
Chips oder Schokolade? Sauerbraten oder Gemüsepfanne? Käsekuchen mit oder ohne Rosinen? Essen ist Geschmackssache. Die eine mag lieber salzig, der andere gerne süß. Dem Dritten kann nichts zu sauer sein. Warum ist das eigentlich so? Und lässt sich das verändern? "Wir können unseren Geschmack beeinflussen", sagt Ernährungstherapeutin Constanze Wolz. Im Gespräch erklärt die Diätassistentin von der Ernährungsmedizinischen Ambulanz an der Uniklinik Würzburg, wie stark Gene den Geschmack beeinflussen, mit welchen Tricks Fast-Food-Ketten arbeiten und wie man trainieren kann, gesundes Essen zu mögen.
Constanze Wolz: Geschmack ist ein komplexer Sinneseindruck, der bei der Nahrungsaufnahme entsteht und sich aus dem Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn sowie der Temperaturwahrnehmung und dem Schmerzempfinden zusammensetzt. Wir können wir fünf Geschmacksrichtungen unterscheiden: süß, sauer, salzig, bitter. Und umami, das aus dem Japanischen kommt und so viel bedeutet wie fleischig-würzig. Dieser Geschmack ist sehr intensiv und steckt beispielsweise in Steaks oder gegrillter Aubergine.
Wolz: Scharf ist keine Geschmacksrichtung, sondern eine Empfindung, die mit den Schmerzrezeptoren auf unserer Zunge zu tun hat. Diskutiert wird, ob fettig eine Geschmacksausprägung sein kann – da ist sich die Wissenschaft aber uneins.
Wolz: Generell werden etwa 20 Prozent des Geschmacks durch Gene beeinflusst – der Rest ist erlernt. Die Ausprägung von Geschmack ist ein Prozess, der im Laufe des Lebens entsteht und der von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Das ist bei jedem Menschen anders und deshalb schmecken uns Dinge unterschiedlich.
Wolz: Entscheidend ist, welche Geschmäcker wir schon im Mutterleib mitbekommen haben. Fruchtwasser kann den Geschmack der Lebensmittel annehmen, die eine schwangere Frau vermehrt zu sich nimmt. Ungefähr ab der zwölften Schwangerschaftswoche schluckt ein Baby Fruchtwasser und schmeckt es später auch. Wenn also eine schwangere Frau viel Karottensaft trinkt, wird das Fruchtwasser süßlich nach Karotte schmecken. Und Studien zeigen, dass Kinder dann später diesen Geschmack eher mögen. Das heißt aber nicht, dass Geschmack angeboren ist. Im Gegenteil: 80 Prozent sind Prägung.
Wolz: Ja, wir können unseren Geschmack beeinflussen und damit auch lernen, gesunde Speisen zu mögen. Grundsätzlich entscheidet die Häufigkeit. Je häufiger wir einen Geschmack zu uns nehmen, desto vertrauter und angenehmer wird er. Man sagt, etwa zehn Mal muss man Lebensmittel gegessen haben, um sich an diesen Geschmack zu gewöhnen. Und gerade bei gesunden Lebensmitteln spielt die Zubereitung eine wichtige Rolle. Eine gekochte Karotte etwa schmeckt komplett anders als eine rohe. Es gibt sogar Genusstrainings, bei denen man lernen kann, neue Geschmäcker wahrzunehmen.

Wolz: Es gibt ganz verschiedene Einflüsse, die eine Rolle spielen. Ein Beispiel, das wir alle kennen, ist das Wetter: Im Winter ist es kälter, der Körper verbraucht mehr Energie. Deshalb hat er Lust auf umami-haltige Speisen wie Klöße oder Braten, die viel Energie und Eiweiß liefern. Im Sommer verbraucht der Körper weniger Energie und benötigt dafür mehr Flüssigkeit. Da spüren wir das Verlangen nach frischen Dingen wie Wassermelonen oder Gurken. Unsere Zunge arbeitet wie ein Nährstoffdetektor und erkennt, welcher Geschmack uns welchen Nährstoff liefert.
Wolz: Genau. Pauschal kann man also nicht sagen, dass man etwas nicht mag – zumindest nicht immer. Denn jedem von uns schmeckt Essen im Sitzen anders als im Stehen oder in stressigen Momenten anders als in Ruhe. Selbst von einem grünen Teller schmeckt eine Karotte anders als von einem orangenen.
Wolz: Nein, das ist erwiesen. Unsere Sinneswahrnehmungen spielen uns da einen Streich. Wenn wir orangenen Saft trinken, erwarten wir den Geschmack einer Orange. Und wenn wir Kirschsaft orange färben, dann schmeckt unser Gehirn Orange. Das kennt man auch von Cola: Durchsichtige Cola schmeckt nicht nach Cola.
Wolz: Die Kombination aus salzig, fettig und ein bisschen Süße ist für uns alle attraktiv. Der Körper weiß hier, er bekommt viel Energie - und das will er. Für unsere Zunge ist diese Kombination eine Geschmacksexplosion, das machen sich große Fast-Food-Ketten zu Nutzen. Wenn man sich die Gewürzmischungen von Chips oder Süßigkeiten anschaut, sind häufig genau diese Geschmacksrichtungen enthalten.
Wolz: Doch. Man muss es einfach ausprobieren und aushalten, dass gesundes Essen manchmal nicht sofort die gleiche Geschmacksexplosion auslöst wie Fast-Food. Aber gegrillt Aubergine oder getrocknete Tomaten sind nährstoffreich und gesund und sie schmecken nach umami. Das wird von vielen Menschen auch als kleine Geschmacksexplosion beschrieben. Es geht darum, zu entdecken, was es alles für Geschmäcker gibt.
Wolz: Geschmack verändert sich im Laufe des Lebens. Kinder bevorzugen oft süße Sachen, weil sie zucker- und kohlenhydratreich sind und Energie liefern. Je älter wir werden, umso eher mögen wir bittere Dinge, wie Kaffee oder Rosenkohl. Das liegt daran, dass sich unsere Geschmackswahrnehmung ändert – mit zunehmendem Alter schmecken wir schlechter.
Wolz: Das ist schwierig. Man sollte vermeiden, dass man von der Fast-Food-Industrie ausgetrickst wird und von diesen Geschmacksexplosionen abhängig wird. Wer viel Gemüse isst, kann sich an einen reduzierten Süß-Geschmack gewöhnen und empfindet dann vielleicht schon Gummibärchen als extrem süß.
Diese Überschrift suggergiert und fordert doch gerade eine Stellungnahme bzw. man erwartet eine!
Mit oder Ohne Butter? Das ist doch die Philosophie und Daseinsfrage!