zurück
Würzburg
Missbrauch: Warum Betroffene nicht im Beirat mitarbeiten möchten
Im Bistum Würzburg hat sich ein Betroffenenbeirat gegründet. Einfach scheint es nicht gewesen zu sein. Betroffene berichten von Vertrauensbruch und Intransparenz.
Im Bistum Würzburg hat sich ein unabhängiger Betroffenenbeirat konstituiert. Er soll an der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt mitarbeiten. Einige Betroffene üben Kritik.
Foto: Fabian Gebert | Im Bistum Würzburg hat sich ein unabhängiger Betroffenenbeirat konstituiert. Er soll an der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt mitarbeiten. Einige Betroffene üben Kritik.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:48 Uhr

In der Diözese Würzburg gibt es einen Betroffenenbeirat. Er setzt sich zusammen aus Menschen, die sexualisierte Gewalt erleiden mussten. Sie sollen mitwirken bei der unabhängigen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Einfach scheint es nicht gewesen zu sein, Interessenten zu finden. Betroffene berichten, warum sie sich keinesfalls dafür bewerben wollten und von heftigen Konflikten untereinander.

Öffentlicher Aufruf des Bischofs endete am 10. März

Bis zum 10. März konnten Missbrauchsbetroffene dem Bistum ihr Interesse mitteilen. Der Bischof hatte öffentlich dazu aufgerufen. Doch erst vor einer Woche habe sich der unabhängige Betroffenenbeirat konstituiert. Dies hätten die Mitglieder des neuen Beirats dem Bistum mitgeteilt. So steht es in der Pressemitteilung.

Unterdessen erreichten die Redaktion Informationen, dass es wohl schwierig war, trotz öffentlichen Aufrufs, überhaupt einen Beirat zu bekommen. Und dass es unter den Betroffenen Unstimmigkeiten gebe.

"Ich habe mich dagegen entschieden - aufgrund der erlebten toxischen Stimmung unter den Betroffenen."
Missbrauchsbetroffene Person, die nicht in den Beirat wollte

Einige Angaben stammen von Betroffenen, die anonym bleiben möchten. Eine Person berichtet zum Beispiel von einem Anruf am 9. März, in dem ein anderer Betroffener sie aufgefordert habe, sich für den Beirat zu melden. Bislang gebe es nur drei Bewerbungen. Es sei eilig, denn am nächsten Tag laufe die Frist ab. "Ich habe mich jedoch dagegen entschieden – aufgrund der erlebten toxischen Stimmung unter den Betroffenen."

Diese Interventionen scheinen trotzdem erfolgreich gewesen zu sein, denn es gab Mitte April ein erstes Treffen. Und dabei sollen unter anderem zwei Mitglieder für die Aufarbeitungskommission gewählt worden sein. War das keine konstituierende Sitzung des Betroffenenbeirats?

Zwei Betroffene treten nach dem ersten Beiratstreffen wieder aus

Dazu erzählt der Betroffene Bernhard Rasche: Zum ersten Treffen im April seien sechs Personen gekommen, zwei davon seien danach wieder ausgetreten: er selbst und eine weitere Person. So waren es zu diesem Zeitpunkt nur noch vier Betroffene im Beirat. Damit war eigentlich die im Aufruf des Bischofs genannte Mindestzahl von fünf Personen nicht mehr erreicht.

Wie viele Personen dem Beirat nun tatsächlich angehören, dazu macht das Bistum trotz mehrmaliger Nachfrage keine Angaben – und verweist auf den Betroffenenbeirat. Doch dieser hat die Struktur und damit die Mindestanzahl nicht vorgegeben, sondern das Bistum – beziehungsweise eine Rahmenordnung der deutschen Bischöfe

Bernhard Rasche ist aus dem Betroffenenbeirat im Bistum Würzburg wieder ausgetreten. Er spricht von Intransparenz und zweifelt die Unabhängigkeit des Gremiums an.
Foto: Hagen Wohlfahrt | Bernhard Rasche ist aus dem Betroffenenbeirat im Bistum Würzburg wieder ausgetreten. Er spricht von Intransparenz und zweifelt die Unabhängigkeit des Gremiums an.

Zu dieser Struktur gehöre auch, dass zwei Personen aus dem Betroffenenbeirat für die Aufarbeitungskommission gewählt werden. Laut Meinung eines der Betroffenen sei das der einzige Grund, warum die Bischöfe Aufrufe starten. "Sie wollen nur ihre Aufarbeitungskommissionen, die Betroffenenbeiräte selbst stehen bei den Bischöfen nicht im Vordergrund."

Es stellt sich noch eine andere Frage: Warum bewirbt sich ein Betroffener und zieht sich nach dem ersten Treffen wieder zurück? 

Bernhard Rasche sagt, er sei zum ersten Treffen im April "mit gemischten Gefühlen" gegangen. Eine Person war laut Rasche neu dabei. Die anderen Betroffenen sollen sich bereits aus der alten Gesprächsgruppe kennen, mit denen sich Bischof Jung seit Juni 2019 regelmäßig ausgetauscht hat, so Rasche.

Zudem habe Rasche jetzt – vor diesem ersten Treffen im April – eine ihn ausgrenzende und sehr unfreundliche E-Mail von einer Betroffenen erhalten. Warum? Rasche erklärt, das Schreiben würde sich auf Probleme in der alten Gesprächsgruppe beziehen. Sie seien noch nicht gelöst.

