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Würzburg
Waldschäden haben auch ihr Gutes
Licht und Schatten im Wald fördern Artenvielfalt - wie hier beispielsweise im Nationalpark Bayerischer Wald.
Foto: Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald | Licht und Schatten im Wald fördern Artenvielfalt - wie hier beispielsweise im Nationalpark Bayerischer Wald.
Frank Kupke
 |  aktualisiert: 19.07.2020 02:10 Uhr

Der Klimawandel sorgt weltweit für immense Waldschäden. Eine neue Studie von Ökologen der Universität Würzburg zeigt jetzt, dass dies nicht immer mit Nachteilen für die Artenvielfalt einhergehen muss. Darüber berichtet die Uni in einer Pressemitteilung.

Das leuchtet selbst einem Laien sofort ein: Ein bunter, abwechslungsreicher Wald, in dem viele unterschiedliche Pflanzen wachsen, die zudem unterschiedlich hoch werden, bietet mehr Tier- und Pflanzenarten den passenden Lebensraum als eine monotone Kolonie mit nur einer Baumsorte. Dementsprechend mehr Arten finden sich dort.

Die wissenschaftliche Basis dieser sogenannten Habitat-Heterogenitäts-Hypothese stammt aus den 1950er-Jahren. Damals hatte einer der Gründerväter der Ökologie, der US-Amerikaner Robert MacArthur, in mehrschichtigen Wäldern mehr Vogelarten gezählt als in einfach strukturierten und dies mit einer höheren Nischenvielfalt erklärt. Die von ihm so begründete Habitat-Heterogenitäts-Hypothese ist bis heute eine wichtige Theorie zur Frage, was Lebensräume artenreich macht.

Die Realität ist komplexer als erwartet

Aber stimmt diese Hypothese überhaupt? Dieser Frage sind Ökologen mehrerer Universitäten in einem aktuellen Forschungsprojekt im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Biodiversitätsexploratorien nachgegangen.

Verantwortlich dafür waren laut Pressemitteilung Jörg Müller, Professor für Tierökologie an der Universität Würzburg (JMU) mit einem Schwerpunkt im Bereich der ökologischen Freilandforschung in unseren Breiten, sowie dessen Doktorandin Lea Heidrich. Ihre jetzt in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution publizierten Ergebnisse zeigen: Die Realität ist sehr viel komplexer als es die Hypothese vorgibt.

Dank moderner Technik hatten es die Forscherinnen und Forscher bei ihrer Studie allerdings deutlich leichter als MacArthur: Während jener mühevoll die verschiedenen Etagen eines Waldes per Augenschein erfassen und die dort lebenden Arten zählen musste, konnten die Ökologen auf neueste Fernerkundungsmethoden zurückgreifen.

Mit Hilfe von Laserscanning-Technologie war es für sie möglich, die komplexe Waldstruktur sehr vieler Waldbestände genau und effizient zu vermessen. Zusätzlich zu diesen Strukturparametern lieferten Feldaufnahmen Informationen zu Pflanzen- und Totholzvielfalt, so dass verschiedenste Aspekte der Heterogenität in Wäldern beleuchtet werden konnten.

Fledermäuse, Vögel, Pilze und vieles mehr

Auf diese Weise konnte Lea Heidrich erstmals den Zusammenhang zwischen Habitat und Heterogenität für viele Artengruppen aus dem Reich der Tiere, Pflanzen und Pilze bestimmen – darunter Fledermäuse, Vögel, Gliederfüßer, Pilze und Flechten, die insgesamt 2.600 Arten repräsentieren. Ihre Untersuchungen hat sie auf rund 500 ausgewählten Waldstücken in ganz Deutschland vorgenommen.

„Damit erscheinen die aktuell häufig beklagten Waldschäden im Zuge des globalen Klimawandels mit absterbenden Baumgruppen in dichten Wäldern in einem neuen Licht.“
Jörg Müller Professor für Tierökologie an der Universität Würzburg (JMU)

Das zentrale Ergebnis: „Die Heterogenität eines Waldes hat viele Gesichter“, erklärt Jörg Müller. Soll heißen: Ob und mit welchem Aspekt der Heterogenität Artenvielfalt zunimmt, hängt in hohem Maße von der jeweiligen Artengruppe ab. Während ein intensiver Wechsel von offen und geschlossen für viele Artengruppen förderlich ist, war dies nicht der Fall für Moose und Pilze. Bei den Totholzbewohnern reagierten Käfer vor allem auf die Heterogenität von Holzsubtraten, während für Pilze die Baumartenvielfalt am wichtigsten war.

Störungen können die Biodiversität erhöhen

Besonders interessant ist aus Sicht der Wissenschaftler der Befund, dass ein intensiver Wechsel aus Lücken und dichtem Wald die Biodiversität der meisten Artengruppen erhöht. „Damit erscheinen die aktuell häufig beklagten Waldschäden im Zuge des globalen Klimawandels mit absterbenden Baumgruppen in dichten Wäldern in einem neuen Licht“, sagt Jörg Müller. Denn diese dürften nach den jetzt veröffentlichten Ergebnissen insgesamt zu einer Erhöhung der Biodiversität führen, wenn noch genügend geschlossene Wälder verbleiben, um Moose und Pilze zu halten.

 
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  • rebnik
    Professor Müller arbeitet ja auch im Steigerwald. Dass ein abwechslungsreicher Wald mehr bietet als eine monotone Kolonie mit einer Baumsorte, ist einleuchtend. Da denke ich zum Beispiel an die Fichtenplantagen, aus denen Wald in Deutschland, auf dessen Größe man ja so stolz ist, zu großen Teilen besteht.
    Allerdings fürchte ich, dass die Staatsförster im Forstbetrieb Ebrach nun vor Freude jauchzen, denn sie stellen die Buchenwälder nördlich/südlich Ebrach ja so gerne als Monokultur oder meinetwegen Reinbestand dar, als Begründung, Buchen zu fällen: Der Wald müsse klimafit gemacht werden, die Buchen könnten das nicht.
    Aber die Bayerischen Staatsforsten sind halt kein Umwelt- oder Klimaschutzunternehmen, sondern sollen mit dem Rohstoff Holz Geld machen. Das ist in Zeiten des Klimaschocks und des Artensterbens absurd. Wir brauchen stattdessen mehr Schutzgebiete. Prozessschutz sorgt dafür, dass sich schnell die mitteleuropäische waldtypische Artenvielfalt einstellt.
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