
Es war vor gut einem Jahr die schwierigste und umstrittenste Entscheidung im Stadtrat: Während vier andere Straßen wegen der Verstrickung ihrer Namensgeber mit dem NS-Regime einstimmig umbenannt wurden, gab es bei der nach Mozartfest-Gründer Herrmann Zilcher benannten Straße eine lange Debatte, am Ende aber auch eine klare Mehrheit von 29 zu 19 Stimmen. Der offizielle Akt der Umbenennung wurde jetzt im Frauenland vollzogen: Zwischen dem Landratsamt in der Zeppelinstraße und der Erthalstraße verläuft seit Mittwochnachmittag die Theresia-Winterstein-Straße.
Tochter von Theresia Winterstein hatte Tränen in den Augen
Für Rita Prigmore war es ein sehr emotionaler Moment: Mit Tränen in den Augen nahm die Tochter von Theresia Winterstein im Kreis von Familienmitgliedern und Weggefährten ein Exemplar des neuen Straßenschilds entgegen. Zuvor hatte Oberbürgermeister Christian Schuchardt zusammen mit Romani Rose, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, das an der Kreuzung Zeppelinstraße aufgestellte Schild enthüllt. Auch einige Anwohnerinnen und Anwohner der umbenannten Straße nahmen an der Zeremonie teil.
Die damals 18-jährige Sintiza Theresia Winterstein und ihre Familie musste ab 1939 auf Geheiß der Nationalsozialisten zwangsweise nach Würzburg umziehen, wo sie bis 1940 im Stadttheater und im CC-Varieté als Sängerin und Tänzerin auftrat. Einer Zwangssterilisierung entging sie zunächst nur, weil sie mit Zwillingen schwanger war, an denen nach der Geburt an der Würzburger Uni-Klinik vermutlich medizinische Experimente durchgeführt wurden. Eine der beiden Töchter starb, ihre Zwillingsschwester ist Rita Prigmore, die kürzlich ihren 80. Geburtstag feiern konnte. Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft gründete Theresia Winterstein eine internationale Vereinigung zur Verteidigung von Frauenrechten.

"Es macht mich stolz und dankbar, dass in meiner Heimatstadt Würzburg eine Straße nach meiner Mutter benannt wird", sagte Prigmore. Sie rief dazu auf, gemeinsam gegen "blinden Hass und kalte Gleichgültigkeit" zu kämpfen, denen Sinti und Roma auch heute noch ausgesetzt seien.
Romani Rose wies darauf hin, dass der Holocaust an einer halben Million Sinti und Roma nach dem Ende der Naziherrschaft jahrzehntelang verdrängt und vergessen wurde. Der Vorsitzende des Zentralrats dankte der Stadt Würzburg dafür, "dass sie sich auch diesem Teil der deutschen Geschichte stellt". Es gebe unter den deutschen Sinti und Roma keine Familie, die nicht unter der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten gelitten habe.
OB Schuchardt: Theresia Winterstein war eine bedeutsame Künstlerin in Würzburg
"Indem wir NS-Opfern ehrend gedenken, geben wir ihnen die Würde zurück, die ihnen von den Nazis brutal genommen wurde", sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Er betonte in seiner Ansprache aber auch, dass das nicht der einzige Grund für die Straßenbenennung gewesen sei: "Theresia Winterstein war unabhängig von ihrem Schicksal auch eine wichtige Persönlichkeit und eine bedeutsame Künstlerin unserer Stadt."
Das sieht auch Stadtrat Wolfgang Baumann (ZfW) so, der sich bis zuletzt gegen die Umbenennung der Herrmann-Zilcher-Straße gewehrt hatte: "Diese Vorgeschichte darf aber keinen Schatten auf die Neubenennung werfen", teilt er in einer persönlichen Erklärung mit. Die Theresia-Winterstein-Straße könne "als gewisse Bemühung des Stadtrats und der Stadt um Schuldausgleich angesehen werden". Unabhängig davon will Baumann sich weiter für das Andenken Zilchers einsetzen und wiederholte seine Kritik an der Straßennamenkommission "bei der Zusammenstellung von Fakten und Bewertungen zur Person von Professor Zilcher".
Jetzt fehlt nur noch die Umbenennung des skandalösen H...Zi...-Brunnen vor der Hochschule für Musik in der Hofstallstraße!