Betroffene sollen dem Bischof vertrauliche Informationen weitergegeben haben

Laut Rasche entstand der Konflikt, weil Inhalte von vertraulichen Hintergrundgesprächen der Betroffenen im Herbst 2020 direkt an die Bistumsleitung weitergeleitet wurden – schriftlich. "Das ist ein massiver Vertrauensbruch", sagt Rasche. Zudem habe die Bistumsleitung diese Informationen bei einem der Treffen angenommen – dies sei sogar im Protokoll vermerkt worden. Der Bischof habe sich anschließend bei den Überbringern bedankt. 

Über diese für Rasche "völlig unmögliche Verhaltensweise" von Mitbetroffenen und Bistumsleitung sei damals nicht weiter diskutiert worden –und somit ist der Konflikt für Bernhard Rasche nicht aus der Welt.

Betroffener spricht von Intransparenz und zweifelt Unabhängigkeit des Beirats an

Bernhard Rasche habe wegen all dieser Dinge überlegt, ob es überhaupt Sinn macht, zum ersten Treffen zu gehen. Er wollte jedoch einen Neustart wagen und nahm teil. Als eine Person einen Tag nach dem Treffen ihren Ausstieg erklärt hatte, entschied sich auch Rasche für diesen Schritt. "Ich habe es den Beiräten schriftlich ausführlich erklärt." Zum Grund möchte er nur so viel sagen: Es fehle ihm die Transparenz, die nötige Distanz einiger Betroffenen zum Bistum – und damit eine tatsächliche Unabhängigkeit des Beirats.

Dies bestätigen auch andere Betroffene. Auch für sie sei dieser Vertrauensbruch nicht aufgearbeitet worden. Und sie wollen laut ihren Aussagen mit den Personen, die interne Informationen "an die Täterinstitution" gegeben haben, keinesfalls zusammenarbeiten.

Wie geht es jetzt weiter? Bernhard Rasche sagt, er will sich mit weiteren Personen zur Sache beraten. "Die vergangenen zwei Jahre haben sehr viel Kraft gekostet." Er wünscht sich, dass auch solche Verhaltensweisen aufgearbeitet werden. Es könne nicht sein, dass Betroffene gegeneinander arbeiten.

Aufarbeitung  im Bistum Würzburg - und in anderen Bistümern

Die Mitglieder der Aufarbeitungskommission des Bistums Würzburg werden laut Bischof Franz Jung nach den Vorgaben der gemeinsamen Erklärung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes Wilhelm-Rörig, und der Deutschen Bischofskonferenz benannt. Der Aufarbeitungskommission gehören sieben Mitglieder an: zwei Betroffene, vier Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie ein Vertreter der Diözese Würzburg.
Aufarbeitungskommissionen gibt es aktuell in Bayern in den (Erz-)Bistümern Bamberg und Eichstätt (seit Februar), in Augsburg (seit März), Passau (seit April) und München-Freising (seit Mai). Regensburg hat 2016 ein Beratungsgremium ins Leben gerufen. In Augsburg, Eichstätt und Bamberg werden Betroffene aufgerufen, an den jeweiligen bestehenden Kommissionen mitzuwirken. In Passau und München-Freising gehören Betroffene dem Aufarbeitungsgremium bereits an.
Quelle: Bistum Würzburg/cj

Hinweis: Die Informationen zu den Aufarbeitungskommissionen wurden aktualisiert (in Bezug auf das Erzbistum München-Freising).

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christine Jeske
Bischöfe
Bistum Würzburg
Deutsche Bischofskonferenz
Emotion und Gefühl
Franz Jung
Katholische Kirche
Kindesmissbrauch
Sexualisierte Gewalt
Öffentlichkeit
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • 2186583
    Leute tretet im die Kirch ein! Kirche sein ist die Botschaft Jesu - alles andere ist doch Egoismus und im letzten Verarsche. Geld ist Gabe und wird - wie in jedem Leben - gebraucht. Kirche liebt Kinder, junge und alte Menschen. Wer anderes erzählt lügt. Die schwarzen Schafe gibt es leider überall
    .. Wie in der Kirche, vor allem auch in unserer Gesellschaft
    Wer mit Kirche und Jesus lebt findet Sinn und Versöhnung. Also auf zum Leben mit Fülle.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Mainkommentar
    Leute tretet aus der Kirche aus. Glauben braucht keine Kirche. Die Kirche verarscht doch nur alle. Entweder wollen Sie euer liebstes (euer Geld) oder sie haben Kinder so lieb wie sie das nicht tun sollten (Missbrauch). Frauen wollen sie ja auch nicht in der Kirche (sonst könnte ja auffliegen was die Männer da so alles böses anstellen). Tretet aus der Kirche aus. Nehmt das gesparte Geld doch einfach und unterstützt Projekte gegen Kindesmissbrauch, fördert Bildung von Kindern, engagiert euch bei Umweltprojekten usw. usw. Da ist das Geld besser angelegt als bei der gierigen vollkommen verlogenen Kirche. Und eueren Glauben könnt ihr auch ohne Kirche leben. Mit Bibel, Gebeten usw.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten