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Würzburg/Schweinfurt
Landwirte atmen auf: Gebiete mit Nitrat-Auflagen werden kleiner
Teil-Erfolg für Bauern: Künftig soll die Grundwasserqualität durch eine höhere Zahl von Messstellen beurteilt werden. Warum das manchem Landwirt jedoch nicht nutzen könnte.
Gülle wird heute - im Gegensatz zu früher - bodennah ausgebracht, um die Nährstoffe möglichst genau zu verteilen und Geruchs- und Ammoniak-Emissionen gering zu halten.
Foto: Bayerischer Bauernverband / Schramböhmer | Gülle wird heute - im Gegensatz zu früher - bodennah ausgebracht, um die Nährstoffe möglichst genau zu verteilen und Geruchs- und Ammoniak-Emissionen gering zu halten.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Jubel bei den Bauern statt Protest: Kurz bevor die neue Düngeverordnung am 1. Januar 2021 so manchen Landwirt zu schmerzhaften Einschnitten bei der erlaubten Düngemittelmenge zwingen wird, könnte sich das Blatt in letzter Minute wenden. Denn: Die Gebietskulisse wird unter der Federführung des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums neu überarbeitet. Dabei zeichnet sich ab, dass sich bei der neuen Karte die "roten Gebiete" halbieren könnten. "Mindestens aber deutlich verkleinern werden", wie die unterfränkische Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) sagt.

Als rot wird ein Gebiet eingestuft, wenn das Grundwasser mit Schadstoffen (meist: Nitrat) belastet ist und den Landwirten deshalb zusätzliche Auflagen bei der Bewirtschaftung gemacht werden. In Bayern gelten bislang 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen als rot.

Der gemeinsame Einsatz von Bauernverband, Landwirtschaft verbindet Bayern e. V., Weinbauverband, Regierung von Unterfranken und der Arbeitsgemeinschaft Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der CSU habe sich gelohnt, sagt Weisgerber. Wasserwirtschafts- und Landwirtschaftsverbände könnten zu dem Entwurf nun Stellung nehmen. Im Dezember soll die Karte vom bayerischen Kabinett verabschiedet werden und ab 1. Januar 2021 gültig sein.

So sind die roten und grünen Flächen in Unterfranken bislang aufgeteilt:

Landwirte atmen auf: Gebiete mit Nitrat-Auflagen werden kleiner

Ein Kompromiss zu Lasten des Grundwassers und der Verbraucher? Es gehe nicht darum, die Werte kleinzurechnen, sagt der unterfränkische Bauernpräsident Stefan Köhler. Vielmehr "schaut man jetzt genauer hin und weist nicht ganze Landstriche nur aufgrund von wenigen teils auch noch viele Kilometer weit entfernten Grundwassermessstellen pauschal als rotes Gebiet aus." Es sei der "richtige Systemwechsel", so Köhler.

Noch vor wenigen Monaten waren Tausende Bauern in ganz Deutschland wegen der verschärften Düngeregeln in roten Gebieten auf die Barrikaden gegangen. In lautstarken Traktor-Demos entzündete sich ihr Ärger vor allem an den Grundwasser-Messstellen der Wasserwirtschaftsämter, deren Aussagekraft sie bezweifeln.

Emmissionsdaten der Landwirtschaft werden mit einberechnet

Nun sollen die Gebiete kleinteiliger betrachtet und die Zahl der Messstellen erhöht werden. Außerdem sollen künftig landwirtschaftliche Daten, etwa wie viel Nährstoffe bestimmte Böden vertragen oder wie die Bauern ihre Fläche tatsächlich bewirtschaften, eine Rolle spielen, erklärt Andreas Kirchner vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. "Es geht nicht darum, dass die Landwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommt, sondern dass es wasserwirtschaftlich Sinn macht."

"Es geht nicht darum, dass die Landwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommt, sondern dass es wasserwirtschaftlich Sinn macht."
Andreas Kirchner, Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen

Deshalb kämen nicht nur in roten, sondern auch in grünen Gebieten neue Messstellen hinzu. Theoretisch könne es also sein, dass ein Gebiet, dessen Grundwasserqualität bislang als gut eingestuft wurde, sich in der neuen Kulisse rot färbt; "Je besser die Datenlage, desto besser können wir die Qualität des Grundwasserkörpers definieren", sagt der Fachbereichsleiter Wasserversorgung.

In Unterfranken gibt es 45 solche abgegrenzten Grundwasservolumen, von denen 15 als nitratbelastet gelten. Bislang wurde das gesamte Gebiet eines Grundwasserkörpers als rot eingestuft, wenn bei 20 Prozent seiner Messstellen mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen wurden. Das soll sich jetzt ändern. 

