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Würzburg
NS-belastete Straßennamen in Würzburg: Steht die Umbenennung bald bevor?
Die Entscheidung über die Frage, welche Namen von Würzburger Straßenschildern verschwinden sollen, rückt näher. Vor allem um einen Namenspaten dürfte dabei noch gestritten werden.
Würzburg im Zeichen des Hakenkreuzes (undatierte Aufnahme): Die Verstrickung von Menschen in die  NS-Diktatur bestimmt auch die aktuelle Debatte um Würzburger Straßennamen.
Foto: Stadtarchiv Würzburg | Würzburg im Zeichen des Hakenkreuzes (undatierte Aufnahme): Die Verstrickung von Menschen in die  NS-Diktatur bestimmt auch die aktuelle Debatte um Würzburger Straßennamen.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:29 Uhr

Inzwischen ist es über ein Jahr her, dass eine Kommission aus Expertinnen und Experten ihren Bericht über Würzburger Straßennamen vorgelegt hat, in dem einigen Namenspaten eine Verstrickung ins Unrechtsregime des Nationalsozialismus bescheinigt wird. Konkret ging es um Personen, "deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fällt und von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen", so hieß es seinerzeit in der Aufgabenstellung der Stadtrates an die Kommission.

Bei neun Namensgebern hatte die Kommission, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Stadtratsmitglieder angehörten, Handlungsbedarf gesehen und empfohlen, in einigen Fällen die Straßen umzubenennen, in anderen Fällen Zusatzinformationen an den Straßenschildern anzubringen.

Eigentlich hatte das Thema im Würzburger Stadtrat schon abgehakt sein sollen, doch wegen der Corona-Pandemie konnten Begleitveranstaltungen erst später stattfinden als geplant. Doch nun scheint die Debatte um die Frage, welche Namensgeber – es sind allesamt Männer – von Würzburger Straßenschildern weichen müssen, auf der Zielgeraden. An diesem Mittwoch wird sich der Kulturausschuss des Stadtrates damit befassen. Das Gremium wird über das Thema zwar nicht beschließen, aber per Abstimmung ein sogenanntes Gutachten abgeben. Die eigentliche Entscheidung fällt später im Stadtrat.

Zur Vorberatung im Ausschuss und zur späteren Entscheidung im Stadtrat steht die Umbenennung folgender Straßen an: Heiner-Dikreiter-Weg, Nikolaus-Fey-Straße, Schadewitzstraße, Hermann-Zilcher-Straße und Karl-Ritter-von-Frisch-Weg. Zusätzliche Erläuterungsschilder schlägt die Verwaltung für die Armin-Knab-Straße, die Peter-Schneider-Straße und die Richard-Strauss-Straße vor. Die Entscheidung zum Kardinal-Faulhaber-Platz ist verschoben, da ein geplantes öffentliches Symposium dazu noch nicht stattfinden konnte.

NS-belastete Straßennamen in Würzburg: Steht die Umbenennung bald bevor?

Bereits bei einer öffentlichen Anhörung im Stadtrat im November des vergangenen Jahres hatte sich abgezeichnet, dass es wohl vor allem um einen Namenspaten eine größere Diskussion geben könnte: um Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher (1881-1948). Dessen Name steht auf einem Straßenschild im Würzburger Frauenland.

Einer der umstrittenen Namenspaten: Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher.
Foto: Groth-Schmachtenber | Einer der umstrittenen Namenspaten: Mozartfest-Begründer Hermann Zilcher.

Zilcher habe sich "mit mehreren seiner Kompositionen in den Dienst der NS-Propaganda" gestellt und über intensive Kontakte zur regionalen NS-Prominenz verfügt, heißt es im Bericht der Straßennamenkommission. Zudem habe er den Maler Eugen Vinnai (1889-1961) bei der Gestapo angezeigt und Vinnai als "Volksschädling" bezeichnet, der Anstiftung zur "Wehrkraftzersetzung" betreibe.

Vor allem die Affäre Zilcher-Vinnai zu Beginn der 1940er Jahre könnte in der anstehenden Debatte ein Thema sein. Vinnai war Anhänger der "Christlichen Wissenschaft", einer im 19. Jahrhundert in den USA entstandenen Bewegung, die Heilung von Krankheit durch Gebet versprach. Vinnai hatte laut Bericht der Straßennamenkommission zeitweise starken Einfluss auf Angehörige Zilchers gehabt. Hermann Zilcher habe diesen Einfluss unterbinden wollen und sich deshalb an die Gestapo gewandt – was für Vinnai mit "unabsehbaren Folgen verbunden" gewesen sei.

