
Andrew Ullmann ist Facharzt für Innere Medizin und Professor für Infektiologie an der Uniklinik Würzburg, er hat im In- und Ausland geforscht. Seit 2017 sitzt der 57-Jährige für die FDP im Deutschen Bundestag und ist dort Obmann im Gesundheitsausschuss. In Sachen Coronavirus ist er derzeit ein gefragter Gesprächspartner.
Andrew Ullmann: Wir haben eine steigende Infektionsrate in Deutschland, aber eine sehr niedrige Sterblichkeitsrate im Vergleich zu anderen Ländern. Das zeigt, dass wir mit diesem Virus gut umgehen können.
Ullmann: Die Schwankungen sind sehr groß, wir lernen noch von dieser Pandemie. Der Virus befällt viele Menschen. Am Anfang fallen dann die schweren Fälle besonders auf. In der ersten Welle einer neuen Erkrankung ist die Todesrate rein rechnerisch immer besonders hoch. In Deutschland kam die Corona-Infektion später an. Unsere Sterblichkeitsrate liegt aktuell im Bereich von ein bis zwei Promille.
Ullmann: Wir müssen dieses Virus ernst nehmen, es ist ähnlich gefährlich wie ein Grippevirus. Aber in digitalen Medien wird aufgrund von Nichtwissen und Halbwahrheiten Angst geschürt. Hier müssen wir besser aufklären.
Ullmann: In 80 Prozent verläuft eine Infektion relativ mild. In weiteren 15 Prozent verläuft sie schwer und in fünf Prozent werden die Menschen intensivpflichtig. Das sind meistens ältere Menschen und solche mit chronischen Erkrankungen. Ganz ähnlich wie bei der Grippe.
Ullmann: Was ist angemessen, was nicht? Da werden sich die Gelehrten immer streiten. Wenn jetzt der Bundesgesundheitsminister empfiehlt, alle Bundesligaspiele abzusagen, klingt das sehr verantwortungsvoll. Warum soll ich aber Fußballspiele in Bundesländern absagen, in denen es kaum Infektionen gibt?
Ullmann: Das ist meiner Meinung nach durch den Druck anderer europäischer Länder entstanden. Ich würde das regional entscheiden, je nachdem wie weit die Epidemie verbreitet ist. Bei einer regional hohen Infektionsrate können schon 50 Menschen auf engem Raum zu viel sein. Wir müssen uns generell besser auf Pandemien vorbereiten. Wir sind immer gut auf die vergangene Pandemie vorbereitet, aber nicht auf zukünftige Herausforderungen. Solche Zahlen und Maßnahmen, Fragen der Diagnostik müssen wir im Vorfeld besser klären.
Ullmann: Ich würde das Robert-Koch-Institut in seiner Unabhängigkeit stärken. Dass ist ja ein dem Gesundheitsministerium zugeordnetes Bundesinstitut. Sein Präsident sollte als Chief Medical Officer der Bunderegierung in die relevanten Entscheidungsgremien einbezogen werden, auch in einen reformierten Bundessicherheitsrat. Damit soll sichergestellt werden, dass in den jeweiligen Gremien medizinischer Sachverstand vertreten ist. So können wir uns besser gegen Pandemien wappnen. Außerdem sind wir eines der wenigen Länder auf der Welt, die keinen Facharzt für Infektiologie haben. Das müssen wir ändern.
Ullmann: Ich bin mir nicht sicher, ob das so vergleichbar ist. Die mir vorliegenden Zahlen zeigen, dass bei uns mehr jüngere Menschen infiziert sind. Deswegen haben wir auch eine dramatisch niedrigere Sterblichkeitsrate. Wir hatten das Glück, dass gleich die ersten Fälle in Starnberg identifiziert wurden und dass wir einen von der Charité in Berlin entwickelten Test zur Verfügung hatten. So dass wir von Anfang an gute Testungen durchgeführt haben und schon die ersten Patienten identifizierten.
Ullmann: Der Test steht ausreichend zur Verfügung. Wenn, gibt es Engpässe beim Personal. Denn in den Kliniken und Labors läuft der normale Betrieb, läuft die tägliche Diagnostik ja weiter.
Ullmann: Wenn sich die Epidemie ausbreitet und die Grippewelle nicht abflacht, wird es für unser Gesundheitssystem eng werden. Aber die Zahlen sprechen im Moment dagegen. Wir haben nachweislich über 100 000 mit Grippe Infizierte mit 200 Todesfällen. Zehn bis 17 Prozent der Infizierten müssen intensiv betreut werden. Deutschland ist mit 28 000 Intensivbetten überdurchschnittlich versorgt. Und die Grippewelle flaut ab Mitte März ab. Deshalb müssen wir uns in diesem Sommer gut auf den nächsten Winter vorbereiten. Denn das Coronavirus wird wiederkommen.
Ullmann: Ich habe keine Kristallkugel, aber es gibt Berechnungen, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infizieren werden. Die Frage ist nur, in welchem Zeitraum.
Ullmann: Ja, das stimmt. Der Virus fällt beim ersten Aufschlag nicht so dramatisch aus. Mit Coronaviren haben wir ja schon immer zu tun. Bei einer Zweitinfektion fällt die Immunreaktion des Körpers sehr viel heftiger aus, was dann zu einer Lungenentzündung führen kann. Je älter ein Mensch, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwann in seinem Leben schon einmal eine Corona-Infektion hatte. Nicht diese spezifische, trotzdem fällt die dann härter aus. Das kann übrigens auch die Impfstoffforschung erschweren.