Eigentlich sah es für Zeno Busch nach einem guten Geschäft aus. Einem Millionengeschäft. Seine Firma "Büro3" in Gaukönigshofen im Landkreis Würzburg lässt Textilien in China produzieren und kümmert sich für Unternehmen um Merchandising-Kollektionen. Als im März die Corona-Pandemie beginnt und es in ganz Deutschland an Schutzmasken mangelt, kommt ihm die Idee: Warum nicht helfen, die Kontakte nutzen? Mit dem bayerischen Gesundheitsministerium verhandelt Busch über die Lieferung von einer Million OP-Masken und 400 000 FFP2-Masken sowie Schutzanzügen. Er kauft in China ein, importiert, Mitte April ist alles da. Nur: Das Ministerium will die Ware nicht mehr – zumindest die FFP2-Masken nicht, sagt Busch.
Dabei sei der Vertrag für die OP-Masken längst unterschrieben gewesen, auch das FFP2-Geschäft mit dem Ministerium habe kurz vor dem Abschluss gestanden. Am 4. April noch habe es aus München geheißen, der Vertrag "werde hausintern abgestimmt – und sobald er unterzeichnet ist, bekommt ihr ihn". Zehn Tage lang habe er dann nichts mehr aus dem Gesundheitsministerium gehört, sagt der 53-Jährige. "Dann kam eine Absage."
Ministerium: Keine Äußerungen zu einzelnen Beschaffungsvorgängen
Für den Gaukönigshofener Unternehmer fatal. Er hatte die FFP2-Masken längst ohne schriftlichen Auftrag des Gesundheitsministeriums gekauft. "Natürlich sage ich jetzt im Nachhinein, hätten wir mal lieber gewartet", sagt Busch. Aber in China habe man zu der Zeit nicht zwei Tage warten können. Die Nachfrage sei hoch gewesen, der Zeitdruck immens. Und: "Ich habe ja nicht mit irgendwem geredet, sondern mit dem Ministerium". Das allerdings wolle die FFP2-Masken bis heute nicht. Erst sei die Begründung der zu hohe Preis gewesen, sagt Busch, dann der Standard.
Das bayerische Gesundheitsministerium weist Fragen der Redaktion zu Zeno Busch und zu den Masken zurück. "Zu konkreten Sachverhalten im Rahmen einzelner Beschaffungsvorgänge äußern wir uns grundsätzlich nicht", teilt eine Sprecherin mit.
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Seine Firma bringe das gescheiterte Geschäft in Bedrängnis, so Busch. Für 5,95 Euro pro Stück wollte er die FFP2-Masken ursprünglich weiterverkaufen. Macht bei 400 000 Stück: mehr als 2,3 Millionen Euro. In Mails forderte der Unternehmer das Ministerium auf, die Ware abzunehmen, schilderte seine Existenzangst und warum er fest mit einem Vertrag gerechnet hatte.
Daraufhin sei er an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen verwiesen worden, das sich im Auftrag des Gesundheitsministeriums um die Beschaffung von Corona-Schutzausstattung kümmert. Busch erklärte, warum gerade der Standard der von ihm gekaufte Masken für den medizinischen Bereich geeignet sei. Als eine Antwort des LGL ausblieb, habe er erneut im Ministerium nachgefragt und mit dem Leiter der Task-Force Corona-Pandemie gesprochen. Das Gespräch habe er so verstanden, dass das LGL weniger zahlen wolle – aber "wenn die Masken in Ordnung wären, würde das LGL sie bestellen".
Er habe also ein neues Angebot ans LGL geschickt - eine Zusage, sagt Busch, blieb jedoch aus. Ende April habe er befürchtet auf seinen Masken sitzen zu bleiben. Er sei in die Offensive gegangen und habe sich per Mail beim Ministerium für die telefonische Bestellung bedankt. Daraufhin sei "ein relativ erbostes Schreiben" aus München gekommen, sagt der Unternehmer. Das Telefonat habe er "gänzlich missverstanden", ein Auftrag sei nie erteilt worden. Das LGL werde sein neues Angebot prüfen. Wochen vergingen - ohne Antwort. Ende Mai habe er einen letzten Versuch gestartet und seine Masken noch einmal dem LGL angeboten, berichtet Busch. Darauf kam die endgültige Absage.