Mit dem Vorgang hat sich auch Stadtratsmitglied Wolfgang Baumann beschäftigt, der zu gänzlich anderen Schlüssen kommt als die Kommission und der mit dem Fall befasste Münchner Historiker Niels Weise. Baumann, der auch Mitglied der Würzburger Zilcher-Gesellschaft ist, die das künstlerische Erbe des Komponisten pflegt, hat in den vergangenen sechs Monaten ein mehr als 80-seitiges Memorandum erarbeitet, in dem er die Vorwürfe gegen Zilcher und insbesondere die Affäre Zilcher-Vinnai untersucht.

Sein Fazit: Zilcher sei kein Denunziant gewesen, sondern habe lediglich seinem Schwager vor der Verfolgung durch das NS-Regime schützen wollen. Der Schwager hatte unter dem religiösen Einfluss Vinnais gestanden und als Wehrmachtsoffizier mit der Begründung, ihm sei Christus erschienen, das Kommando über seine Einheit verweigert. Mit den Aussagen bei der Gestapo zu Vinnai habe Zilcher verhindern wollen, dass sein Schwager ins KZ kommt oder in einer Nervenheilanstalt getötet wird.

Auch die weiteren Vorwürfe gegen Zilcher weist Baumann in seiner Schrift, die den Stadtratsmitgliedern vorliegt, zurück und hat beantragt, die Umbenennung der Zilcher-Straße im Stadtrat abzulehnen. In einem Schreiben an die Mitglieder des Stadtrates hofft er, sein Memorandum rege "zu einer vertieften Diskussion" an.

Diese könnte es zunächst in der Kulturausschuss-Sitzung an diesem Mittwoch geben. Am 23. Februar steht das Thema Straßennamen dann auf der Tagesordnung des Hauptausschusses, bevor schließlich der Stadtrat entscheidet – möglicherweise schon in seiner nächsten Sitzung am 10. März.

 
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  • R. B.
    Anbei eine Quellangabe von ca. 2.500 deutschen Unternehmen (bei weitem nicht erschöpfend aufgezählt), welche im Nazi-Deutschland Kriegsgefangene beschäftigt und sich an diesen bereichert haben. Ich bin gespannt, wie viele nach Studium dieser Liste ihr Konsum- und Einkaufsverhalten konsequent ändern. (https://ns-in-ka.de/wp-content/uploads/2017/06/Liste_Unternehmen.pdf).
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  • F. S.
    Natürlich darf niemend für Verbrechen geehrt werden, die er/sie im Namen des Nationalsozialismus oder mit anderer Rechtfertigung begangen hat. Das ist bei den meisten dieser Personen jedoch nicht der Fall. Sie wurden für Leistungen geehrt, die nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hatten. Gleichzeitig hat sich jedoch herausgestellt, dass sie auf anderer Ebene unseren heutigen Moralvorstellungen nicht genügt hätten, also keine Heiligen waren.

    Aber zum Glück werden Ehrungen für besondere Leistungen vergeben und nicht für die moralische Reinheit der Person, auch wenn wir uns gut dabei fühlen, im Nachhinein darüber zu richten.
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  • H. S.
    Und wenn es nun neue Namen gibt, dann bitte nicht wieder Personen, an denen dann die nächste Generation was auszusetzen hat. Nehmt unverfängliche Namen von Blumen, Bäumen, Tieren, Städten.
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  • B. H.
    Gestern fragte ich mich schon, was der Stadtrat und die Heilige DreiBürgermeisterlichkeit eigentlich gerade so machen, ausser Parkgebühren einführen und Kickerswunden lecken. Es beruhigt mich, dass sie nun doch so viel Einsatz bringen. Wie dieser in 80 Jahren mal bewertet wird, wer kanns wissen? Gestalten besonders Politiker aktuell deshalb so wenig?
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  • S. T.
    Das können Sie auf der städtischen website alles lesen, da sind alle Tagesordnungen aller Ausschüsse und da sehen Sie die Themen alle!
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  • G. K.
    Ich für meinen Teil möchte nicht in einer Strasse wohnen, die nach einem Nazi oder Nazifreund benannt ist und ich finde es an der Zeit, damit aufzuräumen.

