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Würzburg
Nach Aussage von Trabusch: Das sagen 4 Menschen mit Behinderung aus Würzburg zu Sonderveranstaltungen am Theater
Der Vorschlag von Intendant Markus Trabusch, Sondervorstellungen für Menschen mit Behinderung einzuführen, sorgt für Diskussionen. Vier Betroffene sagen ihre Meinung.
Von oben links nach unten rechts: Raphael Tollkühn, Evi Gerhard, Michael Gerr und Thorsten Leykauf wollen keine Sonderveranstaltungen an Theatern.
Foto: Frank Tollkühn, Fabian Gebert, Mario Schmitt, Patty Varasano | Von oben links nach unten rechts: Raphael Tollkühn, Evi Gerhard, Michael Gerr und Thorsten Leykauf wollen keine Sonderveranstaltungen an Theatern.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 13.12.2024 02:36 Uhr

Nach den Äußerungen des Mainfranken Theater-Intendanten, Markus Trabusch, ein junger Mann im Rollstuhl habe eine Vorstellung mit Zwischenrufen "ganz massiv gestört" wurde eine Debatte über Inklusion am Theater ausgelöst. Solche Art von Störungen sei eine "künstlerische Beeinträchtigung", sagte er. Trabusch schlug vor, "Relaxed Performances" anzubieten. Diese Vorstellungen sollen Menschen mit Beeinträchtigungen einen "angemessenen Theatergenuss" ermöglichen, ohne die Darstellenden unter Druck zu setzen, eine störungsfreie Performance liefern zu müssen. Das sorgte bereits beim Würzburger Behindertenbeauftragten Julian Wendel für Kritik.

Vier Menschen mit Behinderung aus Stadt und Landkreis Würzburg berichten, was sie von der Idee halten, Sondervorstellungen für Menschen mit Behinderung einzuführen.

1. Raphael Tollkühn (21) aus Maidbronn: "In mir schreit das Verlangen nach Toleranz und Akzeptanz"

Raphael Tollkühn stellt sich nun als Schwerbehinderter die Frage, wie erwünscht er am Mainfranken Theater ist. 
Foto: Frank Tollkühn | Raphael Tollkühn stellt sich nun als Schwerbehinderter die Frage, wie erwünscht er am Mainfranken Theater ist. 

"Ich war in der Vorstellung von 'Ente, Tod und Tulpe' am Mainfranken Theater und habe den bekannt gewordenen Zwischenfall mit dem Intendanten als Zuschauer live miterlebt. Ich bin über den Zwischenfall mehr als empört, zumal ich selbst schwerbehindert bin und es nicht stillschweigend tolerieren kann, wenn andere Menschen mit Schwerbehinderung diskriminiert und ausgegrenzt werden. Von eigenen Vorstellungen für Menschen mit Behinderung halte ich gar nichts, das ist wirklich das Gegenteil von Inklusion. Da schreit in mir der Gerechtigkeitssinn und das Verlangen nach Toleranz und Akzeptanz in der Gesellschaft.

Ich stelle mir jetzt die Frage, wie erwünscht ich als Schwerbehinderter am Mainfranken Theater eigentlich noch bin. Ich traue mich ja kaum noch, mit einer Karte, wo 'Ermäßigung mit Schwerbehindertenausweis' draufsteht, hinzugehen. Ich habe noch eine Karte für ein Weihnachtsstück und weiß noch nicht so recht, was ich jetzt machen soll. Die Stadt Würzburg sollte die nötigen Konsequenzen aus dem Vorfall ziehen und die Zusammenarbeit mit Herrn Trabusch mit sofortiger Wirkung beenden. Ein behindertenfeindlicher Theaterintendant sollte nicht länger im Amt bleiben dürfen."

2. Evi Gerhard (50) aus Würzburg: "Ich frage mich nun, wo er die Grenze ziehen möchte?"

Evi Gerhard findet die Aussagen von Markus Trabusch 'heftig'.
Foto: Fabian Gebert | Evi Gerhard findet die Aussagen von Markus Trabusch "heftig".

"Herr Trabusch baut sein Theater barrierefrei und macht dann solche Äußerungen – das passt nicht und ist meiner Meinung nach total exklusiv und nicht inklusiv. Auch die Aussage, dass für solche Menschen 'Relaxed Performances' ins Leben gerufen werden sollen, passt nicht. Diese Veranstaltungen sind für Menschen gedacht, die ein ruhigeres Klima brauchen, die keine Menschenmassen oder viel Lärm ertragen. Das ist total wertvoll und wichtig, damit auch wirklich alle Menschen an Theatervorstellungen teilnehmen können. Aber wenn er Menschen, wie den jungen Mann mit Behinderung, dort 'abschieben' möchte, ist das ja auch für die Menschen, die daran teilnehmen müssen, kontraproduktiv, wenn jemand dazwischenruft. 

Herr Trabusch sollte sich erst einmal genau informieren, bevor er solche Aussagen loslässt. Er schert alle Menschen mit Behinderung über einen Kamm. Ich frage mich nun, wo er die Grenze ziehen möchte. Möchte er das am Grad der Behinderung festmachen, wer welche Veranstaltungen besuchen darf? Darf ich dann auch nur noch in Sondervorstellungen gehen? Ich finde das sehr heftig. Dass das Ganze auch noch bei einer Vorstellung für Kinder vorgefallen ist, finde ich noch heftiger."