In Unterfranken gibt es 74 Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen, anhand derer die Wasserqualität beurteilt wird. Allein im Amtsbereich Bad Kissingen sind heuer 17 neue  dazugekommen. In ganz Bayern soll die Zahl der Messstellen bis Ende 2023 von 600 auf 1500 ausgeweitet werden, so Staatssekretär Gerhard Eck (CSU). Das sei eine "deutliche Verbesserung für die Landwirte", weil die Nitratkulisse künftig differenzierter ausgewiesen werde. 

Landwirte, deren Fläche künftig in einem roten Gebiet liegt, sollen bei neuen Techniken zur besseren Nährstoffeffizienz, beim Bau zusätzlicher Güllebehälter oder bei der Düngeberatung unterstützt werden. Dafür stehen in den kommenden vier Jahren jeweils 250 Millionen Euro Anpassungshilfe vom Bund zur Verfügung.

Zu einem bundesweiten Aktionstag hatten die landwirtschaftlichen Verbände für den 11. November aufgerufen. Auch in Unterfranken waren an diesem Mittwoch Aktionen geplant, und zwar bei der Molkerei Danone und dem Südzucker-Werk in Ochsenfurt sowie am Schlachthof in Aub.
Foto: Thomas Obermeier | Zu einem bundesweiten Aktionstag hatten die landwirtschaftlichen Verbände für den 11. November aufgerufen. Auch in Unterfranken waren an diesem Mittwoch Aktionen geplant, und zwar bei der Molkerei Danone und dem ...
 
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  • J. H.
    Ich würde ja lachen, wenn sich trotz engermaschigem Messtellennetzwerk keine Verkleinerung der roten Gebiete ergeben würde, schlicht weil die Nitratverseuchung flächendeckend ist.

    Dann würde der schäbige Taschenspielertrick des Bauernverbandes und des Landwirschaftsministerium schön in die Hose gehen. Das wäre mal gerecht.

    Was bereits flächendeckend ist: wo die CSU dahintersteckt, sind Tricksereien und Mauscheleien auch nicht weit.
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  • H. H.
    Es kann hier nicht darum gehen

    was wasserwirtschaftlich sinnvoll(?) ist, sondern was tatsächlich zur Düngung gebraucht wird - und das ist gegenüber heute oft erstaunlich wenig. Wir haben hier in D nämlich ein industrieland-spezifisches Problem: die Massentierhaltung für unser täglich Billigfleisch. Eine Kuh macht muh - hunderttausende Kühe machen einen Haufen(!) Mühe. Das muss dann alles sauber entsorgt werden - und da kommen die Flächen ins Spiel, auf die das Material dann ausgebracht wird, ohne dass es landbaumäßig wirklich nötig wäre.

    Es führt - aus noch etlichen Gründen mehr - langfristig kein Weg daran vorbei, die Massentierhaltung viel stärker zu reglementieren. Die Faustformel lautet: für 1 kg Fleisch muss ich 5 - 10 kg Pflanzenmasse verfüttern. Wäre es im Sinne einer nachhaltigen Versorgung für alle(!) nicht viel gescheiter, wenn unsereiner gleich mehr pflanzliche Nahrung zu sich nehmen würde? Aber OK, für die Schlankheits"industrie" wär das natürlich eine Katastrophe...
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  • J. H.
    Was für ein Schwindel!

    Das ist also das Ergebnis des jahrelangen Streits. Nur ein paar mehr Messungen? Sonst Nichts?

    Ich schaue schon mal in meine Glaskugel, da sehe ich folgendes:

    - Es wird gemessen, gemessen, gemessen, …. Bis man irgendwo genügend grüne Messstellen gefunden hat.
    - Die Bauern werden weiterhin düngen wie bisher.
    - An der Nitratbelastung des Trinkwassers wird sich nichts ändern. Warum auch, es wird er nicht anders gedüngt, nur anders gemessen.

    Das einzige, was dieser faule Kompromiss bewirkt hat, ist, dass die Bauern Zeit gewonnen haben. Bis dann offiziell festgestellt wird, dass die „Maßnahme“ nichts bewirkt hat, sind wieder ein paar Jahre um. Dann geht die Endlosschleife wieder von vorne los, mit Politikerapellen, Bauernprotesten, Lobbyarbeit und der nächste faule Kompromiss wird geschlossen.

    Eine Schande! Ein trauriger Tag für die Verbraucher.
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