Ein Vorfall am Mainfranken Theater Würzburg hat eine Debatte über Inklusion und den Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Kulturbereich ausgelöst. Nach einer Aufführung des Stücks "Ente, Tod und Tulpe" am vergangenen Sonntag äußerte sich Intendant Markus Trabusch über einen Mann mit Behinderung, der mit wiederholten Zwischenrufen den Ablauf des Stücks "ganz massiv gestört" habe. Dies rief scharfe Kritik hervor, unter anderem von Julian Wendel, dem Behindertenbeauftragten der Stadt Würzburg, der sich nun bestürzt an diese Redaktion wandte.
"Wenn sich ein Theaterbesucher aufgrund seiner Behinderung während der Aufführung nicht still verhalten kann und einzelne Szenen kommentiert, bejubelt oder beweint, ist das für diesen Menschen ein natürliches Verhalten", erklärt Wendel. Den Vorschlag von Trabusch, sogenannte "Relaxed Performances" anzubieten, bei denen Menschen mit Beeinträchtigungen ein "angemessener Theatergenuss" ermöglicht werden sollen, ohne die Darstellenden unter Druck zu setzen, kritisiert er stark. Wendel bezeichnet diese Idee als "das Gegenteil von Inklusion".
Er wisse, dass man lautstarke Kommentare nicht schönreden oder behaupten muss, dass diese niemanden stören, so der Behindertenbeauftragte. "Aber das sollte weder für Zuschauende noch für Darstellende ein großes Problem sein, genau wie Zwischenrufe von Kindern, Husten oder Niesen auch akzeptiert sind." Der Vorschlag wirke wie eine "Aussonderung" und sei besonders "dreist", weil er mit einem euphemistischen Begriff präsentiert werde.
Stadträtin Trost "erschüttert" über fehlende Reflexion des Intendanten
Auch im Werkausschuss des Mainfranken Theaters wurde das Thema am Dienstagnachmittag intensiv diskutiert. Grünen-Stadträtin Silke Trost zeigte sich entsetzt über Trabuschs Umgang mit dem Vorfall und kritisierte ihn direkt: "Ich bin erschüttert, dass es ein Problem zu sein scheint, wenn jemand Freude und Emotionalität äußert. Ich bin auch erschüttert über so wenig Reflexion und Professionalität von Ihnen."
Sie äußerte sich enttäuscht über die mangelnde Professionalität und Empathie des Intendanten und forderte eine Entschuldigung bei der betroffenen Familie. Außerdem betonte sie die Bedeutung von Diversität im Publikum: "Die Gesellschaft muss und soll aushalten, dass das Publikum divers ist."
"Relaxed Performances" als gutes Vorbild aus Skandinavien
Trabusch entgegnete, dass der Vorfall komplexer sei, als er dargestellt werde. "Ich gebe zu, dass ich nicht glücklich bin, wie ich mich letztendlich in der Situation verhalten habe", räumt er ein. Dennoch betonte er weiterhin, dass die Vorstellung durch die Zurufe des Zuschauers "erheblich beeinträchtigt" worden sei. Auch die Schauspieler und Musiker hätten ihm dies rückgemeldet.
Mit Blick auf die "Relaxed Performaces" verwies Trabusch auf positive Erfahrungen aus Skandinavien, wo an einigen Theaters spezielle Vorstellungen für ein diverses Publikum etabliert seien. "Es gibt Stücke, da sind Zwischenrufe und Störungen einfach nicht vertretbar", erklärte er. Das Stück "Ente, Tod und Tulpe" sei ein solches, da es auf Einfühlung und leisen Tönen basiere. Die Idee der "Relaxed Performances" sei ein Versuch, den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. "Ich finde es nicht richtig, so zu tun, als ob man darüber nicht sprechen müsste", sagte er.
Stadtrat Joachim Spatz bezeichnet Sondervorstellungen als "Nicht-Inklusion"
Während nur Gisela Pfannes (SPD) Trabuschs Ansatz offen unterstützte, forderten andere Mitglieder des Ausschusses eine grundsätzlich inklusivere Haltung des Hauses. Joachim Spatz (FDP) bezeichnete speziell aufbereitete Vorstellungen als "Nicht-Inklusion". Auch er meint: "Die Gesellschaft muss das aushalten." Stadträtin Trost betonte, dass es essenziell sei, mit betroffenen Personen in Dialog zu treten, anstatt über sie zu sprechen. Dies entspreche dem Leitgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention: "Nichts über uns ohne uns."
Auch Barbara Meyer (Linke) äußerte sich enttäuscht: "Ich war wirklich so naiv zu glauben, dass Theater und Kunst Bewusstsein und Akzeptanz schaffen können." Sie schlug vor, die Schauspielerinnen und Schauspieler in Schulungen darauf vorzubereiten, wie sie in ähnlichen Situationen sensibel und professionell reagieren könnten.
Es gibt sicher viele charakterlich ungeeignete Menschen in Führungspositionen - ob Herr Trabusch dazu gehört erlaube ich mir nicht zu beurteilen.
Was ich aber beurteilen kann, ist die Vielfalt und Heterogenität von Menschen mit Behinderung, die hier mit dem Gestus der „Toleranz“ alle über einen Kamm geschert werden.
Es gibt auch unter Menschen mit Behinderung sehr sensible und ruhige Menschen, auch Autismus ist ein Thema, die sich - vermutlich mehr als Sie und ich - sehr durch andere Menschen mit Behinderung beeinträchtigt und „gestört“ fühlen, die z.B. mangels anderer Ausdrucksmöglichkeiten ihre Befindlichkeiten durch Schreien und Rufen zum Ausdruck bringen. Und dennoch mit ihnen in Wohnheimen zusammen leben müssen oder gemeinsam in Behindertenwerkstätten separiert werden, wo sie für einen „Lohn“ von rund 200 Euro für Firmen tätig sind, die so ihre „Ausgleichszahlungen“ drücken, weil sie selbst keine „ Behinderten“ beschäftigen…