Wenn zwei sich begrüßen, reichen sie sich die Hand. Jahrhundertelang war das so. Doch in der Pandemie wurde der Handschlag zum Tabu. Neue Varianten der Begrüßung entwickelten sich: der Ellenbogencheck, der Faustgruß oder das simple Zunicken. Nachdem die Corona-Schutzmaßnahmen weitgehend aufgehoben sind, kommen wieder Mitmenschen auf andere zu und strecken ihnen die Hand zum Gruß entgegen.
Kehrt der Handschlag zurück? Ist es sinnvoll, weiter darauf zu verzichten? Antworten geben Dr. Manuel Krone, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie am Universitätsklinikum in Würzburg, und Frank Wissmann, Knigge-Trainer in Würzburg.
Die Corona-Zahlen gehen zurück - können wir uns wieder die Hände schütteln?
Der Virologe Manuel Krone rät außerhalb des familiären Kreises weiter vom Händeschütteln ab. "Auf jeden Fall ist es kein Zeichen mangelnder Höflichkeit, wenn man sich nicht die Hände gibt", sagt der stellvertretende Leiter der Krankenhaushygiene am Uniklinikum. Auch das Bayerische Gesundheitsministerium rät nach wie vor dazu, auf das Händeschütteln soweit wie möglich zu verzichten: "Vorsicht geht hier vor Tradition", heißt es aus dem Ministerium dazu.
"Wir sollten uns wieder die Hände schütteln – unbedingt", sagt dagegen Frank Wissmann. "Durch den Mindestabstand ist so viel Distanz zwischen den Menschen entstanden, dass es an der Zeit ist, wieder mehr in Kontakt zu treten." Die Gesellschaft brauche wieder mehr Gemeinschaftsgefühl, meint der Knigge-Trainer: "Das entsteht auch durch das Praktizieren von Ritualen wie dem Handschlag."
War der Verzicht aufs Händeschütteln während der Pandemie richtig?
"Das Händeschütteln spielte für die Ausbreitung von Covid-19 nahezu keine Rolle, aber dafür bei vielen anderen Krankheitserregern", sagt Krone. Am Anfang habe man noch nicht viel über die Ausbreitungswege von Corona gewusst, daher habe sich auch der Verzicht aufs Händeschütteln schnell durchgesetzt. Während der ersten Welle seien in der Würzburger Uniklinik alle Türgriffe noch häufiger als üblich desinfiziert worden, so der Hygieniker. Das habe man in der zweiten Welle schon nicht mehr gemacht. Denn das Coronavirus verbreite sich vor allem über Aerosole und Tröpfchen, erklärt Krone: "Wenn eine infizierte Person hustet, niest, lacht oder spricht, scheidet sie Tröpfchen und Aerosole mit Viren aus."
Bleibt der Handschlag ein wichtiges Ritual - oder ist er verzichtbar?
"Ich hatte nicht das Gefühl, dass es viele als belastend empfinden, dass es kein Händeschütteln mehr gibt", sagt Krone. Und die Pandemie sei ja nicht vorbei." Er habe es eher so erlebt, dass sich die Menschen umgestellt haben: "Es gibt bedeutendere Bräuche aus meiner Sicht", sagt der Hygieniker. Rituale seien weniger starr, als man oft denke, und veränderten sich ständig.
"Geschichtlich betrachtet ist der Händedruck eine Geste des Friedens und des Vertrauens", sagt Knigge-Coach Wissmann. Wenn man die Hand eines anderen hielt oder die eigene Hand gehalten wurde, war sichergestellt, dass keiner eine Waffe trug. "Wenn man noch dazu die Hand schüttelte, wurde sichergestellt, dass keine Waffen im Ärmel versteckt sind", sagt Wissmann. Auf geschäftlicher Ebene stehe der Händedruck für Verbindlichkeit, man besiegele so immer noch Geschäfte.
Faust, Ellenbogen oder Zunicken: Welche Begrüßungsart wird sich durchsetzen?
