Ab sofort schützen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdiensts die Vorstellungen des Mainfranken Theaters am DenkOrt Deportationen, dem Mahnmal für die ermordeten mainfränkischen Jüdinnen und Juden, vor dem Würzburger Hauptbahnhof. Anouk Elias, die Darstellerin im "Tagebuch der Anne Frank", hatte sich nach Pöbeleien von Passanten, teilweise mit antisemitischen Inhalten, dort nicht mehr sicher gefühlt.
"Ich bin dem Theater dankbar, dass es jetzt so entschieden hat", sagt die 25-Jährige. Zuvor hatten die Beratungsstelle B.U.D. für Betroffene rechter Gewalt, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern sowie die Theater-Gewerkschaft GDBA Druck gemacht und an die Fürsorgepflicht des Theaters für ihre Mitarbeiterin appelliert.
Anne Frank - eine Teenagerin im Wechselbad der Gefühle
Die Würzburger Inszenierung von "Das Tagebuch der Anne Frank" ist ein beeindruckendes Theaterprojekt. Im ersten Teil macht das Publikum, ausgerüstet mit Kopfhörern und Empfangsgeräten, einen kleinen Spaziergang durch die Stadt. An historischen Orten erinnern Beiträge, gelesen von Schauspielerinnen und Schauspielern, an die während der Nazizeit verfolgten Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Angekommen am DenkOrt Deportationen begegnet den jeweils höchstens 30 Zuschauerinnen und Zuschauern eine vitale, warmherzige und witzige junge Frau: Anne Frank. Anouk Elias spielt eine energiegeladene Teenagerin im Wechselbad der Gefühle, hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung auf ein unbeschwertes Leben, ihrem Liebeskummer, ihren Träumen und Ängsten.
Der Bahnhofsvorplatz ist gerade während der Abendvorstellungen ein lebendiger Ort
Eine Stunde lang schlängelt sich Anouk Elias an den steinernen, hölzernen, metallenen Bündeln, Koffern und Rucksäcken am DenkOrt entlang. Sie klettert darin herum, richtet sich immer wieder kleine Lager ein. Ein schauspielerischer Husarenritt, der so eindringlich wirkt, weil das Schicksal der historischen Anne Frank bei Zuschauerinnen und Zuschauern präsent ist: Gerade mal 15 Jahre alt, wurde die Familie nach Jahren im Versteck, 1944 verraten und ins KZ Bergen-Belsen verschleppt, wo Anne Frank vermutlich Anfang 1945 am Fleckfieber gestorben ist.
Wirkung erzielt das Stück auch wegen der Umgebung der "Open-Air-Bühne": Der Bahnhofsvorplatz ist gerade während der Abendvorstellungen ein lebendiger Ort, nebenan am vierspurigen Röntgenring rauscht der Verkehr. Anne Franks Leben im Versteck, die Verfolgung der Jüdinnen und Juden geschah mitten unter uns. Man hätte es sehen können, sehen müssen.
Jede Vorstellung verlangt höchste Konzentration
Dass jede der über 30 geplanten Vorstellungen an diesem offenen, frei zugänglichen Spielort Anouk Elias und dem kleinen Team hinter der Bühne höchste Konzentration abverlangt, ist offensichtlich. Umso schwieriger wird es, wenn Schaulustige nicht einfach still stehen bleiben (was durchaus erwünscht ist), sondern sich demonstrativ den Weg durchs Bühnenbild bahnen (womöglich mit Rollkoffer im Schlepptau) oder besonders lange vor Infotafeln stehen bleiben. "Aber ja", sagt Anouk Elias, "mit diesen Störungen musste ich rechnen, damit komme ich klar".
Schlimm für sie sei es aber, wenn vor allem an lauen Sommerabenden Angetrunkene in Richtung DenkOrt wanken, Musik spielen, laut miteinander reden oder gar streiten. Zwar griffen Kolleginnen und Kollegen wie der Inspizient, die Regieassistentin oder der Direktionsdienst dann ein, die Spannung zu bewahren, falle ihr unter diesen Umständen gleichwohl schwer, sagt Anouk Elias.
