
Im Hof stehen Kartons, Kinderspielzeug, Möbel und Geschirr. Für Weihnachten liegen schon Lichterketten, Adventskränze und Christbaumkugeln im ehemaligen Kinderzimmer herum. Heike Henn und ihr Mann Manfred Korn sammeln Sachspenden und fahren diese seit knapp zwei Jahren nach Wißkirchen und Euenheim, zwei kleine Dörfer bei Euskirchen in Nordrhein-Westfalen. Vom Ahrtal sind es nur rund 30 Kilometer und auch dort hinterließ das Jahrhunderthochwasser im Juli 2021 eine Spur der Verwüstung, sagt Henn.
"Keine Familie sollte am ersten Advent ohne Weihnachtsplätzchen sein", beschreibt die 55-Jährige ihre Motivation, am ersten Adventwochenende im Jahr 2021 die rund 330 Kilometer nach Nordrhein-Westfalen zu fahren. Inzwischen waren sie 22 Mal dort, die nächste Fahrt findet wieder Ende Oktober statt. Das alles organisieren sie alleine, ohne Hilfe eines Vereins oder einer Organisation.
Waffeleisen waren nach der Flut sehr beliebt
Über eine Bekannte sei der erste Kontakt in die Region hergestellt worden, erinnert sich Henn. Danach folgten Telefonate mit Bürgermeistern, Sportvereinen, Kindergärten und Schulen. Über WhatsApp-Gruppen habe die 55-Jährige erfahren, was die Menschen vor Ort am meisten brauchen. "Im ersten Jahr wollten alle Waffeleisen. Dort gibt es keine Feier und kein Fest ohne Waffeln", sagt Henn. Töpfe, Teller, Bügeleisen und -brett waren zu Beginn ebenfalls beliebt. Der Bedarf habe sich mit der Zeit gewandelt, sagt der 59-jährige Korn. "Jetzt ist die Phase, wo auch Dekoartikel gefragter sind."

"Es gibt nichts, was wir noch nicht mit dort hingenommen haben", sagt Henn. Elektro-Klein- und Großgeräte, aber auch eine Kinderschiffsschaukel sei schon dabei gewesen. Die Hilfe werde noch immer benötigt, sind sich Korn und Henn einig. "Wir kennen niemanden, wo man sagen kann, da ist schon wieder alles in Ordnung." Mit ihrer Unterstützung "bringen wir die Freude und den kleinen Luxus", so die 55-Jährige.
Die Spenden, die das Ehepaar nach Nordrhein-Westfalen fahren, akquiriert Henn über das Internet. Auf einem Online-Kleinanzeigen Portal sucht sie nach Gegenständen, die dort verschenkt werden. Was die von der Flut betroffenen Menschen brauchen, erfährt die 55-Jährige über die von ihr gegründete WhatsApp-Gruppe "Hilfe mit viel Herz". Über 90 Mitglieder hat die Gruppe inzwischen. Das Ehepaar Henn und Korn kennt alle persönlich.
Das Ehepaar weiß, wer was gebrauchen kann
Henn scrollt auf ihrem Tablett durch die Bilder ihrer vielen Fahrten in das von der Flutkatastrophe 2021 betroffene Gebiet. Sie zeigt Fotos von vollgepackten Autos und lachenden Gesichtern, wenn die Menschen die Spenden entgegennehmen. Zu jedem Bild kann Henn eine eigene Geschichte erzählen, zu jeder Familie fällt ihr eine Anekdote ein. Das Ehepaar weiß, wer Fan von welchem Fußballclub ist und welches Kind gerne Pferde mag. Entdecken Henn und Korn etwas, was zu einer Person ganz besonders passt, wird es mit einem Namensschild versehen und das nächste Mal persönlich übergeben.
Außerdem nehmen Henn und Korn Klamotten, Kinderspielzeug, Möbel und Elektrogeräte sowie sonstige Haushaltsgegenstände mit nach Wißkirchen und Euenheim. Im Sportheim werden die Spenden wie bei einem Flohmarkt aufgebaut. "Dann kommen die Menschen und dürfen sich alles mitnehmen", sagt Henn. Auch haltbare Lebensmittel sammelt das Ehepaar und fährt sie nach Nordrhein-Westfalen, wo sie dann an eine Organisation vor Ort gespendet werden.

Über die Jahre sind Freundschaften entstanden, sagt die 55-Jährige. "Das letzte Mal wurden wir zum Frühstück eingeladen, aber wenn wir dort sind, haben wir gar keine Zeit", bedauert Henn. Auch Zuhause in Fuchsstadt nehmen ihre Hilfsaktionen viel Zeit in Anspruch. "Die letzten drei Wochen sind wir abends nicht vor halb 10 nach Hause gekommen", sagt Korn. Er arbeitet Vollzeit als Beamter, seine Frau in Teilzeit in der Altenpflege und ist selbständige Tupperberaterin. Das Akquirieren und die Fahrten in die Dörfer seien ein "Nebenbei-Vollzeitjob", so Henn.
Das größte Problem ist es, Anhänger zu finden
Alles, was Henn und Korn nach Wißkirchen und Euenheim fahren, wird überprüft, geputzt oder gewaschen. Die ganzen Sachspenden aufzutreiben, sei dabei gar nicht das Problem, so Henn. "Ich bekomme täglich Anrufe, dass ich etwas abholen soll", sagt sie. Anhänger zu finden, mit denen die ganzen Sachen nach NRW transportiert werden können, sei viel schwieriger, ergänzt ihr Mann.
Und warum tun sie sich das alles an? "Organisationen sind mir zu kompliziert", sagt Henn. Das Ehepaar möchte zu denen gehören, die selbst den Beitrag leisten, der ihnen möglich ist. Außerdem sehen sie so, dass die Hilfe ankommt.