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Landkreis Würzburg
Müssen Pfingstrosen für Abu Dhabi aus der Bergtheimer Mulde kommen?
AKW-Türme als Wasserspeicher? Oder Mainwasser für die Bergtheimer Mulde? Eine Studie soll das untersuchen. Dass dabei nicht alle Gemeinden im Boot sind, ärgert Kreispolitiker.
Unter diesen Folien, in einer der trockensten Regionen Bayerns, wachsen zwischen Bergtheim und Unterpleichfeld Pfingstrosen und Himbeeren. Die FDP im Kreistag ist darüber nicht glücklich. 
Foto: Irene Konrad | Unter diesen Folien, in einer der trockensten Regionen Bayerns, wachsen zwischen Bergtheim und Unterpleichfeld Pfingstrosen und Himbeeren. Die FDP im Kreistag ist darüber nicht glücklich. 
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:22 Uhr

In der Bergtheimer Mulde im Norden von Würzburg ist es seit Jahren besonders trocken. Jahr für Jahr sinkt der Grundwasserspiegel und gibt Anlass zur Sorge. Denn ausgerechnet hier sind die Böden besonders gut. Landwirte nutzen diese Flächen, insgesamt etwa 8500 Hektar, um Feldgemüse und Beeren anzubauen. Und das soll auch so bleiben, sind sich Politik und Landwirtschaft weitgehend einig. "Mir ist die Karotte aus Unterpleichfeld lieber, als die aus Israel", betonte Landrat Thomas Eberth (CSU) bei einer Diskussion im Kreisausschuss, wo er auch über die Inhalte einer Machbarkeitsstudie zur Bewässerung in der Bergtheimer Mulde informierte. 

Dass im Norden Würzburgs, genauer gesagt am Rande von Bergtheim, nicht nur regionale Feldfrüchte angebaut werden, sondern auch edle Pfingstrosen, die unter anderem auch nach Saudi-Arabien geliefert werden, kritisierte FDP-Kreisrat Wolfgang Kuhl. "Hier wird nicht nur für die Region produziert, sondern für Deutschland und die Welt. Mit unserem Trinkwasser werden Pfingstrosen für Abu Dhabi gezüchtet", sagte er. Dabei dürfte nur ein Drittel der neu gebildeten Grundwasserschicht zur Bewässerung entnommen werden, doch die Speicher würden seit Jahren nicht gefüllt. "Wissen Sie das, Herr Landrat?"

Dass ausgerechnet ein FDP-Mann Kritik an der freien Marktwirtschaft äußerte, sorgte für ein deutliches Raunen im Sitzungssaal. Eberth entgegnete, dass das Wasserwirtschaftsamt bereits 2016 ein Moratorium ausgesprochen habe, und neue Wasserrechte nicht mehr vergeben würden. In der Machbarkeitsstudie, die der Landkreis Würzburg unterstützt, gehe es aber auch nicht nur darum, "den Landwirten möglichst viel Wasser zur Verfügung zu stellen", erklärte der Landrat. Es soll auch um die Artenvielfalt im nördlichen Landkreis gehen: Um den vom Aussterben bedrohten Feldhamster, der im Großraum Bergtheim noch zu Hause sei, wie auch um die Wiesenweihe, deren Bestand immer mehr zurückgehe.

Müssen Pfingstrosen für Abu Dhabi aus der Bergtheimer Mulde kommen?

Dass überhaupt über die Möglichkeiten der Bewässerung im nördlichen Landkreis im Kreisausschuss diskutiert wird, ist auf einen Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zurückzuführen. Grundsätzlich begrüßen die grünen Kreisrätinnen und Kreisräte den regionalen Anbau von Obst und Gemüse und eine Machbarkeitsstudie, die entschlüsselt, wie eine Bewässerung in der Bergtheimer Mulde künftig aussehen könnte, heißt es im Antrag. Für Kreisrat Stefan Rettner (Bündnis90/Die Grünen) ist klar, dass ein landwirtschaftlicher Anbau von Feldfrüchten im trockensten Gebiet Unterfrankens künftig ohne 1,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser auskommen muss. "Das ist in etwa so viel, wie der Ellertshäuser See, der gerade komplett abgelassen wird", erklärte er. 

"Mir ist die Karotte aus Unterpleichfeld lieber, als die aus Israel." 
Thomas Eberth (CSU), Landrat

Für seine Fraktion führte er aus, wie sich die Grünen die Zukunft in der Bergtheimer Mulde vorstellen könnten - und auf welche Möglichkeiten die Studie eingehen sollte. Ganz oben steht dabei die Tröpfchenbewässerung. "Diese könnten noch deutlich mehr Landwirte nutzen", sagte er. Es sollte aber auch untersucht werden, inwieweit der Anbau von wassersparenden Kulturen ausgebaut werden könnte und Regenspeicher vor Ort möglich sind. Auch das Wasser, mit dem das Gemüse gereinigt wird, könnte aufbereitet und wieder verwendet werden. Und als letztes komme die Möglichkeit in Frage, Mainwasser in die Bergtheimer Mulde zu pumpen. 

