Ein dritter bayerischer Nationalpark im Steigerwald? Diskutiert wird darüber seit Jahren. Eine Umfrage der Landtags-Grünen zeigt nun große Zustimmung bei der Bevölkerung in der Region. Wie wertvoll wäre ein Nationalpark aus Sicht der Wissenschaft? Ein Gespräch mit Jörg Müller, Professor für Tierökologie der temperaten Breiten an der Uni Würzburg und stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, des ersten Nationalparks in Deutschland.
Prof. Jörg Müller: Als Mitarbeiter des Nationalparks Bayerischer Wald würde ich jede weitere Neugründung eines Nationalparks begrüßen. Ob und wo man ihn in Bayern macht, ist eine gesellschaftliche Frage. Der Steigerwald wäre grundsätzlich geeignet. Man erlebt gerade in der Pandemie die Sehnsucht der Menschen nach solchen Naturräumen. Wir sind im Spätherbst regelrecht überrannt worden von Besuchern.
Müller: In einer Demokratie ist eine solche Entscheidung immer eine Mehrheitsentscheidung. Der Wunsch dabei wäre immer das Einvernehmen der Interessensvertreter einer Region. Aber die Diskussionen sind bei jeder Neugründung ähnlich – es gibt glühende Verfechter und erbitterte Gegner. Die einen träumen von unberührter Wildnis, die anderen haben Sorge um die Holznutzung. Das war im Bayerischen Wald nicht anders. Nach 50 Jahren ist der Nationalpark dort aber Standard geworden, die Gegnerschaft hat sich weitgehend erübrigt. Die meisten Menschen spüren, dass der Nationalpark eine große Bereicherung war, um diese Grenzregion zu fördern.
Müller: Die Verbindung ist gewollt! Ein Nationalpark hat nur die Schutzstufe drei der Internationalen Schutzgebietskategorien, er lässt deutlich mehr Nutzung zu als die Kategorien 1a und 1b. In einem Nationalpark sind der Schutz der biologischen Vielfalt und die Bereitstellung eines wertvollen Naturerholungsraums gleichwertige Ziele. Also im Nationalpark will man den Besucher.
Müller: Das ist keine wissenschaftliche, sondern eine gesellschaftliche Entscheidung. Nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz sollten es mindestens 10 000 Hektar sein. Die Fläche soll groß genug sein, damit durch Naturdynamiken wie Windwurf oder Borkenkäfer immer nur Teile betroffen sind und somit ein wertvolles ökologisches Mosaik auf Landschaftsebene entstehen kann. Man geht davon aus, dass die Fläche bei Buchenwäldern im Flachland nicht so groß sein muss wie etwa bei subalpinen Fichtenwäldern.
Müller: Man kann lernen, wie ein Waldökosystem funktioniert: Wie sich Lebensräume, Populationen entwickeln. Wie nach Störungsereignissen Totholz in den Wald kommt und plötzlich seltene Arten richtig große Populationen bilden – all das passiert nicht in kleinen Schutzgebieten. Im Bayerischen Wald galten bestimmte Arten in den 1950er und 60er als extrem selten. Nun kommen sie in Massen vor, weil das Holz überwiegend nicht mehr aus dem Wald gefahren wurde.
Müller: Genau. Und wenn man sich in einem großen Gebiet einmal entschieden hat, nicht mehr einzugreifen – dann traut man sich das auch. Man kann Totholz auch im Wirtschaftswald anreichern. Das ist aber unsicher, weil man es in bestimmten Momenten doch wieder herausholt. Da ist die Versicherungsfunktion eines Großschutzgebietes sehr wichtig.
Müller: Was uns schwerfällt, weil wir in Europa kaum mehr Erfahrung mit Naturwäldern haben. Sie sind uns im kulturgeschichtlichen Lauf fremd geworden. Wir kommen aus der Tradition, die Natur zähmen und im Wirtschaftswald kontrollieren zu wollen. Deswegen irritiert es uns, wenn es in einem Nationalpark anders läuft. Ich verstehe, dass es Leute erschüttert, wenn Bäume absterben – wie auf großen Flächen im Bayerischen Wald. Aber da hat sich viel gedreht: Heute sind Einheimische stolz, dass ein deutschlandweit fast ausgestorbener Käfer ausgerechnet in ihrer Heimat wieder häufig vorkommt.
