Sitzt die Schweinenase, die rote Lockenperücke, der Anzug, die Fliege? Während die Kinder der Grundschule Röttingen hinter der Bühne auf den Start der Probe für das Musical „Eine Woche voller Samstage“ warten, überprüfen sie vor einem großen Spiegel mit kritischem Blick immer wieder ihre Kostüme. Die 17 Schüler der zweiten bis vierten Klasse sind aufgeregt: Am Muttertag führen sie zum ersten Mal ihr Stück auf Burg Brattenstein auf. Neben Hunderten von Gästen, die erwartet werden, hat auch Paul Maar, Autor des Musicals und Vater des Sams, seinen Besuch angekündigt.
„Eine Woche voller Samstage“ ist bereits die dritte Zusammenarbeit der Grundschule Röttingen mit dem „Jungen Theater“ der Frankenfestspiele. 2016 hatte man als Pilotprojekt gemeinsam das Singspiel „Der kleine Tag“ aufgeführt, im vergangenen Jahr das Musical „Prinz Owi lernt König“. Ein Großteil der mitwirkenden Kinder beim „Sams“ sei schon zum zweiten oder dritten Mal beim Musical-Projekt der Grundschule dabei, sagt Konrektorin Simone Stachel, die die Choreografie für das Stück entwickelt hat.
„Mini-Casting“ in der Grundschule
Bei einem Stück für die Grundschule stehe vor allem eine Frage im Vordergrund, erklärt Frederike Faust: Ist es für Kinder spielbar? Vor dem „Sams“ hätten sie und die anderen Verantwortlichen großen Respekt gehabt, so die Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen. „Das Stück hat wahnsinnig viel Text.“ Nach einem „Mini-Casting“, bei dem die Kinder ein Lied singen und eine kleine Szene spielen sollten, wurden die Figuren – darunter die drei Hauptrollen Sams (Heidi Pflüger), Herr Taschenbier (Natalie Bätz) und Frau Rotkohl (Lorena Wengel) – besetzt. „Wir haben uns gleich zu Anfang des Schuljahres hingesetzt und die Kinder bekniet, mit Hilfe der Eltern den Text zu lernen“, sagt Faust.
Regie führt erstmals Anna Harandt, die seit 2016 als Tontechnikerin für die Frankenfestspiele tätig ist. Nachdem Lehrerin Bettina Bumm, die Regisseurin der vergangenen zwei Jahre, nicht mehr zur Verfügung stand, sprang zunächst Frederike Faust ein. Als Anna Harandt davon erfuhr, bot sie sich als Regisseurin an – „eine Bauchentscheidung“, sagt sie. „Ich arbeite gern mit Kindern, und Regie wollte ich auch schon immer einmal führen.“ Gleichzeitig ist sie auch für den Ton des Stückes verantwortlich. „Die Tontechnik muss wie im Schlaf funktionieren – wenn ich gerade am Mischpult zu tun habe, kann ich darauf wetten, dass genau dann ein Kind seinen Einsatz vergisst“, sagt sie und lacht.
„Heidi, in die Mülltonne, bitte!“
Dass Harandt viele der Kinder durch ihre Arbeit als Tontechnikerin bereits aus den vergangenen Jahren kennt, erwies sich beim Erarbeiten des Stückes als Vorteil: „Jedes Kind bringt ein Talent mit, etwas, womit man arbeiten kann.“ So habe sie zusammen mit Faust versucht, die Charaktere der Kinder in ihre jeweilige Rolle einzubinden. „Bei der Arbeit mit Grundschülern bleibt ein letztes Stück Unberechenbarkeit“, so Fausts Erfahrung. „Das macht's noch eine Spur aufregender.“
Ehe die Probe beginnt, ist beim Warm-Up auf der Bühne volle Konzentration gefragt: „20 Zwerge machen einen Handstand, zehn im Wandschrank, zehn am Sandstrand“, skandiert Faust zusammen mit den Schülern; im Kreis wird zu diversen Zungenbrechern rhythmisch geklatscht, sich gestreckt, auf einem Bein gehüpft und gesprungen. „Sind wir gut? Sind wir laut? Kann?s jetzt losgehen?“, ruft Faust, und wird jeweils von einem lauten „Ja“ der Schüler unterbrochen. Vom Mischpult am Rand des Burghofs kommen im Anschluss die Regieanweisungen: „Heidi, in die Mülltonne, bitte!“, ruft Harandt, und das Sams verzieht sich brav in eine Tonne.
Zwiebellook für das Sams
Inzwischen hat sich im Burghof die Mittagshitze breit gemacht. „Wer spielen will, muss leiden“, ächzt Finn, der als Straßenfeger verkleidet mit einem großen Besen um die Tonne herum fegt. Das Sams hat es in Sachen „luftiges Outfit“ am schlechtesten getroffen: „Ich habe meine normalen Anziehsachen an, darüber mein Bauchkostüm, das Hautkostüm und den Taucheranzug; dazu kommen Lockenperücke, Schweinenase und die Punkte im Gesicht“, zählt Sams-Darstellerin Heidi auf. Ihr Fazit: „Ich schwitze mega.“
„Die meisten Kostüme kommen von den Eltern“, sagt Aleksandra Gorth, die die Koordination der Kostüme übernommen hat. „Jeder bringt mit, was er hat, und näht, wenn er kann.“ Der Rest werde geliehen oder gekauft. Um die Kulissen kümmern sich mit Fantasie und Improvisationstalent Julia Götz und Nadja Ziegler. Für Bäume in einer Waldszene etwa haben die beiden Leerrohr besorgt, das sie um Holz wickeln, um Stämme nachzubilden; die Baumkronen haben sie aus eingefärbtem Gartenvlies gebastelt.
Kooperationsvertrag mit den Schulen
Seit der Einführung der Sparte „Junges Theater“ bei den Frankenfestspielen Röttingen vor zwei Jahren hat sich viel getan: Inzwischen gibt es laut Faust eine Zusammenarbeit mit 13 Schulen. Diese nutzen das Angebot auf unterschiedliche Art: von „Rundum-Paketen“, bei denen mit den Schülern ein aus dem Spielplan gewähltes Stück vor- und nachbereitet sowie dessen Probe und Vorstellung besucht wird, über Literaturworkshops zu den Stücken, bis hin zum Angebot für Schulen, selbst einstudierte Stücke im Rahmen der Festspiele auf Burg Brattenstein aufzuführen. Für die Zukunft strebt Faust einen Kooperationsvertrag mit den Schulen über mehrere Jahre an: „So können sich Vertreter der Schulen selbst melden und sagen, welches unserer Angebote sie gerade brauchen.“