Er hatte keine Angst vor dem Tod. "Der Glaube ist die Hilfe, die einem das Ende mit Zuversicht sehen lässt", sagte Paul-Werner Scheele einmal. "Wer glaubt, ist nicht allein." Der Bischof von Würzburg, der das Bistum von 1979 bis 2003 geführt hat, blickte voller Dankbarkeit auf sein Leben zurück in jenem Gespräch vor gut einem Jahr, als er seinen 90. Geburtstag feierte. Scheele war ein vielfach interessierter Theologe, ein kluger Denker, ein leidenschaftlicher Vermittler zwischen den Religionen und in seiner Freizeit ein der Musik, der Natur und dem Fußball zugewandter Mensch. Seine Neugier, sein feiner Humor und die Lust am Schreiben hielten ihn auch im hohen Alter agil und geistig fit.
Doch zuletzt waren die Kräfte aus dem Körper geschwunden. Am späten Freitagabend ist Paul-Werner Scheele nach Angaben des Bistums gestorben. Er ist eingeschlafen in seinem Zuhause in Würzburg, das längst zur liebgewordenen Heimat des Westfalen geworden war, und umgeben von den Erlöserschwestern, für die er täglich in aller Herrgottsfrühe die Messe zelebrierte und die für ihn gebetet hatten, seit das Ende absehbar gewesen war. Er wurde 91 Jahre alt.
Die Zeit im Zweiten Weltkrieg prägte Scheele
Paul-Werner Scheele wurde am 6. April 1928 im westfälischen Olpe geboren, und als junger Mann prägten ihn die Erlebnisse des Zweiten Weltkriegs. Als 16-Jähriger gehörte er einer Spezialeinheit der Luftwaffe an, setzt sich aber während eines Einsatzes in Unterfranken ab und schlug sich zurück in die Heimat durch. Die frühe Erfahrung von Tod und Leid brannten sich ein: "Das sind Dinge, die man nie vergisst", sagte er über diese Zeit. Für seinen theologischen Werdegang gab es kein spezielles Bekehrungserlebnis, er war vielmehr die logische Antwort auf seine vielen Fragen.
1952 wurde Paul-Werner Scheele in Paderborn zum Priester geweiht und eigentlich hatte er auch nur ein "normaler Pfarrer" sein wollen, wie er in einem der vielen Gespräche einmal erzählte. Doch das Leben hielt einen anderen Weg für ihn parat. Seine Fähigkeiten wurden früh erkannt, Scheele hatte stets Förderer. 1979 ernannte ihn schließlich der damalige Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Würzburg.
Der Bischof kämpfte für die Einheit der Christen
So sehr Bischof Scheele die Seelsorge am Herzen lag, so sehr blieb er doch auch in seiner Würzburger Zeit ein leidenschaftlicher Theologieprofessor. Die Leitung der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz war eine anspruchsvolle Aufgabe. Er konnte sie krönen mit der Verabschiedung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Jahr 1999, die grundlegende theologische Differenzen mit der Evangelischen Kirche ausgleichen konnte.
Dass es gelungen war, Ansichten, die die beiden Kirchen seit Jahrhunderten getrennt hatten, so ins Gespräch zu bringen, dass das Gemeinsame im Vordergrund stand, erfüllte ihn mit tiefer Genugtuung. Auch dem Dialog mit den orientalisch-orthodoxen Christen widmete er sich intensiv, und es schmerzte ihn bisweilen, dass diese Minderheiten oft übersehen wurden.
Zu Scheeles 90. Geburtstag im vergangenen Jahr veröffentlichte die Main-Post dieses Video mit Bildern aus dem Leben des Bischofs.