Weil es in der Bergtheimer Mulde extrem trocken ist, müssen die Landwirte ihre Gemüsefelder künstlich bewässern. Das Foto entstand im Juli 2015, in einem extrem trockenen Sommer. 
Foto: Daniel Peter | Weil es in der Bergtheimer Mulde extrem trocken ist, müssen die Landwirte ihre Gemüsefelder künstlich bewässern. Das Foto entstand im Juli 2015, in einem extrem trockenen Sommer. 

Thomas Rützel (UWG/FW) machte einen Vorschlag, über den bisher noch nicht diskutiert wurde. "Ist es denkbar, die Kühlwassertürme des stillgelegten Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld zu nutzen?" Eventuell als Wasserspeicher. Denn der Weg in den nördlichen Landkreis sei ja nicht weit. "Soweit ich weiß, werden die Türme in zwei Jahren gesprengt", antwortete Landrat Eberth, der sich den Hinweis aber notierte. 

Landrat Eberth hat kein Verständnis für die Haltung der Gemeinde Unterpleichfeld

Kritisiert wurde von der Kreispolitik, dass nicht alle Gemeinden in der Bergtheimer Mulde willig sind, sich an der Machbarkeitsstudie finanziell zu beteiligen. Bergtheim, Hausen, Oberpleichfeld, Kürnach, Rimpar und Prosselsheim "sind mit an Bord", so Eberth. Ebenso der Bewässerungsverein Bergtheimer Mulde, den Landwirte vor einem Jahr ins Leben gerufen haben. Nicht dabei ist aber die Gemeinde Unterpleichfeld. Erst kürzlich hat der Gemeinderat eine erneute Abstimmung über eine Beteiligung an der Studie abgelehnt

"Die Wasserversorgung ist eine Kernaufgabe des Freistaates Bayern." 
Stefan Wolfshörndl, SPD-Fraktionschef

Dafür hat Landrat Eberth kein Verständnis. Bei aller Achtung der kommunalen Selbstverwaltung, "Kopf in den Sand stecken geht nicht", sagte er deutlich. Denn: "Unterpleichfeld ist ein Hotspot". Die Studie kommt seiner Meinung nach fünf Jahre zu spät – und der finanzielle Aufwand für die Gemeinden sei nicht besonders hoch. "Es geht um einen Betrag zwischen 3000 bis 4000 Euro", so Eberth. 

SPD-Fraktion möchte den Freistaat Bayern in die Pflicht nehmen

"Es ist jetzt wichtig, alle im Boot zu haben", betonte auch CSU-Fraktionschef Björn Jungbauer, der ebenfalls bedauerte, dass sich Unterpleichfeld an der Finanzierung der Machbarkeitsstudie nicht beteiligt. "Die Gemeinde wäre ein wichtiger Partner." Verständnis brachte Peter Juks (UWG/FW) auf. "Die Ängste und Zweifel sind berechtigt. Es geht ja auch um immense Zukunftsinvestitionen." Helmut Krämer (CSU) hielt dagegen: "Es geht um eine Grundlage für die Zukunft." Verständnis habe er nicht, im Gegenteil: "Die Gemeinden müssen sich solidarisch erklären", erwartet er. 

SPD-Fraktionschef Stefan Wolfshörndl möchte den Freistaat Bayern in die Pflicht nehmen. "Die Wasserversorgung ist eine Kernaufgabe des Staates", sagte er und kritisierte, dass dieser Behörden, wie die Wasserwirtschaftsämter zusammengelegt habe. Gleichzeitig stellte er die Frage: "Ist es überhaupt sinnvoll, in einer der regenärmsten Regionen des Landes den wasserintensivsten Anbau zu haben?"

Und wie geht es jetzt weiter? Zunächst wird eine Projektskizze erstellt. Das Wasserwirtschaftsamt muss dieser zustimmen und die Förderung bewilligen. Erst dann kann europaweit nach einem geeigneten Büro gesucht werden, das die Studie durchführt. Eberth rechnet für Mitte 2022 mit dem Projektauftakt. Es dauert also noch etwas, bis das Bewässerungsproblem in der Bergtheimer Mulde eventuell gelöst werden kann. 

 
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Kommentare
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  • C. W.
    ist alles nicht mehr normal!!!
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  • H. S.
    Kartoffel kommen aus Israel und Ägypten zu uns, die haben noch weniger Wasser.
    Warum sollen wir nichts nach Abu Dhabi liefern?
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  • G. K.
    warum konsumieren wir Kartoffeln aus Israel und Ägypten? Die gibts in Deutschland wirklich massig.
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