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Nach Flutkatastrophe: Graf Castell und Kitzinger Winzer helfen an der Ahr
Sie erzählen von Schlamm, zerstörten Ortschaften und einer bedrohten Ernte. Was die Winzer aus dem Landkreis Kitzingen bei ihren Hilfsaktionen erlebt haben.
Carl Castell (rechts) zusammen mit seinen Schulfreunden Till Zischler und Vilijam Sonntag (von links). Drei Tage lang haben sie auf einem Weingut im Ahrtal ausgeholfen.
Foto: Carl Castell | Carl Castell (rechts) zusammen mit seinen Schulfreunden Till Zischler und Vilijam Sonntag (von links). Drei Tage lang haben sie auf einem Weingut im Ahrtal ausgeholfen.
Maria Lisa Schiavone
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:48 Uhr

"So etwas habe ich noch nie gesehen. Auf den Straßen war überall Schlamm und das Innere der Häuser lag auf der Straße", schildert Carl Graf zu Castell-Castell seine Eindrücke am Telefon. Als ein befreundeter Winzer seiner Familie Bilder von der katastrophalen Lage schickt, beschließt der Sohn von Ferdinand Fürst zu Castell-Castell, zu helfen. 

Zusammen mit zwei Schulfreunden machte sich der 20-Jährige am 19. Juli auf den Weg nach Bad Neuenahr-Heimersheim, zum Weingut "Nelles": "Ich wollte einfach möglichst schnell helfen, denn da ist sicher jede Menge zu tun", sagt Carl. Im Gepäck haben sie Werkzeug und Wissen, denn die drei jungen Männer sind auch bei der Feuerwehr. 

Carl Castell über die Verwüstung an der Ahr

Nach der dreistündigen "normalen" Autofahrt, ändert sich das Landschaftsbild. "So viele Feuerwehrautos und Hubschrauber habe ich noch nie gesehen", erzählt Carl. An der Ahr ist nichts mehr ist so, wie es war. "Auf einer Wiese lag ein Boot, das vorbeigeschwemmt wurde. Und überall sind Pfandflaschen."

Was das Hochwasser im Ahrtal hinterlassen hat: Plastikflaschen und Müll. Carl Castell (Foto) war vor Ort, um zu helfen. 
Foto: Carl Castell | Was das Hochwasser im Ahrtal hinterlassen hat: Plastikflaschen und Müll. Carl Castell (Foto) war vor Ort, um zu helfen. 

Vor Ort gab es kein fließendes Wasser und keinen Strom. Am Telefon schildert Carl die Zustände der Zerstörung: "Umgeknickte Straßenlaternen, gesperrte Straßen, Autos, die umgedreht da liegen. Kaputte Scheiben, die irgendwo in den Bäumen hängen. Eine Bundesstraße wurde so stark unterspült, dass eine Fahrspur raus gebrochen ist. Es ist komplett verwüstet."

"Eine Bundesstraße wurde so stark unterspült, dass eine Fahrspur raus gebrochen ist."
Carl Castell
Die Schäden im Ahrtal sind immens, wie das Bild der unterspülten Bundesstraße zeigt. 
Foto: Carl Castell | Die Schäden im Ahrtal sind immens, wie das Bild der unterspülten Bundesstraße zeigt. 

Durch den angetrockneten Schlamm, lag so viel Staub in der Luft, dass ihm der Anblick an den Nahen Osten erinnere, "zumindest, stelle ich es mir so vor", sagt Carl. Drei Tage lang haben die Schüler am Weingut angepackt. 

Eine Woche später sieht es dort noch ähnlich aus, sagt eine Mitarbeiterin des Fürstlich Castell'schen Domänenamt,dem Weingut von Carls Familie. "Es ist alles wüst, sieht aus wie in den Slums". Zusammen mit einem Team war sie einen Tag lang vor Ort. Dort haben sie nichts anderes gemacht als Weinflaschen zu säubern, "auch das muss getan werden". 

Carl Castell und seine Freunde schaufeln Schlamm

Auf dem Weingut packen die drei Schüler dort an, wo die Schäden am größten waren. Im Gebäude des Weinguts stand das Wasser einen Meter hoch: Der Keller überflutet, Weinfässer ausgelaufen.