Scheele vermittelte bei vielen Treffen, dass es darauf ankomme, mit ganzer Kraft das Seine zu tun, dass aber Erfolg letztlich ein Geschenk ist und dass der liebe Gott sowieso alles in der Hand hält. Der Bischof war auch ein Familienmensch. Er hielt engen Kontakt zu seinen fünf Geschwistern, eine Tante führte lange Jahre seinen Haushalt. Dass er selbst keine Familie gründen konnte, beschäftigte ihn: "In der Tat wird die Zölibatsfrage meistens nur auf das Verhältnis zur Frau reduziert. Für mich ist es mindestens genauso schwierig, dass man keine Kinder hat, denen man weitergeben kann, was man für richtig hält", hat er einmal in einem Gespräch verraten. "Keine Familie zu gründen, das ist schon eine schwierige Entscheidung. Man muss wissen, was man tut. Man muss der Überzeugung sein, dass das, was man im Glauben tun kann, wichtiger ist als das eigene Glück im Kreis der Familie. Ich kam in meinem pastoralen Dienst mit so vielen Menschen zusammen, von denen man empfängt, da ist nie Einsamkeit entstanden. Heutzutage sind jüngere Mitbrüder da schon in Gefahr. Sie haben meist keine Haushälterin. Wenn sie abends fertig nach Hause kommen, holen sie sich etwas aus dem Kühlschrank und sitzen alleine da. Das kann zu einem echten Problem werden. Ich war vom ersten Priesterjahr an so mit Arbeit zugedeckt, dass kein Raum für solche Gedanken blieb. Es gab kein Loch, in das man reinkriechen und sich selbst bedauern konnte. Daneben habe ich immer schon Bücher geschrieben."
Das Schreiben war tatsächlich eine Leidenschaft, die ihn bis zum letzten Atemzug erfüllte. Rund 50 Bücher hat Scheele verfasst, sein Arbeitszimmer im Dachgeschoss der Domerschulstraße glich einer Bibliothek. Mit Tilman Riemenschneider, dem großen Würzburger Künstler, befasste er sich ausführlich. Aber auch wenig bekannte Themen griff Scheele auf, wenn sie ihm wichtig waren. Den Werken des Würzburger Theologen Herman Schell, der von einem seiner Vorgänger um 1900 wegen seiner modernen Auffassungen bitter verfolgt wurde, widmete er einen Aufsatzband.
Scheele war ein liberaler Hirte
Reformen lagen ihm am Herzen, das Bistum Würzburg galt unter seiner Führung als liberal etwa in der Frage der Mitarbeit von Laien. Und wenn kritische Journalisten den erzkonservativen Kurs von Papst Johannes Paul II. beklagten, konnte er auch schon einmal lächelnd sagen: "Wenn ich in Rom frage, was ich machen soll, muss ich auch machen, was man mir sagt." Diese feine ironische Gelassenheit, auch sie zeichnete ihn aus.
Mit der Presse pflegte er einen entspannten Umgang, hatte er doch selbst Anfang der 60-er Jahre als Journalist für die Wochenzeitung "Echo der Zeit" vom Zweiten Vatikanischen Konzil aus Rom berichtet. Dabei waren ihm Schlagzeilen nie wichtig. Aber er legte Wert darauf, dass seine Botschaft richtig ankam, weil er den Gläubigen unter den Lesern ein guter Lehrer sein wollte und bei denen, die anderer Auffassung waren, seinen Standpunkt erklären wollte.
Einmal war er von dieser Redaktion gefragt worden, ob er sich denn Minarette in Würzburg vorstellen könne, er bejahte er die Frage. Wie üblich wurde ein Auszug aus dem Interview am Abend an die Nachrichtenagenturen gegeben. Am nächsten Morgen war das Thema in allen Radionachrichten. Das hat ihn weder erschrecken lassen noch war er besonders stolz. Beim nächsten Treffen sagte er nur schmunzelnd: "Na, da haben Sie uns ja schön in die Schlagzeilen gebracht."
Die Schlagzeilen über Paul-Werner Scheele werden nun enden. Als Vermächtnis bleiben sein seelsorgerisches und vor allem theologisches Wirken in der Region und darüber hinaus sowie seine Bücher. In jenem Gespräch vor einem Jahr, als ihm die Endlichkeit schon bewusst zu sein schien, gab er der Jugend einen Rat, der heute wie eine letzte Botschaft von ihm klingt: "Macht Euch Gedanken über die Welt und meldet Euch zu Wort. Ihr habt es in der Hand, was aus unserer Zeit wird."