Viel los auf Burg Brattenstein: Am Sonntag startet in Röttingen das Junge Freilichttheater der Frankenfestspiele in die neue Saison. Auf dem Programm steht das Musical „Die Schneekönigin“. Das Stück ist eine Kooperation zwischen den Festspielen und der Ochsenfurter Realschule am Maindreieck, die zum ersten Mal an den Festspielen beteiligt ist.
Einige Tage vor dem Auftritt ist eine Bühnenprobe auf der Burg angesagt; vor dem alten Gemäuer tummeln sich Kinder und Jugendliche. Neben den 22 Musical-Darstellern sind auch die Mitglieder der Schulband anwesend – allesamt Schülerinnen und Schüler der sechsten bis zehnten Klasse mit dem Wahlfach „Musical“. Im Publikum: Die fünfte Klasse der Weikersheimer Gemeinschaftsschule, die zum Probenbesuch und zu einer Backstage-Führung vorbeischaut.
„Passt auf das Bühnenbild auf, der Schnee ist vom Regen nass“, warnt Jeanette Geiger eine Gruppe von Mädchen, die am Bühnenrand auf der Schnee-Dekoration Platz nehmen will.
Die Lehrerin, die im Schulalltag an der Ochsenfurter Realschule Deutsch und Erdkunde unterrichtet, hat als Gesamtleiterin der Aufführung kleine Details ebenso im Blick wie das große Ganze: Funktioniert das Zusammenspiel der Schüler mit der Schulband, die in einer Art Glaskasten spielt und vom Geschehen auf der Bühne getrennt ist? Wie gestalten sich auf der großen Bühne die Laufwege der Darsteller? Wie baut man das Bühnenbild um, wenn der Vorhang nicht alles verdeckt? Hat Schüler XY die Zipfelmütze, die er für sein Kostüm braucht?
„Ich bin ein sehr perfektionistischer Mensch“, sagt Geiger. „Die Woche vor einer Aufführung schlafe ich nicht. Aber: Wir machen hier Schultheater und arbeiten mit Kindern – das muss man sich immer in Erinnerung rufen.“
Nach über einem Jahr Probezeit – das Wahlfach „Musical“ ist freiwillig und findet nachmittags statt – hat das Schneeköniginnen-Ensemble die Premiere des Stückes bereits hinter sich: Die Aufführung an der Realschule Ochsenfurt in der vergangenen Woche vor 230 Zuschauern war „toll, es gab viel Lob“, so Geiger.
Und einen Schreckensmoment: Mitten im Stück stürzte Schneekönigin Annabel Schönig auf ihren hohen Stöckelschuhen – und brachte ihre Rolle trotz schmerzhafter Verletzung zu Ende.
Auf Burg Brattenstein sitzt die 13-Jährige mit geschientem Fuß backstage bei kalter Pizza und wartet auf ihren Auftritt. „Die Bühne hier ist schön groß“, sagt sie. „Dadurch fühlt man sich sicher, weil man nicht befürchten muss, gleich runter zu fallen.“ Vor der Schulaufführung habe sie mit heftigem Lampenfieber zu kämpfen gehabt: „Mir war vor Aufregung schlecht und schwarz vor den Augen.“
Den zwei Auftritten auf der Burg sieht sie gelassener entgegen. Ihren Text hat sie oft geübt, „sogar im Urlaub“. Was ihr an ihrer Rolle am meisten Spaß macht? „Auf der Bühne zu stehen und als böse Königin alle herumzukommandieren“, sagt die 13-Jährige und lacht.
Für die Rollenverteilung im Stück gab es für die Teilnehmer des Musical-Workshops ein klassisches Casting mit Vorsingen. „Natürlich gibt es keine 22 Hauptrollen“, sagt Lehrerin Jeanette Geiger, „ich habe aber eine Szene dazuerfunden, damit alle Schüler auftreten können.“
Das beste Textgedächtnis braucht unterdessen Jana Kieselbach, die als Gerda eine der drei Hauptrollen verkörpert. Sie spielt in fast jeder Szene mit; dementsprechend umfangreich ist der Text, den sie lernen musste.
„Ich bin die Prinzessin und finde es toll“, singt Alina Maar mit heller und klarer Stimme, während sie selbstbewusst vor der beeindruckenden Burg-Kulisse auf und ab schreitet und vier Mitschülerinnen – einer Horde von Rentieren – Befehle erteilt.
Lampenfieber scheint bei der Bühnenprobe kein Thema zu sein. „Wenn man in seiner Rolle spricht, ist es ok“, meint eine Schülerin. „Beim Singen bin ich dagegen die ganze Zeit nervös.“ „Der Applaus macht einem Mut, sich vor Leuten zu präsentieren“, sagt eine andere. Trifft das vor allem auf Mädchen zu – besteht doch das Schneeköniginnen-Ensemble aus 21 Schülerinnen und lediglich einem Schüler?
„Ich glaube, viele Jungs finden es peinlich, auf der Bühne zu stehen“, meint Luke Hehn, der als Kay die dritte Hauptrolle des Stückes übernimmt. Der 14-Jährige hat zum ersten Mal das Wahlfach „Musical“ belegt. „Ich singe gern und erzähle auch meinen Mitschülern, wie viel Spaß das Ganze macht.“
Auch er genießt es, beim Spielen in eine ganz andere Rolle zu schlüpfen: „Es gibt eine Szene, in denen ich die Rentiere richtig anschreien darf – da kann man alles rauslassen, was sich aufgestaut hat“, grinst der Achtklässler.
Damit Kays Wutausbruch auch im Publikum gut verständlich ankommt, ist einiges an Technik gefragt. Nach dem Winter, in dem wetterbedingt ein Großteil der technischen Ausrüstung abgebaut wird, richtet das Technik-Team der Frankenfestspiele vor der neuen Saison zwei Wochen lang alles wieder ein.
„Wenn auf der Bühne richtig Action herrscht, haben wir einen Stromverbrauch wie ein kleines Dorf“, sagt Udo Beil, technischer Leiter der Festspiele. Damit die Schauspieler im gesamten Burghof gut zu verstehen sind, trägt jeder ein so genanntes Mikroport – ein kleines schnurloses Mikrofon, das am Kopf befestigt wird. Knapp 2000 Batterien sind pro Saison nötig, um die Mikroports am Laufen zu halten, so Beil.
Um das Geschehen auf der Bühne in Szene zu setzen, spielt neben dem Ton auch Licht eine wichtige Rolle. „In einem Musical haben wir an die 180 verschiedene Lichtstimmungen und –wechsel“, sagt Beil. Diese werden vor den Aufführungen ausprobiert und am Lichtpult eingespeichert. „Beim Stück selbst wird nur noch die „'Go'-Taste gedrückt.“
Dem Musical-Workshop der Realschule gehört auch ein Technik-Team an, das aus acht Schülern besteht. „Die Kinder haben hier Gelegenheit zu lernen, mit der Technik und der großen Bühne zurecht kommen“, erklärt Frederike Faust, Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen. Und Jeanette Geiger ergänzt: „Es ist eine tolle Erfahrung für die Schüler, auf einer großen Bühne auftreten zu dürfen.“