Müller: Wenn der Buchdrucker im Schutzgebiet eines Nationalparks wirkt, ist er ja kein Schaden, sondern – wie wir es nennen – ein "Ökosystem-Ingenieur": Er gestaltet die Landschaft um zum Wohle vieler hochbedrohter Arten. Im Wirtschaftswald dagegen ist er europaweit der übelste Schädling. Für Buchenwälder wie im Steigerwald kennen wir im Moment keine Organismen, die ganze Bestände zum Absterben bringen. Aber selbst dann würden wir positive Effekte erwarten, weil der Steigerwald im Moment nur auf einer sehr geringen Fläche reich an Altbäumen und Totholz ist. Im Prinzip ist jedes Trockenjahr dort, in dem Buchen absterben, aus naturschutzfachlicher Sicht eher ein Segen. Störungsereignisse nach unserem Empfinden sind für den Wald in der Regel ein Vielfaltsmotor.
Müller: Mit einem dritten Nationalpark retten wir nicht die Biodiversität Bayerns. Sie hängt sehr von den lokalen Lebensräumen ab. Wir brauchen Konzepte, die in den verschiedenen Lebensräumen Natur und Vielfalt erhalten. Egal ob dritter oder vierter Nationalpark: Für die Biodiversität müssen wir Lebensräume in ganz Bayern schützen, verbessern und deren Fläche vermehren.
Sehr interessant.
Sägewerksbesitzer Müller aus Wies´dhääd weiß natürlich, dass "richtige Bewirtschaftung" "zentrale Bedeutung" für das "gesamte funktionierende Klimasystem" hat.
Blablabla. Klar! Wirtschaftswald bindet CO2 besser als naturnaher, reifer Wald. Schon lange widerlegt. 64% des jährlich in D geernteten Laubholzes wird verbrannt. Vom Rest wird die Hälfte für Kartonagen und Verpackungen verbraucht. Das soll nachhaltig sein. Was ist denn mit dem CO2 darin? Geht gleich wieder in die Atmosphäre. Ein Quatsch, sowas...
Was soll daran so interessant sein?
Die übliche Forstwirtschaftsideologie, die wir nicht mehr hören wollen. Wir wollen große Naturschutzgebiete in öffentlichen Wäldern.
Sonst werden wir uns in 30-40 Jahren mal über die Bedeutung von "Wirtschaft" unterhalten, wenn es keine Nahrung, kein Wasser, keinen fruchtbaren Boden und keine reine Luft mehr gibt.
https://franzjosefadrian.com/facher/nationalpark-steigerwald/kritik-am-trittsteinkonzept/faktencheck-trittsteinkonzept/faktencheck-joerg-mueller/
https://franzjosefadrian.com/facher/nationalpark-steigerwald/buchempfehlung-ulrich-mergner-das-trittsteinkonzept/7/
Dass Müller ein NP Fan ist, wissen wir bereits
a) Nationalpark ist super, Holznutzung verwerfliche Schande und Weltuntergang zugleich. Umfrage ergibt, die Mehrheit ist dafür.
b) Nutzung und Trittsteinkonzept sind super, Stilllegung ist absolut kontraproduktiv. Umfrage ist in Auftrag gegeben, was wird das Ergebnis sein?
wahrscheinlich genau das Gegenteil, die Mehrheit ist dagegen.
Und in der Realität weiß nach beiden Umfragen niemand, was die Mehrheit wirklich will.
Ein dritter Nationalpark als Hort der Biodiversität? Ist er jetzt dank der Pflege und in 50 Jahren? Ich war gerne im Bayerischen Wald und die Bilder es Umbaus, sehr viele tote Bäume, haben mich geschockt.
Ohne den Nationalpark oder ein gleiches großes SChutzgebiet wird der Forstbetrieb die guten großen Bäume für die Holzrendite fällen und der Steigerwald wird nicht mehr so wertvoll sein wie vor 20 Jahren. Alles wegen dieser Forstreform und weil die Holzindustrie nicht auf ihre Rendite verzichten will.
Nicht mehr im Staatswald! Forstindustrie raus aus unseren Staatswäldern!
Bin mal gespannt, ob da jemals eine Antwort von Ihnen kommt.