3. Michael Gerr (58) aus Würzburg: "Sonderveranstaltungen sollten nur ein zusätzliches Angebot sein"

Michael Gerr sagt, dass Sonderveranstaltungen nicht dazu missbraucht werden dürfen, Menschen aus dem Regelbetrieb des Theaters auszuschließen.
Foto: Mario Schmitt | Michael Gerr sagt, dass Sonderveranstaltungen nicht dazu missbraucht werden dürfen, Menschen aus dem Regelbetrieb des Theaters auszuschließen.

"Ich persönlich werbe gerne für eine inklusive Gesellschaft, in der Vielfalt von Menschen als Bereicherung verstanden wird. Debatten können da auf dem Weg nur hilfreich sein, Angebote zu verbessern und inklusiver zu machen. Sonderveranstaltungen sollten nur ein zusätzliches Angebot sein. Sie dürfen keinesfalls dazu missbraucht werden, Menschen aus dem Regelbetrieb des Theaters auszuschließen. Jede Live-Veranstaltung lebt damit und davon, dass Publikum Reaktionen zeigt. Kunstschaffende nehmen gerne Applaus und müssen aushalten, wenn Ihnen nicht alle Äußerungen aus dem Publikum gefallen.

Für Herrn Trabusch wünsche ich mir, dass er aus der Debatte für seine künstlerische Arbeit inspiriert wird und er diverse Reaktionen aus dem Theaterpublikum wertfreier betrachten kann und nicht als schwarzweiß. Fürs Theater wünsche ich mir, dass die neue Intendanz ab 2026 im Bewerbungsverfahren auch unter dem Kriterium 'inklusives Theater' ausgesucht wird. Dazu könnte gehören, dass Schauspiel- und Tanzensemble diverser werden und zum Beispiel mit behinderten Menschen mitbesetzt werden."

4. Thorsten Leykauf (41) aus Würzburg: "Das ist eine Anfeindung Menschen mit Behinderung gegenüber"

Thorsten Leykauf ist der Meinung, dass nicht jeder Mensch mit Behinderung über einen Kamm geschert werden darf. 
Foto: Patty Varasano | Thorsten Leykauf ist der Meinung, dass nicht jeder Mensch mit Behinderung über einen Kamm geschert werden darf. 

"Ich finde es total unverschämt, was Herr Trabusch da losgelassen hat. Das ist Diskriminierung und eine Anfeindung Menschen mit Behinderung gegenüber. Seinen Vorschlag, Sondervorstellungen ins Leben zu rufen, finde ich absoluten Müll. Das hat nichts mit Inklusion zu tun. Ich finde das unmöglich, denn jeder Mensch ist anders und er kann nicht jeden Menschen über einen Kamm scheren. Die 'Relaxed Performances' in der Art, wie das Chambinzky sie beispielsweise bereits umgesetzt hat, finde ich hingegen gut. Sie bieten Menschen, die nicht in der Lage dazu sind, die normalen Vorstellungen zu besuchen, die Möglichkeit, trotzdem ins Theater zu gehen. Das könnten sich das Mainfranken Theater und der Intendant Trabusch abgucken und auch anbieten. Aber das Theater sollte diese nicht anbieten, um in seinen Augen störende Menschen, die nichts dafür können, von den 'normalen' Vorstellungen fernzuhalten."

 
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  • Ralph Milewski
    Die Vorschläge von Herrn Trabusch zeigen, wie der Begriff „Inklusion“ durch Sonderprojekte missbraucht werden kann. „Relaxed Performances“ mögen als Ergänzung sinnvoll sein, doch sie dürfen nicht genutzt werden, um Menschen mit Behinderungen aus regulären Vorstellungen auszugrenzen.

    In meinem Artikel „Die Problematik des Missbrauchs des Begriffs ‚Inklusion‘ durch Sonderprojekte“ habe ich auf kobinet beschrieben (https://kbnt.org/shpru50), wie solche Ansätze oft gut gemeint, aber schlecht umgesetzt werden. Echte Inklusion bedeutet, dass alle Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten gemeinsam teilhaben können – ohne Ausgrenzung.

    Theater sollten Orte der Begegnung sein, die Vielfalt als Bereicherung verstehen, statt Menschen mit Behinderungen als „Störung“ wahrzunehmen.
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  • Klaus B. Fiederling
    ich finde spätestens j e t z t gehört der Intendant abgesetzt. Das ist ja schon Menschenentwürdigend! Da werden Behinderte zu Menschen 2. Klasse diskriminiert.
    Auch das ist Mißbrauch werter Herr Trabusch. Sowas hatten wir schon mal ....
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  • Frank Stößel
    Ihre Empörung teile ich, Herr Fiederling. Doch Herr Trabusch sollte sich in einem offenen Theater-Gespräch der berechtigten Kritik an seiner Einstellung gegenüber TheaterbesucherInnen mit Behinderungen stellen und sich bei diesen Menschen und ihren Angehörigen entschuldigen. Sollte er sich diesem Dialog nicht stellen, sollte sich die Antidiskriminierungsstelle der Stadt einschalten. Im schlimmsten Fall wäre auch an eine Klärung im Sinne echter Inklusion vor Gericht denkbar. Sollte all das auch nicht fruchten, wären weitere Schritte des Kulturausschusses, des Stadtrates, des Kulturreferenten, der zuständigen 3. Bürgermeisterin und des Oberbürgermeisters möglich. Wie gesagt, noch hat Herr Trabusch die Möglichkeit, sich eines Besseren zu besinnen und sich zu entschuldigen, um künftig derlei Diskriminierung zu unterlassen und zu betonen, dass im MfT jeder Mensch, ob ohne oder mit Handicap willkommen ist. Bis dahin könnte man ihm auch eine Frist setzen.
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