"Ich gebe generell niemandem die Hand", sagt Krankenhaushygieniker Krone. Die Faust habe sich relativ schnell - auch unter Politikern - verbreitet. "Das finde ich in Ordnung und es ist viel hygienischer als sich die Hände zu geben." Auch Alternativen, wie sich zuzunicken oder sich mit den Füßen oder Ellenbogen zur Begrüßung zu berühren, hätten sich bewährt, heißt es dazu aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium.
Frank Wissmann dagegen rät, "sich genau zu überlegen, ob die Ghetto-Faust, Ellbogen- oder Fußcheck wirklich adäquate Alternativen zum Handschlag waren oder sind". Wichtig sei ein achtsamer Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Kundinnen und Kunden. "Manchmal kann es helfen, sein Gegenüber zu fragen, ob man sich zur Begrüßung die Hand geben möchte oder nicht", sagt der Experte für Umgangsformen und gesellschaftliche Etikette.
Adolph Freiherr von Knigge, der sich im 18. Jahrhundert mit Umgangsformen beschäftigte, habe gesagt: "Lerne den Ton der Gesellschaft anzunehmen, in der du dich befindest." Das könne heißen, so interpretiert es Wissmann, "dass wir mit viel Fingerspitzengefühl wieder vollkommen neu herausfinden dürfen, wer welche Geste gerade bevorzugt und wer welche Präferenz hat".
Welche Krankheiten werden überhaupt durchs Händeschütteln übertragen?
Ein ganzes Spektrum von Krankheiten wird durch das Händeschütteln übertragen, sagt Mediziner Manuel Krone - zum Beispiel Magen-Darm-Infektionen, also klassische Schmierinfektionen, aber auch Bindehautentzündungen. "Wahrscheinlich werden auch Atemwegserkrankungen durch den Händedruck übertragen", sagt Krone. Dies sei aber immer noch relativ schwierig zu untersuchen.
Was tun, wenn Menschen Angst vorm Händeschütteln haben?
Die Pandemie habe das Bewusstsein für die Bedeutung des Händewaschens verstärkt, sagt Hygieniker Krone. Er rät, nach dem Handschlag - wenn er denn sein muss - gut die Hände zu waschen. "Man braucht Seife, Wasser und Zeit." Alternativ sei es sinnvoll auch weiter ein Desinfektionsmittel in der Handtasche dabei zu haben.
Sollte man Kindern den Handschlag überhaupt noch beibringen?
"Meine sechsjährige Tochter kann sich schon gar nicht mehr erinnern, dass man sich früher die Hand gab", sagt Virologe Krone. Seine Kinder müssen den Handschlag nicht mehr lernen. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in München dagegen teilt auf Nachfrage mit: Kindern sollte das Händeschütteln als verbreitete Form der Höflichkeit beigebracht werden.
"Kindern wurden in den vergangenen zwei Jahre viele Möglichkeiten genommen, um Rituale zu zelebrieren, die für uns Erwachsene bis dato vollkommen normal waren", sagt auch Frank Wissmann. "Daher würde ich Kindern generell das Händeschütteln beibringen, gleichzeitig aber auch ein Bewusstsein für eine angemessene Handhygiene vermitteln."
Nicht aus hygienischen Gründen, sondern weil ich es einfach nicht mag.
Eine Hand zum Gruß heben (aber nicht zu hoch natürlich 😉) und Servus oder Hallo sagen reicht völlig aus und ist unbeabsichtigt, auch noch hygienisch unbedenklich.
Ich stehe dazu, dass ich einen Menschen sehr gut einschätzen kann, wenn ich dem die Hand gebe... Darauf konnte ich mich die letzten 40 Jahre lang sehr gut verlassen...
Wenn wir dieses Ritual nicht mehr zelebrieren, sind wir eher keine Menschen mehr...
Wir lernen Uns nicht mehr kennen, und isolieren uns immer weiter...
ich verzichte darauf!!!
Hände waschen tu ich stets, im übrigen auch schon VOR der Pandemie! Von daher alles kein Problem, wobei man im Jahr 2022 davon ausgehen muss, dass es dazu einen Stuhlkreis von Fachleuten geben muss, ob und wie und warum und wieso ...