Nachdem das Wasser abgepumpt wurde, lag noch eine 30 Zentimeter dicke Schlammschicht im Gebäude. Maschinen, Weinfässer und Flaschen darin schwimmend, erzählt Carl. "Unsere Hauptarbeit war es den groben Schlamm rauszuschaufeln. Dann haben wir haben die Abfüllanlage und Geräte mit einem Kran rausgeholt und die Weinflaschen raus getragen."

Beim Bergen der Öltanks die nächste Herausforderung: "Beim Hochziehen wurden die Öltanks verletzt und Heizöl ist ausgelaufen. Das Öl mussten wir dann gesondert abpumpen."

Helfer aus Rödelsee: Winzer Paul Weltner und André Meyer

Neben Bergung und Katastrophenhilfe in den Ortschaften, müssen die Weinberge aber weiterhin bearbeitet werden. Anders als in einer Fabrik, kann der Weinbau nicht gestoppt werden. Am Weingut "Nelles" habe die Feuchtigkeit einen starken Befall von Peronospora, also falschen Mehltau, ausgelöst. "Das ist ganz normal", erklärt Carl. Eigentlich müsse nun gespritzt werden, doch dafür fehlen gerade die Kapazitäten, "weil alle Arbeitskräfte gerade damit beschäftigt sind, die Schäden beheben".  

Um wie Weinlese an der Ahr zu retten, springen Winzer aus ganz Deutschland ein. Einer von ihnen ist der Winzer Paul Weltner und André Meyer vom Weingut Meyer, beide aus Rödelsee. Weltner war zusammen mit seinem Team und Freunden vor Ort, um einem befreundeten Winzer "den Rücken freizuhalten", sagt er im Gespräch, "wir haben primäre Weinbergarbeiten gemacht, wie Gipfeln und Stecken. Die Weinberge am Laufen gehalten".

Weingut Wirsching hilft im September

Die Hilfsbereitschaft ist groß, "es kommen busseweise Leute, um zu helfen", erzählt die Mitarbeiterin des Fürstlich Castell'schen Domänenamt, die vor Ort war. Doch wie viele Winzer werden noch aushelfen können, wenn im September die Weinlese beginnt?

Das Iphöfer Weingut Wirsching hat dafür schon Unterstützung im September angekündigt: "Wir werden einen Arbeitstrupp hinschicken, der eine Woche lang aushelfen wird", sagt Isabella Jans, Assistentin von Geschäftsführerin Andrea Wirsching.

VDP koordiniert Hilfen und sammelt Spenden

Am Tag nach der Flut wird auch der VDP, der Verband deutscher Prädikatsweingüter, aktiv. "Wir haben gefragt, was sie brauchen und einen Aufruf unter unseren Winzern gemacht", sagt Geschäftsführerin Hilke Nagel. Vor Ort koordiniert der Verband auch deren Hilfseinsätze: "Die Winzer brauchen Leute, Stromaggregate und Pumpen. Außerdem versuchen wir Wohncontainer aufzustellen, weil viele obdachlos geworden sind", sagt Nagel. Zwei Mitarbeiterinnen sind dazu seit über zehn Tagen an der Ahr. 

Unter der Aktion "Der Adler hilft" wird ein Spendenkonto eingerichtet. Dort gehen auch die Erlöse aus dem Verkauf gespendeter Weine ein. Die Spenden werden für den Wiederaufbau und die Sicherung der Herbsternte verwendet: "Wir überlegen gerade, wie wir die Herbsternte rein bringen und die Erntehelfer unterbringen können", sagt Nagel.

Was in den Gesprächen auffällt, ist der Zusammenhalt zwischen den Winzern. Für Paul Weltner ist diese Solidarität "selbstverständlich". Am Telefon erklärt Weingutsleiter Peter Geil, vom Fürstlich Castell'schen Domänenamt, warum das so ist: "Wir sind eine Branche, die vom Jahresprodukt lebt. Wir alle wissen, dass gerade Hochsaison ist. Jeder kämpft vom Rebschnitt an für den Jahrgang und sowas ist dann schon bitter. In so einer Situation würde sich jeder über Hilfe freuen."

 
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