
Nur 30 Minuten. Maximal so lange sollte die Fahrt ins nächste Krankenhaus bei einem Schlaganfall laut medizinischer Leitlinie dauern. Gleichzeitig ist die Qualität der Behandlung entscheidend: Erfolgt diese in einer spezialisierten Versorgungseinheit, einer sogenannten Stroke Unit, verbessert sich die Prognose nachweislich. Was aber heißt das für Patientinnen und Patienten in Unterfranken? Wie weit ist für die Menschen in der Region im Notfall die nächste Stroke Unit entfernt?
Antworten liefert eine Auswertung des Science Media Center, das dafür die Qualitätsberichte der Krankenhäuser (Jahr 2022) analysiert hat. Bundesweit liegt demnach die Fahrzeit zur nächsten Klinik, die Schlaganfälle grundsätzlich versorgen kann, im Schnitt bei 9,5 Minuten. Würden ausschließlich die spezialisierten Stroke Units angefahren, wie es die Krankenhausreform anstrebt, würde sich die Fahrzeit durchschnittlich um viereinhalb Minuten verlängern.
Im Landkreis Bad Kissingen dauert die Fahrt zur nächsten Stroke Unit teils über 30 Minuten
In weiten Teilen Deutschlands ist eine Konzentration auf die Stroke Units für Patienten somit kein Problem. Sie erreichen auch die nächste Spezialstation in weniger als 30 Autominuten. In ländlichen Gegenden allerdings sind die Wege oft weit, in der Kliniklandschaft klaffen Lücken.
Die Versorgungssituation in Unterfranken spiegelt dieses bundesweite Bild: Bei der Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus mit Stroke Unit gibt es große Unterschiede.
So liegt die nächste Stroke Unit beispielsweise für Menschen in Würzburg im Schnitt nur 5,6 Minuten entfernt, in Schweinfurt 6 Minuten. In stadtnahen Gemeinden wie etwa Rimpar im Landkreis Würzburg (durchschnittlich 11 Minuten) oder Poppenhausen im Landkreis Schweinfurt (durchschnittlich 14,6 Minuten) liegt die Fahrzeit ebenfalls unter den leitliniengerechten 30 Minuten.
Hingegen bestehen für Patienten in einigen Gemeinden in den Landkreisen Haßberge, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld und vor allem Bad Kissingen Fahrzeiten von mehr als einer halben Stunde zur nächsten Stroke Unit.

In Gräfendorf (Lkr. Main-Spessart) zum Beispiel liegt die Fahrzeit durchschnittlich bei 39,4 Minuten, in Burkardroth (Lkr. Bad Kissingen) sind es 35,1 oder jeweils 32,4 Minuten in Sandberg (Lkr. Rhön-Grabfeld) und in Aidhausen (Lkr. Haßberge). Den längsten Weg zur nächsten Stroke Unit haben Menschen in Wartmannsroth (Lkr. Bad Kissingen) mit im Schnitt 45,5 Minuten.
In Zukunft wird diese Entfernung zur nächsten Stroke Unit entscheidend. Denn mit der Krankenhausreform sollen Patienten "bei einem akuten Schlaganfall in einem Krankenhaus mit Stroke-Unit behandelt werden", heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. In begründeten Fällen könnten Kliniken, die "Qualitätskriterien auch durch telemedizinische Kooperationen mit einem anderen Krankenhausstandort, der über eine Stroke Unit verfügt, erfüllen", so eine Ministeriumssprecherin. Das greife zum Beispiel, wenn die nächste Stroke-Unit "für einen erheblichen Teil der Bevölkerung" nicht innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit erreichbar sei.
Telemedizin soll auch in Unterfranken Lücken in der Versorgung schließen
In Unterfranken gibt es nach Angaben des Neurovaskulären Netzwerkes neun Stroke Units – vier davon seien überregionale Zentren, sagt Dr. Christian Hametner, Netzwerksprecher und Neurologe an der Uniklinik Würzburg. Diese könnten rund um die Uhr alle relevanten diagnostischen und therapeutischen Verfahren anbieten, wie etwa mechanische Thrombektomien.
Um Patienten überall bestmöglich zu behandeln, seien alle Stroke Units in der Region telemedizinisch vernetzt, sagt Hametner. So sei etwa Ochsenfurt nicht von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) zertifiziert (die Stroke Unit fällt auch nicht unter die Definition des Science Media Center), aber telemedizinisch angebunden.
Aus Hametners Sicht ist die Dichte von Stroke Units in Unterfranken damit "vergleichsweise gut", die Anfahrtszeiten für den Rettungsdienst seien meist kurz. In ländlicheren Gegenden "mit teils geringerer Bevölkerungsdichte bestehen jedoch nach wie vor strukturelle Herausforderungen", so der Neurologe.
Auch die DSG beurteilt die Versorgungslage in Unterfranken als "gut bis sehr gut". Meist könne der Rettungsdienst die 30-Minuten-Fahrzeitregelung einhalten. Dass Patienten mit der Krankenhausreform nur noch in ausgewiesenen Spezialstationen behandelt werden sollen, sieht die DSG positiv. Das biete "eine große Chance für eine weitere Verbesserung der Schlaganfall-Versorgung", sagt der DSG-Vorsitzende Prof. Stefan Schwab vom Uniklinikum Erlangen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte dagegen bereits im Herbst vor "Rückschritten" bei der Schlaganfall-Versorgung durch die Krankenhausreform. Wenn kleinere Kliniken auf dem Land dem wirtschaftlichen Druck nicht weiter standhalten könnten und schließen müssten, könnten sich die Lücken in der Stroke-Unit-Verteilung ausweiten, so die Befürchtung. Die Politik nennt hier neue Rettungswege, wie etwa mehr Luftrettung, und eben die Telemedizin als mögliche Hilfen.