    Mit Strassenbennenungen sind Ehrungen verbunden und all diese Herren waren ja docheher Ehrabschneider. Gerade in einer Zeit, da die braunen Geister anscheinend wieder salonfähig werden (wollen), ist erhöhte Wachsamkeit angebracht!
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  • F. S.
    #deltatango

    ...und möchten Sie in einer Straße (oder Promenade) leben, deren Namensgeber dafür Verantwortung trägt, dass Hunderte von unschuldigen Frauen als Hexen verbrannt wurden?
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  • S. S.
    Hab den Eindruck, daß hier der Stadtrat von anderen Themen versucht abzulenken. Ist der Klimabürgermeister eigentlich in der Zwischenzeit zurückgetreten? Hat man das Verkehrskonzept verworfen?
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  • R. B.
    Wie sagte Maude einst, "Konsequenz ist keine menschliche Tugend".
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  • F. S.
    Bei dieser Gelegenheit schlage ich vor, ab sofort die Aufführung von Musikstücken zu verbieten, die von Richard Strauss komponiert wurden oder diese zumindest zu "kontextualisieren".
    Was für ein selbstgerechter Schwachsinn!
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  • T. D.
    Man sollte die Kirche endlich mal im Dorfe lassen und nicht jedes Mal das Ganze aufwärmen .
    Unterschiedliche Historiker werden dann auch immer noch zu anderen Ergebnissen kommen
    und man hat das Gefühl das sich einige Stadträte profilieren wollen .
    Es gibt soviel in der Stadt zu tun , was wichtiger wäre, besonders im sozialen Bereich ,
    aber da wird lieber stundenlang über Straßennamen diskutiert .
    Weil dies anscheinend einfacher ist , als sich um die Stadt Würzburg und ihre Probleme zu
    kümmern ! ! ! !
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  • W. T.
    Welch ein Schwachsinn von Experten.
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  • M. L.
    Und wieder wird diese kalte Suppe aufgewärmt! Lasst es bitte so wie es ist und gut ist. Widmet Euch Stadträte und Politiker den wirklich wichtigen Themen (der Zukunft) und grabt nicht elendig in der Geschichte rum. Es ist nun mal Teil der deutschen Geschichte und könnte somit auch als Mahnung dienen, beschränkt man es max. auf zus. Info-Tafeln an den entsprechenden Straßennamen und durch ist das Thema.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Die einen nennen es "kalte Suppe", die anderen "Vogelschiss".
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  • R. R.
    Der jungen Generation sind die Straßennamen piep egal da sich keiner dafür interessiert auch wenn sie in einer der betroffenen Straßen wohnen . Wenn man rückwirkend Gräber ausheben will sollten sie die Nazis die untergetaucht sind und auch im Verwaltungsbereich auch Bundeswehr weiter Gearbeitet haben aufarbeiten und verurteilen. Irgendwann is mal gut mit Nazi .
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  • G. W.
    Will man jetzt in Würzburg vertuschen, dass offensichtlich in Stadtratsgremien der Nachkriegszeit soviele Nazi-Freunde saßen, dass solche Strassennamen überhaupt erst salonfähig wurden?
    Das ist schon ein seltsames Geschichtsverständnis.
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  • S. S.
    Müsste man dann nicht auch konsequenterweise alle Firmen dich machen die in irgendeiner Weise Geschäfte mit NS Funktionären gemacht haben schließen? Danach dann noch die Autobahnen und Schienen die zu dieser Zeit verlegt wurden abreisen und vielleicht noch die Häuser die während dieser Zeit gebaut wurden...
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  • M. R.
    Es ist mir unverständlich wie man über Umbenennungen von Straßen nachdenken kann und gleichzeitig am Mozartfest fest hält, noch nicht einmal die zweifelhafte Vergangenheit seines Gründers dabei entsprechend kritisch aufarbeitet und immer wieder mahnt!

    Das ist geschichtsvergessen und es bleibt wohl die Vermutung, dass es mehr ums Geld als ums Gewissen geht!
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  • S. L.
    Ich bin gegen jegliche Umbenennung. Man muss sich seiner eigenen Geschichte stellen und als Mahnung für die Nachwelt erhalten.
    Einfach umbenennen und dann eine weiße Weste haben? Nein. Geschichtsrevisionismus ist falsch. Orwell 1984
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  • E. V.
    Straßen, Plätze usw. nach Menschen benennen ist ja wohl eine Ehrung als eine Mahung. Sonst könnten wir ja wirklich Adolf-Hitler-Straße, Stalin-Allee oder Herrmann-Göring-Flugplatz einrichten?? Im Osten gibt es vielerorts einen Platz-der-Opfer-des-Faschismus, das geht schon eher in Richtung Mahnung.
    Nochmal: Es geht doch darum, dass man eine posthume Ehrung Leuten wieder wegnimmt, aber ganz sicherlich nicht die Geschichte umschreibt oder die Erinnerung an Nazi-Kollaborateure tilgt.
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