensivbetten als vor Corona?
Viel wurde in der Pandemie für Kliniken, Pflegeheime, Praxen versprochen. Was wurde aus den Ankündigungen in Unterfranken wirklich? Was Stichproben in der Region zeigen.
Während der Pandemie haben Pflegekräfte oft bis zur Erschöpfung für schwerkranke Patienten gekämpft. Hat sich die Situation in Kliniken und Heimen in Unterfranken seitdem verbessert?
Foto: ArchivAnand Anders | Während der Pandemie haben Pflegekräfte oft bis zur Erschöpfung für schwerkranke Patienten gekämpft. Hat sich die Situation in Kliniken und Heimen in Unterfranken seitdem verbessert?
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 21:14 Uhr

Vor vier Jahren brachte die erste Corona-Welle das Gesundheitssystem ans Limit. Pflegekräfte fehlten, Intensivbetten gab es zu wenig, Schutzmasken wurden in Unterfranken verzweifelt gesucht. Der Aufschrei war laut, die Angst spürbar. Und von der Politik wurde viel versprochen. Doch was ist seitdem passiert? Sind Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheime heute besser für eine Pandemie gerüstet?

Wir haben stichprobenartig in der Region nachgefragt.

1. Materialvorräte: Gibt es ausreichend Schutzausstattung für Ärzte und Pflegende?

In großen Kliniken in Unterfranken hat sich die Versorgung mit Schutzausstattung den befragten Häusern zufolge deutlich verbessert. Beispiel Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt: Dort wurden die Lagerbestände "in allen kritischen Bereichen" aufgestockt und reichen derzeit für etwa drei Monate. Gleiches gilt für das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld), das seine Vorräte an Schutzkleidung nach eigener Auskunft im Vergleich zu 2019 verdoppelte.

Auch von der Uniklinik Würzburg heißt es: "Je nach Art der Schutzausstattung reichen die Vorräte mehrere Wochen." Der Bestand werde immer wieder überprüft und aktualisiert. Dabei greife man mittlerweile vor allem auf Anbieter aus Deutschland und Europa zurück, um die Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu reduzieren.

Am Klinikum Main-Spessart wurde Ende 2023 ein zusätzliches Lager im ehemaligen Krankenhaus Marktheidenfeld aufgebaut: "Dort lagern auf Paletten etwa 200.000 Einheiten, wie FFP2-Masken oder Schutzkittel", teilt eine Kliniksprecherin mit. Nachschub ließe sich über das Bundesministerium für Gesundheit anfordern.

Die Praxen hingegen fühlen sich von der Politik alleingelassen. "Es ist nichts passiert", kritisiert Dr. Mohammad Ahmadi, unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbands. Zwar würden die meisten Praxen selbst eine Mindestausstattung an Masken vorhalten. "Das sind aber kleine Mengen", die für etwa eine Woche reichen würden, sagt der Allgemeinmediziner aus Mainstockheim (Lkr. Kitzingen).

Die Kassenärztliche Vereinigung räume derzeit ihre Lager, weil die Mindesthaltbarkeit auslaufe, so Ahmadi. "Es gibt von keiner Seite Informationen, ob für Nachschub gesorgt wird." Dabei sei das Vorhalten von Schutzmaterial klar Aufgabe der Politik.

2. Intensivstationen: Stehen heute mehr Intensivbetten als vor Corona zur Verfügung?

In den befragten Krankenhäusern ist die Zahl der Intensivbetten im Prinzip konstant geblieben, teilweise können etwas mehr Betten als vor der Pandemie betrieben werden. Flächendeckend aufgestockt wurde nicht.

An der Uniklinik Würzburg werden im Erwachsenenbereich 74 Intensivbetten betrieben – etwa so viele wie 2019. Das Klinikum Würzburg Mitte hat "nach wie vor 28 intensivmedizinisch betriebene Betten". Im Notfall könne man die Kapazitäten zwar kurzfristig erhöhen – "diese Ressourcen auch im Normalbetrieb vorzuhalten, ist jedoch nicht sinnvoll", sagt eine Sprecherin. Intensivbetten könnten nur belegt werden, wenn genügend Personal vorhanden ist.

