"Noah wurde der erste Ackerbauer und pflanzte einen Weinberg." Diesen Vers aus dem ersten Buch Mose hatte Lisa Lehritter zwar nicht parat. Irgendwie hat die Bibelstelle der 24-Jährigen aber wohl bei der Wahl der Fränkischen Weinkönigin am Freitag zur Krone verholfen.
Lehritter ist seit 1975 die erste Weinkönigin aus Frickenhausen im Landkreis Würzburg. In der Aschaffenburger Stadthalle setzte sie sich gegen die unter Beobachterinnen und Beobachtern favorisierte Anne Gümpelein aus dem mittelfränkischen Sugenheim und Laetitia Stockmeyer aus Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt) durch. Und das in nur einem Wahlgang - damit holte die Absolventin des Studiengangs Internationale Weinwirtschaft aus dem Stand die absolute Mehrheit unter der rund 100-köpfigen Jury.
Artur Steinmann: Eva Brockmann hat die Weinregion "aufgepeitscht"
Mehr als 500 geladene Gäste verfolgten die Veranstaltung, die dem traditionellen Muster folgte: Das Moderatoren-Duo Nicole Then-Plannasch und Axel Robert Müller führten durch die Vorstellung der Kandidatinnen, diverse Fragerunden und die geheime Wahl per Ted. Neu war die musikalische Begleitung: Statt einer Bigband sorgte die Aschaffenburger Cover-Gruppe "Outline" mit Oldies für Partystimmung.
Doch bevor Lisa Lehritter mit dem Frickenhäuser Anhang, der zahlreich nach Aschaffenburg gekommen war, feiern konnte, ging es eher nostalgisch-nachdenklich zu. Zunächst stand nämlich der Abschied von Vorgängerin Eva Brockmann an.
Eine Krone darf die 25-Jährige weiter tragen: Im Herbst wurde sie zur Deutschen Weinkönigin gewählt. Sichtlich stolz schwärmte Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands, die Wahl Brockmanns habe "eine unheimliche Wallung gebracht". "Ich hätte nie gedacht, dass uns eine Weinkönigin so aufpeitscht."
Wie es für Brockmann weitergeht, wenn sie im September auch als Deutsche Weinkönigin abdankt, weiß sie noch nicht. "Aber ich werde in der Weinbranche bleiben", beteuerte sie.
Das Amt der Fränkischen Weinkönigin, das sie 491 Tage lang innehatte, ist "lebens- und erlebenswert", so Brockmann. Am Ende des Abends gab sie zu, wie schwer es ihr gefallen sei, das Amt abzugeben.
Stolz auf die Tradition der Weinköniginnen
Ihr ganz persönlicher Höhepunkt in dieser Zeit? Ein Treffen mit vielen ihrer Vorgängerinnen in der Abtei Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen). "Wir haben uns über unsere jeweiligen Amtszeiten ausgetauscht", erzählte Brockmann und ließ eine Botschaft an jene folgen, die das Amt der Weinkönigin für nicht mehr zeitgemäß halten.
Sie sei "dankbar für das, was früher von starken Frauen geleistet wurde, damit ich heute so vor Ihnen stehen kann", betonte sie. Und: "Ich bin stolz, in der Tradition meiner Vorgängerinnen zu stehen." Der Anlass des Treffens, die Präsentation einer neuen Krone für die Weinkönigin, sei da in den Hintergrund gerückt.
Warum Eva Brockmann ohne Krone kam
Dafür spielte die Krone am Freitag wieder eine größere Rolle. Oder besser gesagt, die strengen Regularien um den Kopfschmuck. Brockmann kam nämlich ohne Krone zu Wahl ihrer Nachfolgerin. Die fränkische Krone durfte sie nämlich, weil inzwischen Deutsche Weinkönigin, nicht mehr tragen. Daher gab sie sie auf der Bühne in einer roten Schatulle zurück. Die deutsche Krone wollte sie allerdings auch nicht tragen - "weil es heute um meine Nachfolgerin" in Franken geht, so Brockmann.
Die hatte noch vor der Veranstaltung erklärt: "Alle drei haben das Zeug dazu. Egal, wer es wird, es wird ein Gewinn." Kurz nach ihrer Wahl war Lisa Lehritter "sprachlos". Doch sprachlos hatte sie das Publikum während des rund dreistündigen Programms nicht kennengelernt. Eher bodenständig, schlagfertig und authentisch. "Das ist einfach ihre natürliche Art", sagte ihre Mutter Sonja nach der Wahl, "und so kommt man im Leben weiter: Wenn man sich einfach so gibt, wie man auch ist".
Lisa Lehritter erzählte von einem Glücksbringer und ihrer Krebserkrankung
Tatsächlich machte Lisa Lehritter auf der Bühne kein Geheimnis um sich und ihre Geschichte. Als sie in ihrer Jugendzeit an Krebs erkrankt war, erzählte sie, wurde ihr ein Glückswichtel geschenkt. Eine kleine Plastikfigur, die sie seitdem etwa bei Prüfungen immer bei sich hatte. So auch am Freitag bei der Weinköniginnenwahl. Als sie ihn einmal zu Hause vergessen hatte, habe ihre Mutter die Figur per Eilpost an die Hochschule Geisenheim nachgeschickt. Rechtzeitig zur Prüfung sei der Glücksbringer da gewesen.
Ihr Glücksbringer an diesem Freitag war aber wohl nicht der Plastikwichtel, sondern eher Clemens Bieber, Domkapitular und Caritas-Vorsitzender für die Diözese Würzburg. Als das Publikum Fragen stellen konnte, wurde Biebers Frage gelost: In der Bibel würde Wein an 236 Stellen erwähnt, erklärte er. Ob sie einen Vers mit Weinbezug in der Heiligen Schrift kenne, wollte er von Lehritter wissen.
Ein Raunen ging durch den Saal. Lehritters coole Reaktion blieb im Gedächtnis und ließ sie vermutlich für einige Jury-Mitglieder unter den Kandidatinnen herausstechen: In Frickenhausen gebe es ja einen Terroir f-Punkt, in dem das letzte Abendmahl dargestellt werde, antwortete sie vielsagend. Jubel im Saal. Als sie dann noch nachschob, dass es ja auch noch einen Vers "mit Noah und Wein" gebe, dürfte auch der Domkapitular beeindruckt gewesen sein.
Was der Sieg für Frickenhausen bedeutet
Eva Brockmann und Weinbauverbandspräsident Steinmann waren jedenfalls hochzufrieden mit der Wahl. "Mit der Lisa habe ich eine sehr gute Nachfolgerin, da habe ich gar keine Zweifel", erklärte die Vorgängerin. Er sei "sehr glücklich" wieder "eine fantastische Königin an meiner Seite zu haben".
Frickenhausens Bürgermeister Günther Hofmann freute sich indes, dass sein Weinort "durch die Lisa noch bekannter" werde. "Wir sind alle total stolz." Lehritter habe sich "reingehängt, die letzten Wochen". Das ganze Dorf habe hinter ihr gestanden.
Das bestätigte auch die Gekrönte selbst. "Es ist ein total schönes Gefühl, den Leuten auch was zurückzugeben", sagte sie, als sich die ersten Emotionen gelegt hatten - auch wenn sie es immer noch nicht so richtig fassen könne. Sie sei "unfassbar stolz, die Krone nach Frickenhausen zu holen".