Trauriger Höhepunkt sei eine Vorstellung Anfang Mai gewesen, als ein mutmaßlich Betrunkener am Rande der Aufführung Sprüche losgelassen habe wie "Scheiß Judenveranstaltung" oder "Was erzählt ihr hier für Lügen". Anouk Elias sagt ganz freimütig: "Ich fühlte mich bedroht." Sie habe versucht, sich zwischen den Koffern zu verstecken, das Spiel zu verzögern, sich durchzuhangeln, bis die Pöbelnden abgedrängt waren. "Im Nachhinein ärgere ich mich, die Vorstellung nicht abgebrochen zu haben", sagt die 25-jährige Schauspielerin, "aber ich wollte das Publikum nicht enttäuschen".
Als sie mit ihren Ängsten, die auch die Sorgen ihrer Kolleginnen und Kollegen am Set seien, auf Schauspieldirektorin Barbara Bily zuging, sei sie auf wenig Verständnis gestoßen, berichtet die Schauspielerin. Man habe sie auf das mit allen Beteiligten besprochene Sicherheitskonzept hingewiesen. Demnach seien immer mindestens vier Theater-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter vor Ort, um notfalls einzugreifen, alle hätten eine direkte Notfall-Nummer zur Polizei. Zudem hätten die Beamten das Gelände bei Streifenfahrten im Blick.
Schauspielerin fühlt sich auf der Bühne nicht mehr wohl
Anouk Elias reicht das nicht. Sie fühlt sich auf der Bühne nicht mehr wohl, selbst wenn sich so ein drastischer Zwischenfall wie im Mai nicht wiederholt. Mal schreie jemand laut "Nazi", ein andermal höre sie in der Ferne Rechtsrock. "Da rutscht einem jedes Mal das Herz in die Hose." Nicht zuletzt wegen ihres eigenen "jüdischen Hintergrunds" - große Teile ihrer Familie seien in der Shoah ermordet worden -, habe sie um den Einsatz von Sicherheitsleuten am Spielort gebeten. "Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr engagiert, haben aber vor Ort eigene theaterspezifische Aufgaben, bei Übergriffen durch Dritte braucht es Profis", ist sie überzeugt.
Nachdem sie mit ihrer Forderung bei Bily und Intendant Markus Trabusch auf Granit gebissen hatte, wandte sie sich an die Bühnengewerkschaft. Dort stärkte man Elias mit Unterstützung von Rias und B.U.D. den Rücken: "Der sichere Ablauf der Vorstellung durch klar erkennbares Security-Personal, das bei potenziellen körperlichen Bedrohungen gegenüber der Schauspielerin unmittelbar handeln kann, muss gewährleistet sein", so die Forderung des GDBA-Landesvorsitzenden Erik Völker. Antisemitische Zwischenrufe könnten schnell auch körperliche Gewalt nach sich ziehen, schreibt B.U.D-Sprecherin Kathrin Seebahn in einer Stellungnahme.
Trabusch: "Wir wollen kein militärisches Sperrgebiet"
Die Verantwortlichen am Mainfranken Theater zeigen für die Forderung zunächst wenig Verständnis. Er sehe seine Fürsorgepflicht als Arbeitgeber, sagt Intendant Trabusch im Gespräch mit dieser Redaktion. Gleichzeitig betont er, man habe in Sachen Sicherheit nicht zuletzt nach Rücksprache mit der Polizei "alles getan, was angeraten erscheint". Man sei sich einig gewesen, dass der DenkOrt Deportationen ein sensibler Spielort sei, man wolle ihn aber während der Vorstellung nicht abschotten: "Wir wollen dort kein militärisches Sperrgebiet." Alles andere widerspreche dem Geist der Produktion.
Dennoch hat das Theater jetzt eingelenkt: Man achte das subjektive Sicherheitsempfinden von Schauspielerin Elias, sagt Dirk Terwey, der Geschäftsführer des Mainfranken Theaters. Ab sofort werde deshalb bei allen Vorstellungen am DenkOrt Deportationen ein professioneller Wachdienst für zusätzliche Sicherheit sorgen.