Am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt hat sich die Lage verbessert: Einem Sprecher zufolge stehen aktuell 44 Intensivbetten zur Verfügung. Im Rhön-Klinikum gab es vor der Pandemie 45 Intensivbetten, heute sind es 48. Im Klinikum Main-Spessart gibt es wie bislang neun betreibbare Intensivbetten, die Zahl der Beatmungsplätze stieg von vier auf sechs. Im geplanten Neubau des Klinikums soll auch die Bettenzahl aufgestockt werden.

Immer wieder wurden Intensivbetten während der Corona-Pandemie knapp. Auch in unterfränkischen Kliniken herrschte auf den Stationen oft der Ausnahmezustand.
Foto: Marijan Murat, dpa | Immer wieder wurden Intensivbetten während der Corona-Pandemie knapp. Auch in unterfränkischen Kliniken herrschte auf den Stationen oft der Ausnahmezustand.

3. Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte: Was ist aus dem Applaus für die Pflege geworden?

Es waren eindrückliche Videos: Minutenlang applaudierten Menschen in Großstädten während des Corona-Lockdowns von ihren Balkonen für Ärzte und Pflegekräfte. In der Pandemie stieg die Wertschätzung für die Pflege - doch verbesserte dies die Arbeitsbedingungen nachhaltig?

Hier ist das Bild uneinheitlich. Spricht man mit Pflegekräften, hört man Frust, die Anerkennung der Corona-Jahre sei effektlos verhallt. Gestiegen seien vielerorts die Gehälter, betonen hingegen Kliniken und Pflegeeinrichtungen in der Region unisono.

"Bei der Bezahlung hat sich einiges verbessert", sagt Anette Noffz, leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals in Würzburg. Berufsanfänger wie erfahrene Pflegefachkräfte würden deutlich mehr verdienen als vor der Pandemie. Wichtig im Alltag wäre jedoch auch ein Abbau der ausufernden Bürokratie, den könne sie nicht erkennen, kritisiert Noffz. Man habe das Gefühl, die Politik vertrete die Auffassung, "findet euch damit ab". 

Verlässliche Dienstpläne in der Altenpflege gebe es weiter nicht, das "Problem des Einspringens" sei nicht gelöst, sagt die Stiftungsdirektorin. Springerpools seien schwierig umzusetzen.

In großen Krankenhäusern hingegen konnte gerade durch Springerlösungen teils Personal aufgebaut werden: An der Würzburger Uniklinik startete im November 2022 das Projekt "FlexUKW", bei dem Pflegende Dienstpläne frei gestalten können. Dadurch habe man rund 288 neue Mitarbeiter gewonnen, sagt ein Sprecher. In der Folge habe sich die Dienstplansituation stabilisiert. Insgesamt arbeiteten Ende 2023 in der Uniklinik im reinen Pflegedienst 1982 Menschen.

Auch das Klinikum Würzburg Mitte (KWM) konnte die Mitarbeiterzahl seit Corona-Beginn um etwa ein Fünftel steigern, sagt eine Sprecherin. Zudem schaffe ein mehrstufiges Ausfallkonzept mit einem "Flexi-Team" eine gewisse Stabilität für den Pflegedienst.

Ähnlich sieht es in Schweinfurt aus. Das Leopoldina-Krankenhaus konnte den Personalstamm in den vergangenen fünf Jahren um ein Viertel auf 923 Mitarbeitende steigern, sagt ein Sprecher. Durch einen "Flexipool mit mehr als 40 Pflegekräften" und eine Betriebsvereinbarung gebe es heute "verlässliche Dienstpläne".

Die sind einer Sprecherin zufolge auch am Klinikum Main-Spessart erreicht: Dienstpläne würden "verbindlich im Vormonat" freigegeben. Darüber hinaus versuche man den Pflegenden die Arbeit durch Digitalisierung oder physische Unterstützungssysteme zu erleichtern.

 
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