Das LGL schreibt dazu auf Nachfrage: "Wir bitten um Verständnis, dass das LGL sich zu konkreten Vorgängen und Angeboten einzelner Firmen grundsätzlich nicht äußert." Prinzipiell würden die eingehenden Angebote von der Beschaffungsstelle geprüft und alle Lieferungen gesichtet. Dabei erweise sich "ein Großteil der Produkte als regelkonform und kann zur Weiterverteilung freigegeben werden". In Einzelfällen entspräche die gelieferte Schutzausstattung jedoch nicht "der geforderten Qualität", so die LGL.
Nur: Welche Kriterien müssen Schutzmasken für Ärzte und Pflegekräfte eigentlich erfüllen? Für die Arbeit mit Corona-Patienten empfiehlt unter anderem das Robert Koch-Institut (RKI) mindestens FFP2-Masken oder darüber hinaus gehenden Atemschutz. Solche partikelfiltrierenden Halbmasken werden nach der europäischen Norm EN149 geprüft.
FFP2- und FFP3-Masken benötigen in Europa laut bayerischem Gesundheitsministerium grundsätzlich ein CE-Kennzeichen. Sie müssen dafür genau vorgeschriebene Tests bestehen. Normalerweise. Um den Bedarf während der Corona-Pandemie decken zu können, wurden zeitlich begrenzt auch Atemschutzmasken ohne CE-Kennzeichnung erlaubt – vorausgesetzt sie entsprechen den Sicherheitsvorgaben. Als vergleichbar eingestuft werden von den Behörden beispielsweise Masken nach dem amerikanischen Standard N95 oder KN95-Masken aus China.
Zeno Busch hat Masken des chinesischen Typs N95 (GB19083-2010) beschafft. Der sei höherwertig, sagt Busch. Aber er stehe nicht auf der Beschaffungsliste von Bund und Ländern und werde deshalb nicht gekauft. Auch nicht von potentiellen anderen Kunden wie Seniorenheimen, Kliniken oder Rettungsdiensten.
Für den Unternehmer ist das unverständlich. Sein Vorwurf: Die Mehrheit der Masken chinesischer Herstellung auf dem deutschen Markt erfülle einen Standard, der in China für die Industrie gedacht sei – nicht aber für die Arbeit im medizinischen Bereich. Trotzdem würden die Masken in Deutschland genau dafür genutzt.
"Die Unterstellung, Ärzte und Pflegekräfte würden gefährdet, wird entschieden zurückgewiesen", sagt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Nachfrage. "Die vom Freistaat Bayern beschafften und ausgelieferten Masken müssen die aktuell geltenden Standards erfüllen." EN149- und KN95-Masken aus China seien für den medizinischen Einsatz geeignet.
Ob die Norm von Zeno Buschs Masken im Vergleich dazu höherwertig sei, könne "pauschal nicht eindeutig beantwortet werden", teilt das LGL mit. Die Norm GB19083-2010 sei in China nach den Erfahrungen mit dem Sars-Virus speziell für das medizinische Personal entwickelt worden. In Europa gebe es dafür aber "keine 1:1 vergleichbare Norm". Buschs Vorwurf, chinesische KN95-Masken seien nicht für die medizinische Nutzung gedacht, sei "in dieser verkürzten Interpretation falsch".
Ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erklärt, China habe für filtrierende Halbmasken zwei verschiedene Standards: einen vorzugsweise für den industriellen Kontext (GB2626), einen anderen für den medizinischen Bereich (GB19083), bei dem die staatlichen Qualitätskontrollen "möglicherweise engmaschiger" seien. Die Funktion sei bei beiden Masken vergleichbar, wichtig sei, "dass sie das zurückhalten, was sie versprechen". Für eine Übergangszeit könnten beide Standards genutzt werden, wenn sie dem vereinfachten Prüfgrundsatz entsprechen.