"Das Tagebuch der Anne Frank" spielt das Mainfranken-Theater am 19., 21., 23. Juni sowie am 1.,8. und 16. Juli jeweils um 20 Uhr. Außerdem gibt es tagsüber Schulvorstellungen. Karten unter www. mainfrankentheater.de
Solche Kommentare strotzen nur so vor Häme und haben mit der Sache nichts zu tun, nein solche Kommentare lenken von dem ab um das es geht nämlich:
- das dort Sprüche fallen wie "scheiß Judenveranstaltung", "Was erzählt ihr hier für Lügen", "Nazi"!
- das dort offen Rechtsrock gehört wird
- das dort Menschen verbald bedroht werden.
Das ist die Probleme um die es geht! Im Wegschauen, relativieren und hämisch kommentieren sind viele ganz stark! Da wird lieber eine Schauspielerin angegangen und lächerlich gemacht während man die eigentliche Schande kaum anspricht. Wirklich beschämend so ein Verhalten.
Traurig, wenn antisemitische Pöbeleien für Sie normaler Alltag sind.
Und was soll eine Security bewirken?
Wenn zudem demonstrativ und martialisch Security herumsteht, zieht das auch immer Gaffer, Neugierige und Schaulustige an, die sich irgendwelche Sensationen oder zumindest einen kurzen Blick auf Hofstaat haltende C-Prominenz erhoffen. Win-Win.
Der Aufmerksamkeitseffekt wäre viel geringer wenn alles in üblichen und gewohnten Bahnen verliefe.
die Begabung der Schauspielerin daran beurteilen, ob Sie sich von Nazisprüchen in der Öffentlichkeit bedroht fühlt oder nicht?
Ja, so eine Aussage wollte jetzt wieder keiner lesen. Feuer frei.
der rechten Dauerpropaganda der Abwärts für Deutschland und ihr nahestehenden Organisationen wie 3. Weg und weitere zeigt leider immer schrecklichere Folgen.
Vor Jahren hat sich kaum einer getraut solche antisemitischen Äußerungen in der Öffentlichkeit zu äußern. Als Folge von ca. siebenjähriger öffentlicher Wirkung der AfD und anderer rechtsradikaler Parteien kommen die "Ratten" aus ihren Löchern und äußern sich wieder unverhohlen, weil sie sich angesichts des breiten Erscheinungsbildes rechter Organisationen einfach mehr bestätigt fühlen.
Woher wollen sie wissen, daß der Betrunkene, den sie hier moralisch verwerflich als Ratte bezeichnen, auf die Propaganda der AfD hereingefallen ist? Vielleicht war der Betrunkene einfach nur betrunken!
Wollen Sie behaupten, dass ein liberaler und weltoffener Mensch, der nichts mit Antisemitismus am Hut hat, im Suff plötzlich antisemitische Parolen von sich gibt.
Der Betrunkene trägt diese Hetze und Parolen auch in nüchternem Zustand mit sich und ich behaupte jetzt einfach mal, vor der Zeit der Abwärts für Deutschland hätte er es sich nicht getraut, diese Judenhetze zu äußern.
Durch AfD, III. Weg und andere sind diese Parolen einfach viel öfter in der Öffentlichkeit und somit trauen sich eben viele, die im 3. Reich die klassischen Mitläufer gewesen wären, sich entsprechend zu äußern.
Den Mut einer jungen Darstellerin ein Bühnenstück in den öffentljchen Raum zu legen, gebührt meinen höchsten Respekt. Eigentlich müssten Sie jeden Abend durch Ihre Anwesenheit Anojk Elias bekunden, das Theater sagt danke, für diese grossartige Leistung.
Außerdem, liebe Mainpost, sollte der jüdische Hintergrund der Schauspielerin nicht mit potentiell relativierenden Anführungszeichen geschrieben werden.