Eine Übergangszeit wie eben die Corona-Pandemie. Die wurde von Anfang an vom Chaos um die Schutzausstattung begleitet. Bis Anfang Juni hat der Bund nach eigenen Angaben 500 Millionen FFP2-, FFP3- und KN95-Masken und 1,5 Milliarden OP-Masken beschafft. Relativ gleichbleibend entsprächen etwa 20 Prozent der Lieferungen nicht den Anforderungen, schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage. Mangelhafte Masken würden zwar vom TÜV gesperrt – trotzdem sei in Einzelfällen schadhafte Ware ausgeliefert worden. Es folgten Warnungen und Rückrufe, betroffen waren zum Beispiel mehrere Kassenärztliche Vereinigungen.
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Aktuell ruft auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) FFP2-Masken aus Lieferungen des Bundes zurück. Bei zwei Modellen seien Qualitätsmängel festgestellt worden, heißt es. Zudem habe das europäische Schnellwarnsystem Rapex von einer Benutzung abgeraten, denn die Masken würden nicht ausreichend schützen. Wie viele dieser beiden Modelle an Mediziner im Freistaat ausgeliefert wurden, sei unklar, sagt ein Sprecher der KVB. Alle Ärzte seien aber umgehend informiert worden, sie könnten die fehlerhaften Masken umtauschen.
Für Zeno Busch sind solche Produktwarnungen und Rückrufe eine Art letzte Hoffnung. Vielleicht würden so Kontingente frei, vielleicht finde sich doch noch ein Abnehmer für seine Ware. Denn nach wie vor stehen die Kartons mit Hunderttausenden Masken im Lager in Gaukönigshofen. Aus dem erhofften Millionengeschäft ist ein massiver Verlust geworden. Allein Einkauf und Fracht für die FFP2-Masken hätten ihn rund 1,5 Millionen Euro gekostet. Seiner Firma, sagt Busch, drohe die Pleite.
Zur Ehrenrettung der Beteiligten: Noch nie hat man Bedarf gesehen, für die breite Bevölkerung solche Masken vorzuhalten. Und auch die haben ein Verfallsdatum. Dass dann erhöhte Nachfrage auch noch mit Produktionsausfällen in den Herstellerländern zusammenkamen, und eine Produktion bei uns nur bei deutlich höheren Preisen wirtschaftlich ist, hat de Sache natürlich zusätzlich erschwert.
Vielleicht wären früher schon so manche Grippewellen glimplicher verlaufen. Und man hält sie künftig für den Winter generell vor???
Mein Vorschlag, die Masken auf eBay anbieten. FFP 2 Masken sind den vulnerablen Gruppen eh zu empfehlen, nachdem Abstandsregel und korrektes Maskentragen scheinbar in Bayern nicht mehr gelten.
Der Bedarf ist wohl weiterhin da - fragt sich nur zu welchem Preis. Man kann halt nicht immer gewinnen.
Danke an die Verantwortlichen in den Beschaffungsstellen - es geht um unser aller Steuergeld!
Wenn Sie wie ich die Masken nicht zu medizinischen Zwecken benötigen atmet es sich erheblich leichter mit Ausatemventil als ohne. Ebenfalls werden diese lange nicht so feucht und setzen sich mit Staub oder ähnlichen schnell zu. Der Tragekomfort ist um welten besser.
Zum Zweck des Fremdschutzes sind diese Schutzmasken ursprünglich ja auch nicht gedacht gewesen (außer vielleicht im medizinischen Bereich).
Können Sie das an Beispielen belegen.
Ich höre immerzu, dass sich Handwerker die Aufträge von öffentlicher Hand ausgeschrieben mit dem Faktor 2 bis 3 mal vergolden lassen.
Zudem werden bei Aufträgen in die Zehntausenden Abschlagszahlungen in Rechnung gestellt.
Wo sehen Sie da ein Problem?
Man MUSS als Unternehmer Geld verdienen und für schlechte Zeiten eine Kriegskasse aufbauen, wenn man verantwortlich sein möchte. Oder soll das Unternehmen 0/0 rausgehen und beim ersten Verlust eines Auftrages seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen? Wie würden Sie sich an dieser Stelle fühlen?